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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

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zweyte fuhr, sich beyde in ihrer anziehendsten
Gestalt zeigten. Im Früh- und Spät-Jahr
ist es freylich ganz anders. In jenem liegt
der Schnee noch spät auf den Bergen, und in
diesem zeigt er sich schon sehr früh. Das Ge-
treide wird im Wuchse sehr verspätet. Jetzt
erst war man im Begriff, den Hafer einzu-
fahren und die Wiesen zu mähen. Wein wächst
gar nicht darin, und das Obst geräth selten,
und ist sauer. Da hat man also auch die
Kehrseite dieser Thäler, wie jedes andere Ding
in der Natur sie darbietet.

Von Kraubath reis'te ich auf Knittelfeld
(2 M.). Der Weg, der am linken Ufer der
Muhr nach Kraubath hinauf geführt hatte,
senkte sich, gleich hinter diesem Dorfe, von
neuem in das Muhrthal hinab, und dieses er-
schien abermals in einer neuen Gestalt. Es
war merklich verengert und auf beyden Seiten
des Flusses mit den fruchtbarsten Wiesen über-
zogen, die zum zweytenmal gemähet wurden;
nur an wenig Stellen zeigte sich etwas Acker-

Sechstes Heft. R

zweyte fuhr, ſich beyde in ihrer anziehendſten
Geſtalt zeigten. Im Fruͤh- und Spaͤt-Jahr
iſt es freylich ganz anders. In jenem liegt
der Schnee noch ſpaͤt auf den Bergen, und in
dieſem zeigt er ſich ſchon ſehr fruͤh. Das Ge-
treide wird im Wuchſe ſehr verſpaͤtet. Jetzt
erſt war man im Begriff, den Hafer einzu-
fahren und die Wieſen zu maͤhen. Wein waͤchſt
gar nicht darin, und das Obſt geraͤth ſelten,
und iſt ſauer. Da hat man alſo auch die
Kehrſeite dieſer Thaͤler, wie jedes andere Ding
in der Natur ſie darbietet.

Von Kraubath reiſ'te ich auf Knittelfeld
(2 M.). Der Weg, der am linken Ufer der
Muhr nach Kraubath hinauf gefuͤhrt hatte,
ſenkte ſich, gleich hinter dieſem Dorfe, von
neuem in das Muhrthal hinab, und dieſes er-
ſchien abermals in einer neuen Geſtalt. Es
war merklich verengert und auf beyden Seiten
des Fluſſes mit den fruchtbarſten Wieſen uͤber-
zogen, die zum zweytenmal gemaͤhet wurden;
nur an wenig Stellen zeigte ſich etwas Acker-

Sechstes Heft. R
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[257/0529] zweyte fuhr, ſich beyde in ihrer anziehendſten Geſtalt zeigten. Im Fruͤh- und Spaͤt-Jahr iſt es freylich ganz anders. In jenem liegt der Schnee noch ſpaͤt auf den Bergen, und in dieſem zeigt er ſich ſchon ſehr fruͤh. Das Ge- treide wird im Wuchſe ſehr verſpaͤtet. Jetzt erſt war man im Begriff, den Hafer einzu- fahren und die Wieſen zu maͤhen. Wein waͤchſt gar nicht darin, und das Obſt geraͤth ſelten, und iſt ſauer. Da hat man alſo auch die Kehrſeite dieſer Thaͤler, wie jedes andere Ding in der Natur ſie darbietet. Von Kraubath reiſ'te ich auf Knittelfeld (2 M.). Der Weg, der am linken Ufer der Muhr nach Kraubath hinauf gefuͤhrt hatte, ſenkte ſich, gleich hinter dieſem Dorfe, von neuem in das Muhrthal hinab, und dieſes er- ſchien abermals in einer neuen Geſtalt. Es war merklich verengert und auf beyden Seiten des Fluſſes mit den fruchtbarſten Wieſen uͤber- zogen, die zum zweytenmal gemaͤhet wurden; nur an wenig Stellen zeigte ſich etwas Acker- Sechstes Heft. R

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/529>, abgerufen am 22.11.2024.