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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

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wirklich erwärmt: einen Trajan, der, vor
seinem ganzen Heere, vom Pferde springt, um
einer hülfsbedürftigen Frau eine Bittschrift ab-
zunehmen, sie mit ihren Klagen anzuhören und
getröstet zu entlassen. -- Sind Gegenstände
dieser Art in der Geschichte so selten? Oder
sind sie eines kaiserlichen Charakters unwerth,
weil sie nur moralisch-heroisch sind?

Das zarte Geschlecht wird des Heroismus
immer bald überdrüßig, oder sucht ihn wenig-
stens durch den Zusatz von zwey kleinen Schwach-
heiten, der Liebe und der Andacht, menschli-
cher zu machen. Die Dame, die diese Zim-
mer anlegte *), erheiterte auch wiederum das
Auge und die Empfindungen des Kunstliebha-
bers durch Gegenstände, die dem menschlichen
Geschlechte natürlicher und gedeihlicher sind:
durch einen Herkules bey der schönen Omphale

*) Die Kurfürstin Adelheit, Gemalin Ferdinands
und Tochter Viktor Amadeus des Ersten von Sa-
voyen, die Geist und Geschmack von ihrem väterli-
chen Hofe mit nach Bayern brachte.

wirklich erwaͤrmt: einen Trajan, der, vor
ſeinem ganzen Heere, vom Pferde ſpringt, um
einer huͤlfsbeduͤrftigen Frau eine Bittſchrift ab-
zunehmen, ſie mit ihren Klagen anzuhoͤren und
getroͤſtet zu entlaſſen. — Sind Gegenſtaͤnde
dieſer Art in der Geſchichte ſo ſelten? Oder
ſind ſie eines kaiſerlichen Charakters unwerth,
weil ſie nur moraliſch-heroiſch ſind?

Das zarte Geſchlecht wird des Heroismus
immer bald uͤberdruͤßig, oder ſucht ihn wenig-
ſtens durch den Zuſatz von zwey kleinen Schwach-
heiten, der Liebe und der Andacht, menſchli-
cher zu machen. Die Dame, die dieſe Zim-
mer anlegte *), erheiterte auch wiederum das
Auge und die Empfindungen des Kunſtliebha-
bers durch Gegenſtaͤnde, die dem menſchlichen
Geſchlechte natuͤrlicher und gedeihlicher ſind:
durch einen Herkules bey der ſchoͤnen Omphale

*) Die Kurfuͤrſtin Adelheit, Gemalin Ferdinands
und Tochter Viktor Amadeus des Erſten von Sa-
voyen, die Geiſt und Geſchmack von ihrem vaͤterli-
chen Hofe mit nach Bayern brachte.
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[213/0221] wirklich erwaͤrmt: einen Trajan, der, vor ſeinem ganzen Heere, vom Pferde ſpringt, um einer huͤlfsbeduͤrftigen Frau eine Bittſchrift ab- zunehmen, ſie mit ihren Klagen anzuhoͤren und getroͤſtet zu entlaſſen. — Sind Gegenſtaͤnde dieſer Art in der Geſchichte ſo ſelten? Oder ſind ſie eines kaiſerlichen Charakters unwerth, weil ſie nur moraliſch-heroiſch ſind? Das zarte Geſchlecht wird des Heroismus immer bald uͤberdruͤßig, oder ſucht ihn wenig- ſtens durch den Zuſatz von zwey kleinen Schwach- heiten, der Liebe und der Andacht, menſchli- cher zu machen. Die Dame, die dieſe Zim- mer anlegte *), erheiterte auch wiederum das Auge und die Empfindungen des Kunſtliebha- bers durch Gegenſtaͤnde, die dem menſchlichen Geſchlechte natuͤrlicher und gedeihlicher ſind: durch einen Herkules bey der ſchoͤnen Omphale *) Die Kurfuͤrſtin Adelheit, Gemalin Ferdinands und Tochter Viktor Amadeus des Erſten von Sa- voyen, die Geiſt und Geſchmack von ihrem vaͤterli- chen Hofe mit nach Bayern brachte.

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/221>, abgerufen am 29.11.2024.