Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Unschuld nen aus den Augen predigen kan/ das werden selbige/ auch bey seinerietzigen Verfolgung annoch gerne bezeugen/ gnug ist es/ daß in den 3. Jahren da ich so glücklich gewesen/ wochentlich seine Predigten zweymahl zu hören/ solches offt und mit meinen Augen gesehen. So ziehet er solches auch zu keinem Ruhm an/ in deme er eines andern Worte referiret, der gesagt habe: Das ist der Mann/ der einem die Thränen auß den Augen predigen kan/ worauff ihn eine Theologische und subtile Hoffart überfallen/ welche er aber bereuet/ und andere/ die mit dergleichen angesteckt/ davor warnet. O daß doch ein jedwe- der die vortreffliche Tugend des Nosce te ipsum lernete wie Antenor, oder durch Antenors Augen seine eigene Actiones nur beschauete. Zu Jena wolte im Duel einer Friede machen/ gieng ihm aber nach dem Sprichwort: Der Scheider bekömt das beste Theil/ und wurde auff das oberste Tabernackel seines Verstandes getroffen/ daß ihm der rothe Safft übers Gesichte floß/ Als der Balbierer ihn besichti- gen/ und zusehen will/ ob das Gehirn wund/ sprach einer: Du su- chest vergebens/ dann wann Gehirn bey dem Patienten vorhanden/ so hette er sich nicht in frembde Händel gemischt. O Butyrolambi, dein Gehirn muß gewiß außgetrucknet seyn/ daß du dich in sachen mengest/ die dich nicht angehen. Christianus Quartus der alte tapf- fere Nordische Held war ein Liebhaber der Music/ und pflegte selbe vielmal zu rühmen/ zu dem sagte einsmals ein Musicant: Gnädig- ster König/ es ist ein grosser Underschied zwischen einem Scepter und einem Fiedelbogen. Und eben so judiciösch ist Butyrolambius von Antenors gewürtzten Tractamenten zu reden. Als die Spanter die Neue Welt erfunden/ sagte der König in Peru, der das Glaß un- ter allen so in seiner Gegend gebracht wurde/ am höchsten aestimirte, zu Francisco Pisardo. Es nehm ihn sehr wunder/ warumb mit sol- cher grossen Ungelegenheit das Geld an seinen Orte geschütt würde/ sintemal Spanien viel schönere sachen (das Glaß meinende) hette. Zu wünschen were/ daß mit dem König in Peru dieses einfältige Iudiciren auffgehöret/ allein der Butyrolambius zeiget/ daß solches unter uns noch vielfältig geschiehet/ a la fin. Es bleibet dennoch gut was gut gemeinet ist/ Es giebet der vorerwehnte vortreffliche Sitten Lehrer Traja- dann
Unſchuld nen aus den Augen predigen kan/ das werden ſelbige/ auch bey ſeinerietzigen Verfolgung annoch gerne bezeugen/ gnug iſt es/ daß in den 3. Jahren da ich ſo gluͤcklich geweſen/ wochentlich ſeine Predigten zweymahl zu hoͤren/ ſolches offt und mit meinen Augen geſehen. So ziehet er ſolches auch zu keinem Ruhm an/ in deme er eines andern Worte referiret, der geſagt habe: Das iſt der Mann/ der einem die Thraͤnen auß den Augen predigen kan/ worauff ihn eine Theologiſche und ſubtile Hoffart uͤberfallen/ welche er aber bereuet/ und andere/ die mit dergleichen angeſteckt/ davor warnet. O daß doch ein jedwe- der die vortreffliche Tugend des Noſce te ipſum lernete wie Antenor, oder durch Antenors Augen ſeine eigene Actiones nur beſchauete. Zu Jena wolte im Duel einer Friede machen/ gieng ihm aber nach dem Sprichwort: Der Scheider bekoͤmt das beſte Theil/ und wurde auff das oberſte Tabernackel ſeines Verſtandes getroffen/ daß ihm der rothe Safft uͤbers Geſichte floß/ Als der Balbierer ihn beſichti- gen/ und zuſehen will/ ob das Gehirn wund/ ſprach einer: Du ſu- cheſt vergebens/ dann wann Gehirn bey dem Patienten vorhanden/ ſo hette er ſich nicht in frembde Haͤndel gemiſcht. O Butyrolambi, dein Gehirn muß gewiß außgetrucknet ſeyn/ daß du dich in ſachen mengeſt/ die dich nicht angehen. Chriſtianus Quartus der alte tapf- fere Nordiſche Held war ein Liebhaber der Muſic/ und pflegte ſelbe vielmal zu ruͤhmen/ zu dem ſagte einsmals ein Muſicant: Gnaͤdig- ſter Koͤnig/ es iſt ein groſſer Underſchied zwiſchen einem Scepter und einem Fiedelbogen. Und eben ſo judicioͤſch iſt Butyrolambius von Antenors gewuͤrtzten Tractamenten zu reden. Als die Spanter die Neue Welt erfunden/ ſagte der Koͤnig in Peru, der das Glaß un- ter allen ſo in ſeiner Gegend gebracht wurde/ am hoͤchſten æſtimirte, zu Franciſco Piſardo. Es nehm ihn ſehr wunder/ warumb mit ſol- cher groſſen Ungelegenheit das Geld an ſeinen Orte geſchuͤtt wuͤrde/ ſintemal Spanien viel ſchoͤnere ſachen (das Glaß meinende) hette. Zu wuͤnſchen were/ daß mit dem Koͤnig in Peru dieſes einfaͤltige Iudiciren auffgehoͤret/ allein der Butyrolambius zeiget/ daß ſolches unter uns noch vielfaͤltig geſchiehet/ à la fin. Es bleibet dennoch gut was gut gemeinet iſt/ Es giebet der vorerwehnte vortreffliche Sitten Lehrer Traja- dann
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Unſchuld
nen aus den Augen predigen kan/ das werden ſelbige/ auch bey ſeiner
ietzigen Verfolgung annoch gerne bezeugen/ gnug iſt es/ daß in den
3. Jahren da ich ſo gluͤcklich geweſen/ wochentlich ſeine Predigten
zweymahl zu hoͤren/ ſolches offt und mit meinen Augen geſehen. So
ziehet er ſolches auch zu keinem Ruhm an/ in deme er eines andern
Worte referiret, der geſagt habe: Das iſt der Mann/ der einem die
Thraͤnen auß den Augen predigen kan/ worauff ihn eine Theologiſche
und ſubtile Hoffart uͤberfallen/ welche er aber bereuet/ und andere/
die mit dergleichen angeſteckt/ davor warnet. O daß doch ein jedwe-
der die vortreffliche Tugend des Noſce te ipſum lernete wie Antenor,
oder durch Antenors Augen ſeine eigene Actiones nur beſchauete.
Zu Jena wolte im Duel einer Friede machen/ gieng ihm aber nach
dem Sprichwort: Der Scheider bekoͤmt das beſte Theil/ und wurde
auff das oberſte Tabernackel ſeines Verſtandes getroffen/ daß ihm
der rothe Safft uͤbers Geſichte floß/ Als der Balbierer ihn beſichti-
gen/ und zuſehen will/ ob das Gehirn wund/ ſprach einer: Du ſu-
cheſt vergebens/ dann wann Gehirn bey dem Patienten vorhanden/
ſo hette er ſich nicht in frembde Haͤndel gemiſcht. O Butyrolambi,
dein Gehirn muß gewiß außgetrucknet ſeyn/ daß du dich in ſachen
mengeſt/ die dich nicht angehen. Chriſtianus Quartus der alte tapf-
fere Nordiſche Held war ein Liebhaber der Muſic/ und pflegte ſelbe
vielmal zu ruͤhmen/ zu dem ſagte einsmals ein Muſicant: Gnaͤdig-
ſter Koͤnig/ es iſt ein groſſer Underſchied zwiſchen einem Scepter
und einem Fiedelbogen. Und eben ſo judicioͤſch iſt Butyrolambius
von Antenors gewuͤrtzten Tractamenten zu reden. Als die Spanter
die Neue Welt erfunden/ ſagte der Koͤnig in Peru, der das Glaß un-
ter allen ſo in ſeiner Gegend gebracht wurde/ am hoͤchſten æſtimirte,
zu Franciſco Piſardo. Es nehm ihn ſehr wunder/ warumb mit ſol-
cher groſſen Ungelegenheit das Geld an ſeinen Orte geſchuͤtt wuͤrde/
ſintemal Spanien viel ſchoͤnere ſachen (das Glaß meinende) hette.
Zu wuͤnſchen were/ daß mit dem Koͤnig in Peru dieſes einfaͤltige
Iudiciren auffgehoͤret/ allein der Butyrolambius zeiget/ daß ſolches
unter uns noch vielfaͤltig geſchiehet/ à la fin.
Es bleibet dennoch gut was gut gemeinet iſt/
Wenn du Butyrolamb: ſchon laͤngſt verdorret biſt.
Es giebet der vorerwehnte vortreffliche Sitten Lehrer Traja-
nus Boccalinus in ſeiner andern Cent. Rel. 14 ein ſtattliches morals,
wann er ſaget: Es ſtehet einem jeden Biedermann wol an/
niemand ſeine Rede (oder Schrifften) durch zuhecheln/
ſondern/ ſolte man auch gleich den Worten ihren rechten
Verſtand benehmen vielmehr alles zum beſten deuten/
dann
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