Gleich hinter die Freuden der Schüssel, setzt man in Wien die Freuden der Schau- bühne. Ein wahrer Gemeingeist herrscht hierin bey den Wienern. Jeder Stand hat mit jedem Stande den Geschmack daran ge- mein und alle Stände sind in allen Schau- spielhäusern vermischt. Man sieht den gemein- sten Mann im Hof- und Kärnthner-Thor- Theater, und den vornehmsten bey Mari- nelli und Schickaneder. Es sind jetzt Fünf stehende Schaubühnen in Wien, und zwey oder drey fliegende kommen bey gewissen Gelegenheiten, z. B. in Marktzeiten hieher, halten sich aber gewöhnlich nicht über drey oder vier Wochen.
Das Hof- oder Nationalschauspiel, das seine Bühne in der Burg hat, ist durch die Veränderungen, die es litt, und durch die Verbesserungen, die es erhalten sollte, be- kannter geworden, als durch wirkliche Voll- kommenheit. Da diejenige Bühne die beste ist, die der Stadt und dem Volke, vor wel-
Gleich hinter die Freuden der Schuͤſſel, ſetzt man in Wien die Freuden der Schau- buͤhne. Ein wahrer Gemeingeiſt herrſcht hierin bey den Wienern. Jeder Stand hat mit jedem Stande den Geſchmack daran ge- mein und alle Staͤnde ſind in allen Schau- ſpielhaͤuſern vermiſcht. Man ſieht den gemein- ſten Mann im Hof- und Kaͤrnthner-Thor- Theater, und den vornehmſten bey Mari- nelli und Schickaneder. Es ſind jetzt Fuͤnf ſtehende Schaubuͤhnen in Wien, und zwey oder drey fliegende kommen bey gewiſſen Gelegenheiten, z. B. in Marktzeiten hieher, halten ſich aber gewoͤhnlich nicht uͤber drey oder vier Wochen.
Das Hof- oder Nationalſchauſpiel, das ſeine Buͤhne in der Burg hat, iſt durch die Veraͤnderungen, die es litt, und durch die Verbeſſerungen, die es erhalten ſollte, be- kannter geworden, als durch wirkliche Voll- kommenheit. Da diejenige Buͤhne die beſte iſt, die der Stadt und dem Volke, vor wel-
<TEI><text><body><div><floatingText><body><divn="1"><pbfacs="#f0463"n="191"/><p>Gleich hinter die Freuden der <hirendition="#g">Schuͤſſel</hi>,<lb/>ſetzt man in Wien die Freuden der <hirendition="#g">Schau-<lb/>
buͤhne</hi>. Ein wahrer Gemeingeiſt herrſcht<lb/>
hierin bey den Wienern. Jeder Stand hat<lb/>
mit jedem Stande den Geſchmack daran ge-<lb/>
mein und alle Staͤnde ſind in allen Schau-<lb/>ſpielhaͤuſern vermiſcht. Man ſieht den gemein-<lb/>ſten Mann im Hof- und <hirendition="#g">Kaͤrnthner-Thor-<lb/>
Theater</hi>, und den vornehmſten bey <hirendition="#g">Mari-<lb/>
nelli</hi> und <hirendition="#g">Schickaneder</hi>. Es ſind jetzt<lb/><hirendition="#g">Fuͤnf</hi>ſtehende Schaubuͤhnen in Wien, und<lb/>
zwey oder drey fliegende kommen bey gewiſſen<lb/>
Gelegenheiten, z. B. in Marktzeiten hieher,<lb/>
halten ſich aber gewoͤhnlich nicht uͤber drey<lb/>
oder vier Wochen.</p><lb/><p>Das <hirendition="#g">Hof</hi>- oder <hirendition="#g">Nationalſchauſpiel</hi>,<lb/>
das ſeine Buͤhne in der Burg hat, iſt durch<lb/>
die Veraͤnderungen, die es litt, und durch die<lb/>
Verbeſſerungen, die es erhalten <hirendition="#g">ſollte</hi>, be-<lb/>
kannter geworden, als durch wirkliche Voll-<lb/>
kommenheit. Da diejenige Buͤhne die beſte<lb/>
iſt, die der Stadt und dem Volke, vor wel-<lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[191/0463]
Gleich hinter die Freuden der Schuͤſſel,
ſetzt man in Wien die Freuden der Schau-
buͤhne. Ein wahrer Gemeingeiſt herrſcht
hierin bey den Wienern. Jeder Stand hat
mit jedem Stande den Geſchmack daran ge-
mein und alle Staͤnde ſind in allen Schau-
ſpielhaͤuſern vermiſcht. Man ſieht den gemein-
ſten Mann im Hof- und Kaͤrnthner-Thor-
Theater, und den vornehmſten bey Mari-
nelli und Schickaneder. Es ſind jetzt
Fuͤnf ſtehende Schaubuͤhnen in Wien, und
zwey oder drey fliegende kommen bey gewiſſen
Gelegenheiten, z. B. in Marktzeiten hieher,
halten ſich aber gewoͤhnlich nicht uͤber drey
oder vier Wochen.
Das Hof- oder Nationalſchauſpiel,
das ſeine Buͤhne in der Burg hat, iſt durch
die Veraͤnderungen, die es litt, und durch die
Verbeſſerungen, die es erhalten ſollte, be-
kannter geworden, als durch wirkliche Voll-
kommenheit. Da diejenige Buͤhne die beſte
iſt, die der Stadt und dem Volke, vor wel-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/463>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.