Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Freund in der Noht. bin ich/ mit Gefahr Leibs und Lebens/ per varias ambages, über250. Meilen zu Fuß gangen/ biß nach Königsberg in Preussen. Jch hätte damals gerne zu Fuß in Franckreich und in Jtalien lauffen wollen. Dann ich hielte damals dafür/ wer Jtalien und Franckreich nicht gesehen habe/ der kenne die Welt nicht. Allein/ mein Vater sel. wolte es durchauß nicht leiden/ sondern sagte: Auß Jtalien bringe man nichts/ als ein böses Gewissen/ einen ungesunden Leib/ und einen ledigen Beutel. Jch bin lange Zeit auff Universitäten gewesen/ da ich bin gehalten worden/ wie bey den Soldaten ein Fenderich. Wann ein armer Mußquetirer in Nöthen steckt/ so spricht er gemeiniglich den Fenderich an/ daß er sein Advocat sey/ und ein gut Wort bey andern Officirern vor ihn rede, Jch bin mit etzlich tausend Studenten bekandt gewesen/ welche nun in unterschiedlichen hohen Ehren-Aemptern si- tzen. Du wirst viel vornehme Fürstliche und Gräfliche Höfe in Teutsch- land finden/ da ich entweder mit der Herrschafft selbst/ oder mit ihren vornehmsten Leuten bekandt bin. Jch habe nicht allein einem vorneh- men Praelaten, sondern auch zweyen vornehmen Fürsten/ deren einer ein General im Feld gewesen war/ und hernacher einem vornehmen Grafen/ der ein Königlicher Legat war/ gedienet. Jch bin endlich hie- her kommen/ da ich eine neue Schule/ eine neue Universität gehabt/ da mich mein lieber Praeceptor, Herr OMNIS, viel Dings gelehret/ da ich unterweilens bey der klugen Frauen von Thecoa/ habe in die Schule gehen/ und ihre neue Weißheit anhören müssen/ eben wie die Schüler deß Pythagorae, und hab ihrem Geist/ ihrer Weißheit/ nicht widerstehen dörffen. Jch habe mich unterweilens finden lassen an den Oertern/ da deß gantzen H. Römischen Reichs Legati sind versamlet gewesen. Jch bin unterweilens in Sauerbronne/ in War- mebäder/ in die Franckfurter Messe gezogen/ auß blosser curiosität/ nur zu sehen/ was für Leute da seyen/ und habe mich mit einem und dem andern bekandt gemacht. Und ich sage dir das zur Nachricht: Jn die Sauerbronne oder Warmebäder/ ziehen selten die arme Bauren von dem Vogelsberg oder von dem Westerwald/ sondern grosse Herren/ reiche Schlemmer/ oder gelehrte Leut/ welche mit ihrem vita sedentaria sich allerhand Kranckheiten auff den Hals laden/ welche alsdann alle ihre Sorg an einen Nagel hängen. Und man hat zu der Zeit die allerbeste occasion, bey ihnen sich zu in- sinuiren/ und mit ihnen bekandt zu werden. Jch hab zu sol- chen Dingen nicht allein sonderlich occasion gehabt/ sondern ich hab auch correspondentz gehalten/ mit grossen und kleinen/ und hab mauch Jahr/ mehr Geld außgeben für Brieffe/ als für die Kleidung/ die ich an meinem Leibe getragen habe. Jch bin unterweilens von grossen
Freund in der Noht. bin ich/ mit Gefahr Leibs und Lebens/ per varias ambages, uͤber250. Meilen zu Fuß gangen/ biß nach Koͤnigsberg in Preuſſen. Jch haͤtte damals gerne zu Fuß in Franckreich und in Jtalien lauffen wollen. Dann ich hielte damals dafuͤr/ wer Jtalien und Franckreich nicht geſehen habe/ der kenne die Welt nicht. Allein/ mein Vater ſel. wolte es durchauß nicht leiden/ ſondern ſagte: Auß Jtalien bringe man nichts/ als ein boͤſes Gewiſſen/ einen ungeſunden Leib/ und einen ledigen Beutel. Jch bin lange Zeit auff Univerſitaͤten geweſen/ da ich bin gehalten worden/ wie bey den Soldaten ein Fenderich. Wann ein armer Mußquetirer in Noͤthen ſteckt/ ſo ſpricht er gemeiniglich den Fenderich an/ daß er ſein Advocat ſey/ und ein gut Wort bey andern Officirern vor ihn rede, Jch bin mit etzlich tauſend Studenten bekandt geweſen/ welche nun in unterſchiedlichen hohen Ehren-Aemptern ſi- tzen. Du wirſt viel vornehme Fuͤrſtliche und Graͤfliche Hoͤfe in Teutſch- land finden/ da ich entweder mit der Herrſchafft ſelbſt/ oder mit ihren vornehmſten Leuten bekandt bin. Jch habe nicht allein einem vorneh- men Prælaten, ſondern auch zweyen vornehmen Fuͤrſten/ deren einer ein General im Feld geweſen war/ und hernacher einem vornehmen Grafen/ der ein Koͤniglicher Legat war/ gedienet. Jch bin endlich hie- her kommen/ da ich eine neue Schule/ eine neue Univerſitaͤt gehabt/ da mich mein lieber Præceptor, Herr OMNIS, viel Dings gelehret/ da ich unterweilens bey der klugen Frauen von Thecoa/ habe in die Schule gehen/ und ihre neue Weißheit anhoͤren muͤſſen/ eben wie die Schuͤler deß Pythagoræ, und hab ihrem Geiſt/ ihrer Weißheit/ nicht widerſtehen doͤrffen. Jch habe mich unterweilens finden laſſen an den Oertern/ da deß gantzen H. Roͤmiſchen Reichs Legati ſind verſamlet geweſen. Jch bin unterweilens in Sauerbronne/ in War- mebaͤder/ in die Franckfurter Meſſe gezogen/ auß bloſſer curioſitaͤt/ nur zu ſehen/ was fuͤr Leute da ſeyen/ und habe mich mit einem und dem andern bekandt gemacht. Und ich ſage dir das zur Nachricht: Jn die Sauerbronne oder Warmebaͤder/ ziehen ſelten die arme Bauren von dem Vogelsberg oder von dem Weſterwald/ ſondern groſſe Herren/ reiche Schlemmer/ oder gelehrte Leut/ welche mit ihrem vita ſedentaria ſich allerhand Kranckheiten auff den Hals laden/ welche alsdann alle ihre Sorg an einen Nagel haͤngen. Und man hat zu der Zeit die allerbeſte occaſion, bey ihnen ſich zu in- ſinuiren/ und mit ihnen bekandt zu werden. Jch hab zu ſol- chen Dingen nicht allein ſonderlich occaſion gehabt/ ſondern ich hab auch correſpondentz gehalten/ mit groſſen und kleinen/ und hab mauch Jahr/ mehr Geld außgeben fuͤr Brieffe/ als fuͤr die Kleidung/ die ich an meinem Leibe getragen habe. Jch bin unterweilens von groſſen
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Freund in der Noht.
bin ich/ mit Gefahr Leibs und Lebens/ per varias ambages, uͤber
250. Meilen zu Fuß gangen/ biß nach Koͤnigsberg in Preuſſen. Jch
haͤtte damals gerne zu Fuß in Franckreich und in Jtalien lauffen
wollen. Dann ich hielte damals dafuͤr/ wer Jtalien und Franckreich
nicht geſehen habe/ der kenne die Welt nicht. Allein/ mein Vater ſel.
wolte es durchauß nicht leiden/ ſondern ſagte: Auß Jtalien bringe
man nichts/ als ein boͤſes Gewiſſen/ einen ungeſunden Leib/ und einen
ledigen Beutel. Jch bin lange Zeit auff Univerſitaͤten geweſen/ da ich
bin gehalten worden/ wie bey den Soldaten ein Fenderich. Wann ein
armer Mußquetirer in Noͤthen ſteckt/ ſo ſpricht er gemeiniglich den
Fenderich an/ daß er ſein Advocat ſey/ und ein gut Wort bey andern
Officirern vor ihn rede, Jch bin mit etzlich tauſend Studenten bekandt
geweſen/ welche nun in unterſchiedlichen hohen Ehren-Aemptern ſi-
tzen. Du wirſt viel vornehme Fuͤrſtliche und Graͤfliche Hoͤfe in Teutſch-
land finden/ da ich entweder mit der Herrſchafft ſelbſt/ oder mit ihren
vornehmſten Leuten bekandt bin. Jch habe nicht allein einem vorneh-
men Prælaten, ſondern auch zweyen vornehmen Fuͤrſten/ deren einer
ein General im Feld geweſen war/ und hernacher einem vornehmen
Grafen/ der ein Koͤniglicher Legat war/ gedienet. Jch bin endlich hie-
her kommen/ da ich eine neue Schule/ eine neue Univerſitaͤt gehabt/
da mich mein lieber Præceptor, Herr OMNIS, viel Dings gelehret/
da ich unterweilens bey der klugen Frauen von Thecoa/ habe in die
Schule gehen/ und ihre neue Weißheit anhoͤren muͤſſen/ eben wie die
Schuͤler deß Pythagoræ, und hab ihrem Geiſt/ ihrer Weißheit/
nicht widerſtehen doͤrffen. Jch habe mich unterweilens finden laſſen
an den Oertern/ da deß gantzen H. Roͤmiſchen Reichs Legati ſind
verſamlet geweſen. Jch bin unterweilens in Sauerbronne/ in War-
mebaͤder/ in die Franckfurter Meſſe gezogen/ auß bloſſer curioſitaͤt/
nur zu ſehen/ was fuͤr Leute da ſeyen/ und habe mich mit einem und
dem andern bekandt gemacht. Und ich ſage dir das zur Nachricht:
Jn die Sauerbronne oder Warmebaͤder/ ziehen ſelten
die arme Bauren von dem Vogelsberg oder von dem
Weſterwald/ ſondern groſſe Herren/ reiche Schlemmer/
oder gelehrte Leut/ welche mit ihrem vita ſedentaria ſich
allerhand Kranckheiten auff den Hals laden/ welche
alsdann alle ihre Sorg an einen Nagel haͤngen. Und man
hat zu der Zeit die allerbeſte occaſion, bey ihnen ſich zu in-
ſinuiren/ und mit ihnen bekandt zu werden. Jch hab zu ſol-
chen Dingen nicht allein ſonderlich occaſion gehabt/ ſondern ich hab
auch correſpondentz gehalten/ mit groſſen und kleinen/ und hab
mauch Jahr/ mehr Geld außgeben fuͤr Brieffe/ als fuͤr die Kleidung/
die ich an meinem Leibe getragen habe. Jch bin unterweilens von
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Zitationshilfe: | Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/279>, abgerufen am 16.06.2024. |