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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

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klasse trägt sich noch auf altem Fuß und sehr
bürgerlich, zeichnet sich aber dafür durch starke
goldne Halsketten, Armbänder und reiche Zeuge
aus. Die hiesige große Welt, die Gesandten,
Geschäftsträger, Agenten und Aktenmänner
aller Art bilden ein eigenes Korps, das di-
plomatische
, das aber, im gesellschaftlichen
Leben, sich wiederum in mehrere Zweige ab-
theilt. Die geringern sind pedantisch in Sit-
ten, Sprache und geselligem Leben; die höhern
haben den Ton der größern Residenzen, mit
ein wenig ministerlicher, oft auch wohl bürger-
meisterischer, Gravität vermischt. Ihre Ver-
gnügungen sind wie überall die Vergnügungen
der höheren Stände, doch mit einem gewissen
Zusatze von Gründlichkeit, vermöge dessen die
Gegenstände, die in der Konversation behandelt
werden, unendlich mannichfaltiger und lehrrei-
cher sind, als gewöhnlich. Einem unterrichte-
ten Manne von Stand und Vermögen, dem
das Herz nicht gerade an der Atmosphäre
eines großen regierenden Fürsten hinge, son-

klaſſe traͤgt ſich noch auf altem Fuß und ſehr
buͤrgerlich, zeichnet ſich aber dafuͤr durch ſtarke
goldne Halsketten, Armbaͤnder und reiche Zeuge
aus. Die hieſige große Welt, die Geſandten,
Geſchaͤftstraͤger, Agenten und Aktenmaͤnner
aller Art bilden ein eigenes Korps, das di-
plomatiſche
, das aber, im geſellſchaftlichen
Leben, ſich wiederum in mehrere Zweige ab-
theilt. Die geringern ſind pedantiſch in Sit-
ten, Sprache und geſelligem Leben; die hoͤhern
haben den Ton der groͤßern Reſidenzen, mit
ein wenig miniſterlicher, oft auch wohl buͤrger-
meiſteriſcher, Gravitaͤt vermiſcht. Ihre Ver-
gnuͤgungen ſind wie uͤberall die Vergnuͤgungen
der hoͤheren Staͤnde, doch mit einem gewiſſen
Zuſatze von Gruͤndlichkeit, vermoͤge deſſen die
Gegenſtaͤnde, die in der Konverſation behandelt
werden, unendlich mannichfaltiger und lehrrei-
cher ſind, als gewoͤhnlich. Einem unterrichte-
ten Manne von Stand und Vermoͤgen, dem
das Herz nicht gerade an der Atmosphaͤre
eines großen regierenden Fuͤrſten hinge, ſon-

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[190/0198] klaſſe traͤgt ſich noch auf altem Fuß und ſehr buͤrgerlich, zeichnet ſich aber dafuͤr durch ſtarke goldne Halsketten, Armbaͤnder und reiche Zeuge aus. Die hieſige große Welt, die Geſandten, Geſchaͤftstraͤger, Agenten und Aktenmaͤnner aller Art bilden ein eigenes Korps, das di- plomatiſche, das aber, im geſellſchaftlichen Leben, ſich wiederum in mehrere Zweige ab- theilt. Die geringern ſind pedantiſch in Sit- ten, Sprache und geſelligem Leben; die hoͤhern haben den Ton der groͤßern Reſidenzen, mit ein wenig miniſterlicher, oft auch wohl buͤrger- meiſteriſcher, Gravitaͤt vermiſcht. Ihre Ver- gnuͤgungen ſind wie uͤberall die Vergnuͤgungen der hoͤheren Staͤnde, doch mit einem gewiſſen Zuſatze von Gruͤndlichkeit, vermoͤge deſſen die Gegenſtaͤnde, die in der Konverſation behandelt werden, unendlich mannichfaltiger und lehrrei- cher ſind, als gewoͤhnlich. Einem unterrichte- ten Manne von Stand und Vermoͤgen, dem das Herz nicht gerade an der Atmosphaͤre eines großen regierenden Fuͤrſten hinge, ſon-

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/198>, abgerufen am 04.12.2024.