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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

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vielleicht in keiner andern Stadt so viel Lieb-
haber dieser Kunst und dieses Zeitvertreibes,
und so viel wahre Virtuosen, von beyden Ge-
schlechtern. Musik ist ein unentbehrliches Stück
der Erziehung, besonders der weiblichen, ge-
worden, und die Musikmeister sind hier so
häufig, wie in Dresden die sogenannten Ma-
gister. Wer Liebhaber ist, kann hier alle Tage
in einem andern, öffentlichen oder häuslichen,
Konzert seyn, wo die neuere oder die ältere
Musik behandelt und vorgezogen wird. Für
die letztere ist unter andern ein solches bey
dem Freyherrn von Swieten.

Für den Tanz sind die Wiener leiden-
schaftlich. Sie tanzen mitten im Sommer
nicht minder fröhlich, als im Winter, und
der Kellner nicht minder unverdrossen, als der
junge Fürst. Die höhere Gesellschaft tanzt
bey Hofe und auf Privatbällen unter sich; in
den Kasinen, in Baden, auf Pickenicken tanzt
der reiche oder auch nur glänzende Mittelstand;
die an ihn gränzenden Klassen bis zum Bür-

vielleicht in keiner andern Stadt ſo viel Lieb-
haber dieſer Kunſt und dieſes Zeitvertreibes,
und ſo viel wahre Virtuoſen, von beyden Ge-
ſchlechtern. Muſik iſt ein unentbehrliches Stuͤck
der Erziehung, beſonders der weiblichen, ge-
worden, und die Muſikmeiſter ſind hier ſo
haͤufig, wie in Dresden die ſogenannten Ma-
giſter. Wer Liebhaber iſt, kann hier alle Tage
in einem andern, oͤffentlichen oder haͤuslichen,
Konzert ſeyn, wo die neuere oder die aͤltere
Muſik behandelt und vorgezogen wird. Fuͤr
die letztere iſt unter andern ein ſolches bey
dem Freyherrn von Swieten.

Fuͤr den Tanz ſind die Wiener leiden-
ſchaftlich. Sie tanzen mitten im Sommer
nicht minder froͤhlich, als im Winter, und
der Kellner nicht minder unverdroſſen, als der
junge Fuͤrſt. Die hoͤhere Geſellſchaft tanzt
bey Hofe und auf Privatbaͤllen unter ſich; in
den Kaſinen, in Baden, auf Pickenicken tanzt
der reiche oder auch nur glaͤnzende Mittelſtand;
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[217/0489] vielleicht in keiner andern Stadt ſo viel Lieb- haber dieſer Kunſt und dieſes Zeitvertreibes, und ſo viel wahre Virtuoſen, von beyden Ge- ſchlechtern. Muſik iſt ein unentbehrliches Stuͤck der Erziehung, beſonders der weiblichen, ge- worden, und die Muſikmeiſter ſind hier ſo haͤufig, wie in Dresden die ſogenannten Ma- giſter. Wer Liebhaber iſt, kann hier alle Tage in einem andern, oͤffentlichen oder haͤuslichen, Konzert ſeyn, wo die neuere oder die aͤltere Muſik behandelt und vorgezogen wird. Fuͤr die letztere iſt unter andern ein ſolches bey dem Freyherrn von Swieten. Fuͤr den Tanz ſind die Wiener leiden- ſchaftlich. Sie tanzen mitten im Sommer nicht minder froͤhlich, als im Winter, und der Kellner nicht minder unverdroſſen, als der junge Fuͤrſt. Die hoͤhere Geſellſchaft tanzt bey Hofe und auf Privatbaͤllen unter ſich; in den Kaſinen, in Baden, auf Pickenicken tanzt der reiche oder auch nur glaͤnzende Mittelſtand; die an ihn graͤnzenden Klaſſen bis zum Buͤr-

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/489>, abgerufen am 22.11.2024.