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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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An den Leser.
und wolte auß unterschiedenen Scribenten beweisen/ daß die Fabulae
AEsopi
kommen von Salomon her/ welcher sie über seiner Tafel er-
zehlet habe/ die habe hernach Assaph zu Papier gebracht/ von ihm ha-
ben sie die Griechen bekommen/ welche dieses Gedicht dazu gethan/
daß bey ihnen ein Mann gewesen sey mit Namen AEsopus, der diese
Fabula die Phryges, welches grobe Leute waren/ und nur mit Vieh
umbgiengen/ gelehret habe/ und habe sich also mit seiner Lehr den groben
ingeniis accommodiret, welche erfür sich gehabt/ die etwan grösse-
re Subtilitates nicht fassen kunten. Dem sey wie ihm wolle/ so ist das
nichts neues/ daß man es unterweilens mache wie Rebecca/ welche
wol wuste/ was ihrem alten Mann wolschmeckete/ richtete ihm dem-
nach ein Stück von einem Böcklein also zu/ daß es der alte Jsaac
(der doch ohne Zweiffel mehr Braten gessen/ und vielleicht den
Esau in seiner Jugend zum Weidwerck angeführet hatte) für Wild-
prät asse. Gen. 27. Wann ich einen Schwaben zu Gaste gebeten
hätte/ so wüste ich/ daß er für lieb nehme/ wann ich ihm ein warmes
Brühlein/ ein Leberle/ ein Lüngle/ eine Schüssel voll Nüß/ Nudeln
und dergleichen gebackenes/ vorsetzte. Ein Westphälischer Bauer
aber würde kaum dafür dancken/ sondern lieber ein Stück Speck
und Bon pour. Nicol haben wollen. Es ist diese Schrifft auffge-
setzet auff Begehren einer hohen Person/ welche wol weiß wohin sie
gehöre. Daß ich nun dieselbige mit etlichen Schertzreden vermischt
habe/ wollest du mir nicht in unbestem außdeuten. Denn ich kenne
deß also genanten Lucidors humeur, und weiß auß vieler Con-
versation,
wie man ihn angreiffen müsse/ wann man ihn fangen
wil. Gleichwie ein Weidmann anders locket den Wachteln/ an-
ders den Grammets-Vögeln/ also muß auch ein Orator sich schi-
cken in die Leute/ welche er für sich hat. Cicero hat anders geredt co-
ram Caesare,
anders coram Senatu, anders coram Populo Ro-
mano,
und hat doch meistentheils auff einen Zweck gezielet. Wenn
man mit Leuten redet von einer Sache/ davon sie nicht gerne hören/
so thun sie als ob sie schlaffen. Darumb rathen die Oratores, daß
man unterweilens einen Schertz/ lasse mit unterlauffen/ und damit/
wie mit einer Spießruthen ihre träge Gemüther auffwecke. Hast
du nicht gesehen wie es die Haußmütter machen? wann sie den Kin
dern wollen Würmkraut eingeben/ so vermischen sie es mit Zucker
oder Honig. Also muß man offt die bittere Warheit mit Zucker
überziehen/ sonderlich bey den Leuten/ denen der Kopff/ und das gantze
Gemüth voll Würme steckt. Jst jemand dem dieses Tractätlein
nicht gefällt/ der lasse es ungelesen/ und wisse/ daß ich es ihm zuge-
fallen nicht geschrieben habe. Du wirst selten an eine Tafel in einem
Wirtshauß kommen/ da du nicht zum wenigsten einen finden wirst/

der
S

An den Leſer.
und wolte auß unterſchiedenẽ Scribenten beweiſen/ daß die Fabulæ
Æſopi
kommen von Salomon her/ welcher ſie uͤber ſeiner Tafel er-
zehlet habe/ die habe hernach Aſſaph zu Papier gebracht/ von ihm ha-
ben ſie die Griechen bekommen/ welche dieſes Gedicht dazu gethan/
daß bey ihnen ein Mann geweſen ſey mit Namen Æſopus, der dieſe
Fabula die Phryges, welches grobe Leute waren/ und nur mit Vieh
umbgiengen/ gelehret habe/ uñ habe ſich alſo mit ſeiner Lehr den grobẽ
ingeniis accommodiret, welche erfuͤr ſich gehabt/ die etwan groͤſſe-
re Subtilitates nicht faſſen kunten. Dem ſey wie ihm wolle/ ſo iſt das
nichts neues/ daß man es unterweilens mache wie Rebecca/ welche
wol wuſte/ was ihrem alten Mann wolſchmeckete/ richtete ihm dem-
nach ein Stuͤck von einem Boͤcklein alſo zu/ daß es der alte Jſaac
(der doch ohne Zweiffel mehr Braten geſſen/ und vielleicht den
Eſau in ſeiner Jugend zum Weidwerck angefuͤhret hatte) fuͤr Wild-
praͤt aſſe. Gen. 27. Wann ich einen Schwaben zu Gaſte gebeten
haͤtte/ ſo wuͤſte ich/ daß er fuͤr lieb nehme/ wann ich ihm ein warmes
Bruͤhlein/ ein Leberle/ ein Luͤngle/ eine Schuͤſſel voll Nuͤß/ Nudeln
und dergleichen gebackenes/ vorſetzte. Ein Weſtphaͤliſcher Bauer
aber wuͤrde kaum dafuͤr dancken/ ſondern lieber ein Stuͤck Speck
und Bon pour. Nicol haben wollen. Es iſt dieſe Schrifft auffge-
ſetzet auff Begehren einer hohen Perſon/ welche wol weiß wohin ſie
gehoͤre. Daß ich nun dieſelbige mit etlichen Schertzreden vermiſcht
habe/ wolleſt du mir nicht in unbeſtem außdeuten. Denn ich kenne
deß alſo genanten Lucidors humeur, und weiß auß vieler Con-
verſation,
wie man ihn angreiffen muͤſſe/ wann man ihn fangen
wil. Gleichwie ein Weidmann anders locket den Wachteln/ an-
ders den Grammets-Voͤgeln/ alſo muß auch ein Orator ſich ſchi-
cken in die Leute/ welche er fuͤr ſich hat. Cicero hat anders geredt co-
ram Cæſare,
anders coram Senatu, anders coram Populo Ro-
mano,
und hat doch meiſtentheils auff einen Zweck gezielet. Wenn
man mit Leuten redet von einer Sache/ davon ſie nicht gerne hoͤren/
ſo thun ſie als ob ſie ſchlaffen. Darumb rathen die Oratores, daß
man unterweilens einen Schertz/ laſſe mit unterlauffen/ und damit/
wie mit einer Spießruthen ihre traͤge Gemuͤther auffwecke. Haſt
du nicht geſehen wie es die Haußmuͤtter machen? wann ſie den Kin
dern wollen Wuͤrmkraut eingeben/ ſo vermiſchen ſie es mit Zucker
oder Honig. Alſo muß man offt die bittere Warheit mit Zucker
uͤberziehen/ ſonderlich bey den Leuten/ denen der Kopff/ und das gantze
Gemuͤth voll Wuͤrme ſteckt. Jſt jemand dem dieſes Tractaͤtlein
nicht gefaͤllt/ der laſſe es ungeleſen/ und wiſſe/ daß ich es ihm zuge-
fallen nicht geſchrieben habe. Du wirſt ſelten an eine Tafel in einem
Wirtshauß kommen/ da du nicht zum wenigſten einen finden wirſt/

der
S
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[273/0315] An den Leſer. und wolte auß unterſchiedenẽ Scribenten beweiſen/ daß die Fabulæ Æſopi kommen von Salomon her/ welcher ſie uͤber ſeiner Tafel er- zehlet habe/ die habe hernach Aſſaph zu Papier gebracht/ von ihm ha- ben ſie die Griechen bekommen/ welche dieſes Gedicht dazu gethan/ daß bey ihnen ein Mann geweſen ſey mit Namen Æſopus, der dieſe Fabula die Phryges, welches grobe Leute waren/ und nur mit Vieh umbgiengen/ gelehret habe/ uñ habe ſich alſo mit ſeiner Lehr den grobẽ ingeniis accommodiret, welche erfuͤr ſich gehabt/ die etwan groͤſſe- re Subtilitates nicht faſſen kunten. Dem ſey wie ihm wolle/ ſo iſt das nichts neues/ daß man es unterweilens mache wie Rebecca/ welche wol wuſte/ was ihrem alten Mann wolſchmeckete/ richtete ihm dem- nach ein Stuͤck von einem Boͤcklein alſo zu/ daß es der alte Jſaac (der doch ohne Zweiffel mehr Braten geſſen/ und vielleicht den Eſau in ſeiner Jugend zum Weidwerck angefuͤhret hatte) fuͤr Wild- praͤt aſſe. Gen. 27. Wann ich einen Schwaben zu Gaſte gebeten haͤtte/ ſo wuͤſte ich/ daß er fuͤr lieb nehme/ wann ich ihm ein warmes Bruͤhlein/ ein Leberle/ ein Luͤngle/ eine Schuͤſſel voll Nuͤß/ Nudeln und dergleichen gebackenes/ vorſetzte. Ein Weſtphaͤliſcher Bauer aber wuͤrde kaum dafuͤr dancken/ ſondern lieber ein Stuͤck Speck und Bon pour. Nicol haben wollen. Es iſt dieſe Schrifft auffge- ſetzet auff Begehren einer hohen Perſon/ welche wol weiß wohin ſie gehoͤre. Daß ich nun dieſelbige mit etlichen Schertzreden vermiſcht habe/ wolleſt du mir nicht in unbeſtem außdeuten. Denn ich kenne deß alſo genanten Lucidors humeur, und weiß auß vieler Con- verſation, wie man ihn angreiffen muͤſſe/ wann man ihn fangen wil. Gleichwie ein Weidmann anders locket den Wachteln/ an- ders den Grammets-Voͤgeln/ alſo muß auch ein Orator ſich ſchi- cken in die Leute/ welche er fuͤr ſich hat. Cicero hat anders geredt co- ram Cæſare, anders coram Senatu, anders coram Populo Ro- mano, und hat doch meiſtentheils auff einen Zweck gezielet. Wenn man mit Leuten redet von einer Sache/ davon ſie nicht gerne hoͤren/ ſo thun ſie als ob ſie ſchlaffen. Darumb rathen die Oratores, daß man unterweilens einen Schertz/ laſſe mit unterlauffen/ und damit/ wie mit einer Spießruthen ihre traͤge Gemuͤther auffwecke. Haſt du nicht geſehen wie es die Haußmuͤtter machen? wann ſie den Kin dern wollen Wuͤrmkraut eingeben/ ſo vermiſchen ſie es mit Zucker oder Honig. Alſo muß man offt die bittere Warheit mit Zucker uͤberziehen/ ſonderlich bey den Leuten/ denen der Kopff/ und das gantze Gemuͤth voll Wuͤrme ſteckt. Jſt jemand dem dieſes Tractaͤtlein nicht gefaͤllt/ der laſſe es ungeleſen/ und wiſſe/ daß ich es ihm zuge- fallen nicht geſchrieben habe. Du wirſt ſelten an eine Tafel in einem Wirtshauß kommen/ da du nicht zum wenigſten einen finden wirſt/ der S

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/315>, abgerufen am 22.11.2024.