werden. Zwar sind vor der Hand nur in al- lem acht und funfzig Betten da, aber es kön- nen und sollen im Nothfalle noch eben so viel vorgerichtet werden. Den übrigen Raum des Gebäudes nehmen ehemalige Gaststuben für Pilgrime, Vorrathsgewölbe, die große Küche, mancherley Wirthschaftszimmer, Wohnungen für die Kapläne, Wundärzte und andre Beam- ten, Aufseher und Bedienten der Anstalt ein.
Der Stifter derselben, Erzbischof Johann Ernst, aus dem Hause Thun, wollte einen doppelten Zweck damit erreichen: Pilgrime beherbergen und Kranke unterstützen. Für die Pilgrime sorgen, galt damals für eine gottgefällige Handlung; ihnen die schmutzigen Füße waschen, öfnete unwidersprechlich die Pforten des Himmels. Wir glauben dies jetzt nicht mehr; wir bewundern bey diesem Vor- urtheile nur noch, wie die geschmeidige Natur es nutzte, um die Fehlschlüßigkeit der Men- schen zum Besten zu kehren. Erzbischöfe und mit ihnen die ganze geistliche Schaar, berede-
ten
werden. Zwar ſind vor der Hand nur in al- lem acht und funfzig Betten da, aber es koͤn- nen und ſollen im Nothfalle noch eben ſo viel vorgerichtet werden. Den uͤbrigen Raum des Gebaͤudes nehmen ehemalige Gaſtſtuben fuͤr Pilgrime, Vorrathsgewoͤlbe, die große Kuͤche, mancherley Wirthſchaftszimmer, Wohnungen fuͤr die Kaplaͤne, Wundaͤrzte und andre Beam- ten, Aufſeher und Bedienten der Anſtalt ein.
Der Stifter derſelben, Erzbiſchof Johann Ernſt, aus dem Hauſe Thun, wollte einen doppelten Zweck damit erreichen: Pilgrime beherbergen und Kranke unterſtuͤtzen. Fuͤr die Pilgrime ſorgen, galt damals fuͤr eine gottgefaͤllige Handlung; ihnen die ſchmutzigen Fuͤße waſchen, oͤfnete unwiderſprechlich die Pforten des Himmels. Wir glauben dies jetzt nicht mehr; wir bewundern bey dieſem Vor- urtheile nur noch, wie die geſchmeidige Natur es nutzte, um die Fehlſchluͤßigkeit der Men- ſchen zum Beſten zu kehren. Erzbiſchoͤfe und mit ihnen die ganze geiſtliche Schaar, berede-
ten
<TEI><text><body><div><floatingText><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0336"n="64"/>
werden. Zwar ſind vor der Hand nur in al-<lb/>
lem acht und funfzig Betten da, aber es koͤn-<lb/>
nen und ſollen im Nothfalle noch eben ſo viel<lb/>
vorgerichtet werden. Den uͤbrigen Raum des<lb/>
Gebaͤudes nehmen ehemalige Gaſtſtuben fuͤr<lb/>
Pilgrime, Vorrathsgewoͤlbe, die große Kuͤche,<lb/>
mancherley Wirthſchaftszimmer, Wohnungen<lb/>
fuͤr die Kaplaͤne, Wundaͤrzte und andre Beam-<lb/>
ten, Aufſeher und Bedienten der Anſtalt ein.</p><lb/><p>Der Stifter derſelben, Erzbiſchof <hirendition="#g">Johann<lb/>
Ernſt</hi>, aus dem Hauſe <hirendition="#g">Thun</hi>, wollte einen<lb/>
doppelten Zweck damit erreichen: <hirendition="#g">Pilgrime</hi><lb/>
beherbergen und <hirendition="#g">Kranke</hi> unterſtuͤtzen. Fuͤr<lb/>
die Pilgrime ſorgen, galt damals fuͤr eine<lb/>
gottgefaͤllige Handlung; ihnen die ſchmutzigen<lb/>
Fuͤße waſchen, oͤfnete unwiderſprechlich die<lb/>
Pforten des Himmels. Wir glauben dies jetzt<lb/>
nicht mehr; wir bewundern bey dieſem Vor-<lb/>
urtheile nur noch, wie die geſchmeidige Natur<lb/>
es nutzte, um die Fehlſchluͤßigkeit der Men-<lb/>ſchen zum Beſten zu kehren. Erzbiſchoͤfe und<lb/>
mit ihnen die ganze geiſtliche Schaar, berede-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ten</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[64/0336]
werden. Zwar ſind vor der Hand nur in al-
lem acht und funfzig Betten da, aber es koͤn-
nen und ſollen im Nothfalle noch eben ſo viel
vorgerichtet werden. Den uͤbrigen Raum des
Gebaͤudes nehmen ehemalige Gaſtſtuben fuͤr
Pilgrime, Vorrathsgewoͤlbe, die große Kuͤche,
mancherley Wirthſchaftszimmer, Wohnungen
fuͤr die Kaplaͤne, Wundaͤrzte und andre Beam-
ten, Aufſeher und Bedienten der Anſtalt ein.
Der Stifter derſelben, Erzbiſchof Johann
Ernſt, aus dem Hauſe Thun, wollte einen
doppelten Zweck damit erreichen: Pilgrime
beherbergen und Kranke unterſtuͤtzen. Fuͤr
die Pilgrime ſorgen, galt damals fuͤr eine
gottgefaͤllige Handlung; ihnen die ſchmutzigen
Fuͤße waſchen, oͤfnete unwiderſprechlich die
Pforten des Himmels. Wir glauben dies jetzt
nicht mehr; wir bewundern bey dieſem Vor-
urtheile nur noch, wie die geſchmeidige Natur
es nutzte, um die Fehlſchluͤßigkeit der Men-
ſchen zum Beſten zu kehren. Erzbiſchoͤfe und
mit ihnen die ganze geiſtliche Schaar, berede-
ten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/336>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.