Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

schmale Fußpfad war mit kleinen Steingeschie-
ben übersäet. Die ganze Höhe bis zum Gip-
fel mag zwey hundert Schuh betragen. Ein-
zelne Felsenstücke hingen, in Gestalt ungeheu-
rer Säulen, über den Fußsteig her. Daneben
schwankte eine andere fast viereckigte große Mas-
se, ebenfalls herüberhängend und jeden Augen-
blick den Einsturz drohend, der dem Wande-
rer um so möglicher scheint, da breite Klüfte
in derselben ganz ausgewittert sind. Sodann
folgt erst eine von den Hauptmassen des Fel-
sens, worauf das Schloß gebauet ist, die aber
stellenweise durch Mauerwerk gestützt, erhöhet
und erweitert werden mußte. Im Innern
hat jetzt ein Oberforstmeister seinen Sitz. Sei-
ne Wohnung und seine Wirthschaftsgebäude
sind auf das alte Mauerwerk aufgelegt. Durch
diese hin gelangt man auf den Gipfel des Fel-
sens, von dem herab man eine Aussicht genießt,
die ich mit dem unbestimmten Worte "para-
diesisch
" nur zu bezeichnen, nicht zu beschrei-
ben, Willens bin. Dieser Burg gegenüber,

H 2

ſchmale Fußpfad war mit kleinen Steingeſchie-
ben uͤberſaͤet. Die ganze Hoͤhe bis zum Gip-
fel mag zwey hundert Schuh betragen. Ein-
zelne Felſenſtuͤcke hingen, in Geſtalt ungeheu-
rer Saͤulen, uͤber den Fußſteig her. Daneben
ſchwankte eine andere faſt viereckigte große Maſ-
ſe, ebenfalls heruͤberhaͤngend und jeden Augen-
blick den Einſturz drohend, der dem Wande-
rer um ſo moͤglicher ſcheint, da breite Kluͤfte
in derſelben ganz ausgewittert ſind. Sodann
folgt erſt eine von den Hauptmaſſen des Fel-
ſens, worauf das Schloß gebauet iſt, die aber
ſtellenweiſe durch Mauerwerk geſtuͤtzt, erhoͤhet
und erweitert werden mußte. Im Innern
hat jetzt ein Oberforſtmeiſter ſeinen Sitz. Sei-
ne Wohnung und ſeine Wirthſchaftsgebaͤude
ſind auf das alte Mauerwerk aufgelegt. Durch
dieſe hin gelangt man auf den Gipfel des Fel-
ſens, von dem herab man eine Ausſicht genießt,
die ich mit dem unbeſtimmten Worte „para-
dieſiſch
“ nur zu bezeichnen, nicht zu beſchrei-
ben, Willens bin. Dieſer Burg gegenuͤber,

H 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <floatingText>
          <body>
            <div n="1">
              <p><pb facs="#f0123" n="115"/>
&#x017F;chmale Fußpfad war mit kleinen Steinge&#x017F;chie-<lb/>
ben u&#x0364;ber&#x017F;a&#x0364;et. Die ganze Ho&#x0364;he bis zum Gip-<lb/>
fel mag zwey hundert Schuh betragen. Ein-<lb/>
zelne Fel&#x017F;en&#x017F;tu&#x0364;cke hingen, in Ge&#x017F;talt ungeheu-<lb/>
rer Sa&#x0364;ulen, u&#x0364;ber den Fuß&#x017F;teig her. Daneben<lb/>
&#x017F;chwankte eine andere fa&#x017F;t viereckigte große Ma&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e, ebenfalls heru&#x0364;berha&#x0364;ngend und jeden Augen-<lb/>
blick den Ein&#x017F;turz drohend, der dem Wande-<lb/>
rer um &#x017F;o mo&#x0364;glicher &#x017F;cheint, da breite Klu&#x0364;fte<lb/>
in der&#x017F;elben ganz ausgewittert &#x017F;ind. Sodann<lb/>
folgt er&#x017F;t eine von den Hauptma&#x017F;&#x017F;en des Fel-<lb/>
&#x017F;ens, worauf das Schloß gebauet i&#x017F;t, die aber<lb/>
&#x017F;tellenwei&#x017F;e durch Mauerwerk ge&#x017F;tu&#x0364;tzt, erho&#x0364;het<lb/>
und erweitert werden mußte. Im Innern<lb/>
hat jetzt ein Oberfor&#x017F;tmei&#x017F;ter &#x017F;einen Sitz. Sei-<lb/>
ne Wohnung und &#x017F;eine Wirth&#x017F;chaftsgeba&#x0364;ude<lb/>
&#x017F;ind auf das alte Mauerwerk aufgelegt. Durch<lb/>
die&#x017F;e hin gelangt man auf den Gipfel des Fel-<lb/>
&#x017F;ens, von dem herab man eine Aus&#x017F;icht genießt,<lb/>
die ich mit dem unbe&#x017F;timmten Worte &#x201E;<hi rendition="#g">para-<lb/>
die&#x017F;i&#x017F;ch</hi>&#x201C; nur zu bezeichnen, nicht zu be&#x017F;chrei-<lb/>
ben, Willens bin. Die&#x017F;er Burg gegenu&#x0364;ber,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 2</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0123] ſchmale Fußpfad war mit kleinen Steingeſchie- ben uͤberſaͤet. Die ganze Hoͤhe bis zum Gip- fel mag zwey hundert Schuh betragen. Ein- zelne Felſenſtuͤcke hingen, in Geſtalt ungeheu- rer Saͤulen, uͤber den Fußſteig her. Daneben ſchwankte eine andere faſt viereckigte große Maſ- ſe, ebenfalls heruͤberhaͤngend und jeden Augen- blick den Einſturz drohend, der dem Wande- rer um ſo moͤglicher ſcheint, da breite Kluͤfte in derſelben ganz ausgewittert ſind. Sodann folgt erſt eine von den Hauptmaſſen des Fel- ſens, worauf das Schloß gebauet iſt, die aber ſtellenweiſe durch Mauerwerk geſtuͤtzt, erhoͤhet und erweitert werden mußte. Im Innern hat jetzt ein Oberforſtmeiſter ſeinen Sitz. Sei- ne Wohnung und ſeine Wirthſchaftsgebaͤude ſind auf das alte Mauerwerk aufgelegt. Durch dieſe hin gelangt man auf den Gipfel des Fel- ſens, von dem herab man eine Ausſicht genießt, die ich mit dem unbeſtimmten Worte „para- dieſiſch“ nur zu bezeichnen, nicht zu beſchrei- ben, Willens bin. Dieſer Burg gegenuͤber, H 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/123
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/123>, abgerufen am 24.11.2024.