sie nur als einen Schaumstreifen erblickte. Jetzt steigt man auch wieder in das Thal hinab, und so geht es bis ungefähr drey Viertelstun- den vor Brixen fort, wo man abermals eine Strecke bergan fährt, um gleich darauf tief in das Thal hinabzusteigen, in welchem diese Stadt liegt. Dieser Abhang ist stellenweise sehr jäh, und man muß ihn mittelst des Hemm- schuh's hinabgleiten. Zudem ist er mit Granit sehr sorglos gepflastert. Sehr natürlich, daß die Berge desto höher werden, je tiefer man hinuntersteigt, und daß, wenn man unten in der Stadt ist, die Berge, die sie umgeben, sehr hoch erscheinen; aber sie sind in der That nur Hügel gegen die, welche ich den Tag vorher gesehen hatte.
Brixen fernt übrigens nicht sonderlich. Man bekömmt es erst spät zu sehen, weil Berge vor den Weg treten, und sieht man es end- lich, so ist es in solch einer kleinen, zusam- mengedrängten Gestalt (von der tiefen Lage verursacht) daß man glauben könnte, die Stadt
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ſie nur als einen Schaumſtreifen erblickte. Jetzt ſteigt man auch wieder in das Thal hinab, und ſo geht es bis ungefaͤhr drey Viertelſtun- den vor Brixen fort, wo man abermals eine Strecke bergan faͤhrt, um gleich darauf tief in das Thal hinabzuſteigen, in welchem dieſe Stadt liegt. Dieſer Abhang iſt ſtellenweiſe ſehr jaͤh, und man muß ihn mittelſt des Hemm- ſchuh's hinabgleiten. Zudem iſt er mit Granit ſehr ſorglos gepflaſtert. Sehr natuͤrlich, daß die Berge deſto hoͤher werden, je tiefer man hinunterſteigt, und daß, wenn man unten in der Stadt iſt, die Berge, die ſie umgeben, ſehr hoch erſcheinen; aber ſie ſind in der That nur Huͤgel gegen die, welche ich den Tag vorher geſehen hatte.
Brixen fernt uͤbrigens nicht ſonderlich. Man bekoͤmmt es erſt ſpaͤt zu ſehen, weil Berge vor den Weg treten, und ſieht man es end- lich, ſo iſt es in ſolch einer kleinen, zuſam- mengedraͤngten Geſtalt (von der tiefen Lage verurſacht) daß man glauben koͤnnte, die Stadt
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ſie nur als einen Schaumſtreifen erblickte. Jetzt
ſteigt man auch wieder in das Thal hinab,
und ſo geht es bis ungefaͤhr drey Viertelſtun-
den vor Brixen fort, wo man abermals eine
Strecke bergan faͤhrt, um gleich darauf tief
in das Thal hinabzuſteigen, in welchem dieſe
Stadt liegt. Dieſer Abhang iſt ſtellenweiſe
ſehr jaͤh, und man muß ihn mittelſt des Hemm-
ſchuh's hinabgleiten. Zudem iſt er mit Granit
ſehr ſorglos gepflaſtert. Sehr natuͤrlich, daß
die Berge deſto hoͤher werden, je tiefer man
hinunterſteigt, und daß, wenn man unten in
der Stadt iſt, die Berge, die ſie umgeben, ſehr
hoch erſcheinen; aber ſie ſind in der That nur
Huͤgel gegen die, welche ich den Tag vorher
geſehen hatte.
Brixen fernt uͤbrigens nicht ſonderlich. Man
bekoͤmmt es erſt ſpaͤt zu ſehen, weil Berge
vor den Weg treten, und ſieht man es end-
lich, ſo iſt es in ſolch einer kleinen, zuſam-
mengedraͤngten Geſtalt (von der tiefen Lage
verurſacht) daß man glauben koͤnnte, die Stadt
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/563>, abgerufen am 21.11.2024.
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