Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].des Wörtlein Nichts. Nichts. Du Esel weil ich von der Welt Sitten lehre und schreibe/achtest du mich für Nichts; Fragstu wie hoch ich dich achte? Nichts. Denn das an dir zu loben/ hoch zu halten/ und zu lieben sehe ich Nichts Es erzehlet mir ein kunstreicher Mann/ der jetzo bey eines vornehmen Fürsten Hoffe Capellmeister worden ist/ daß er in seiner Jugend nit das Verbum und Nomen können unterscheiden/ doch habe ihn der Praeceptor gezeiget und gesaget/ daß das ein Verbum seye/ wo man könne hinzu setzen: Jch/ Du/ Er/ einsmals habe der Magister ihn gefraget; stultus ob es ein Verbum oder Nomen seye? Antwort/ Verbum. Cur, dieweil ich sagen kan/ ich Nar/ du Nar/ er Nar/ ob diesem gleich der gantze Hellhauffe der Grammaticorum wieder- spricht/ so halte ich doch diese Rede vor wahr. Narravere patres no- stri; & nos narravimus omnes. Und die deme nicht beypflichten wöllen/ gehen andern an Thörheit weit vor. Wolt ihr aber berichtet seyn/ was doch dieses sonderliche Privilegium halte/ allezeit und ü- berall weiß und klug seye? Nichts. Jn dem Sendschreiben obscu- rorum virorum hocherleuchteten Männer vel quasi, exclamirt und sagt einer: In mundo mirabiliter vadit, und wie könte ich/ wenn ich wolte die Segel meiner Oration so weit fliegen lassen; Ader Pla- to befihlt hiervon zu reden Nichts. Jhr wisset daß ich auffrichtig und freyes Mundes seye/ aber es hat mir bißhero Nichts geholffen. Derohalben wenn ich in die Franckfurter Meß ziehe/ will ich mir ei- nen Papagey kauffen/ von dem will ich lernen entweder anderer Leute Rede nachäffen und nachlallen/ oder Nichts reden. Ja ihr habet biß- hero Nichts von mir gelernet. Wenn ihr dafür haltet/ daß ihr biß- dato Nichts wisset/ wollen wir mit Beystand und Hülffe GOttes hinführo lernen Etwas. Gott befohlen! Und so viel von dem Wört- lein Nichts/ so an sich selbst klein gering und veracht und doch in der gantzen Welt/ in der gantzen Natur/ in dem gantzen menschlichen Le- ben nichts gemeiners/ nichts offters gehöret noch geredet wird/ als das Wörtlein Nichts. DE
des Woͤrtlein Nichts. Nichts. Du Eſel weil ich von der Welt Sitten lehre und ſchreibe/achteſt du mich fuͤr Nichts; Fragſtu wie hoch ich dich achte? Nichts. Deñ das an dir zu loben/ hoch zu halten/ uñ zu lieben ſehe ich Nichts Es erzehlet mir ein kunſtreicher Mann/ der jetzo bey eines vornehmen Fuͤrſten Hoffe Capellmeiſter worden iſt/ daß er in ſeiner Jugend nit das Verbum und Nomen koͤnnen unterſcheiden/ doch habe ihn der Præceptor gezeiget und geſaget/ daß das ein Verbum ſeye/ wo man koͤnne hinzu ſetzen: Jch/ Du/ Er/ einsmals habe der Magiſter ihn gefraget; ſtultus ob es ein Verbum oder Nomen ſeye? Antwort/ Verbum. Cur, dieweil ich ſagen kan/ ich Nar/ du Nar/ er Nar/ ob dieſem gleich der gantze Hellhauffe der Grammaticorum wieder- ſpricht/ ſo halte ich doch dieſe Rede vor wahr. Narravere patres no- ſtri; & nos narravimus omnes. Und die deme nicht beypflichten woͤllen/ gehen andern an Thoͤrheit weit vor. Wolt ihr aber berichtet ſeyn/ was doch dieſes ſonderliche Privilegium halte/ allezeit und uͤ- berall weiß und klug ſeye? Nichts. Jn dem Sendſchreiben obſcu- rorum virorum hocherleuchteten Maͤnner vel quaſi, exclamirt und ſagt einer: In mundo mirabiliter vadit, und wie koͤnte ich/ weñ ich wolte die Segel meiner Oration ſo weit fliegen laſſen; Ader Pla- to befihlt hiervon zu reden Nichts. Jhr wiſſet daß ich auffrichtig und freyes Mundes ſeye/ aber es hat mir bißhero Nichts geholffen. Derohalben wenn ich in die Franckfurter Meß ziehe/ will ich mir ei- nen Papagey kauffen/ von dem will ich lernen entweder anderer Leute Rede nachaͤffen und nachlallen/ oder Nichts reden. Ja ihr habet biß- hero Nichts von mir gelernet. Wenn ihr dafuͤr haltet/ daß ihr biß- dato Nichts wiſſet/ wollen wir mit Beyſtand und Huͤlffe GOttes hinfuͤhro lernen Etwas. Gott befohlen! Und ſo viel von dem Woͤrt- lein Nichts/ ſo an ſich ſelbſt klein gering und veracht und doch in der gantzen Welt/ in der gantzen Natur/ in dem gantzen menſchlichen Le- ben nichts gemeiners/ nichts offters gehoͤret noch geredet wird/ als das Woͤrtlein Nichts. DE
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Deñ das an dir zu loben/ hoch zu halten/ uñ zu lieben ſehe ich Nichts
Es erzehlet mir ein kunſtreicher Mann/ der jetzo bey eines vornehmen
Fuͤrſten Hoffe Capellmeiſter worden iſt/ daß er in ſeiner Jugend nit
das Verbum und Nomen koͤnnen unterſcheiden/ doch habe ihn der
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koͤnne hinzu ſetzen: Jch/ Du/ Er/ einsmals habe der Magiſter ihn
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Verbum. Cur, dieweil ich ſagen kan/ ich Nar/ du Nar/ er Nar/ ob
dieſem gleich der gantze Hellhauffe der Grammaticorum wieder-
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Derohalben wenn ich in die Franckfurter Meß ziehe/ will ich mir ei-
nen Papagey kauffen/ von dem will ich lernen entweder anderer Leute
Rede nachaͤffen und nachlallen/ oder Nichts reden. Ja ihr habet biß-
hero Nichts von mir gelernet. Wenn ihr dafuͤr haltet/ daß ihr biß-
dato Nichts wiſſet/ wollen wir mit Beyſtand und Huͤlffe GOttes
hinfuͤhro lernen Etwas. Gott befohlen! Und ſo viel von dem Woͤrt-
lein Nichts/ ſo an ſich ſelbſt klein gering und veracht und doch in der
gantzen Welt/ in der gantzen Natur/ in dem gantzen menſchlichen Le-
ben nichts gemeiners/ nichts offters gehoͤret noch geredet
wird/ als das Woͤrtlein
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Zitationshilfe: | Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/455>, abgerufen am 26.06.2024. |