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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Von der Einbildung.
Zeit. Dann wer jetzo etwan ein Schuster oder Schneider ist/ wird in
kurtzer Zeit ein prächtiger Feldobrister/ so da in güldenen Stücken/
mit silbernen und güldenen Potz Elementen außgezierten Kleidern
einher tritt und auffziehet. Der Commediant Terentius wünschet
ihme ein alter Salat/ Soldat wolte ich sagen/ zu seyn/ der lieber hin-
ter dem warmen Ofen/ als in der Schlachtordnung sich finden lasse:
das heisset nach Ehren streben. Aber er wird von der faulen opinion
betrogen. Ein tapfferer Kriegsheld wil lieber ehrlich sterben/ als in
Schand und Schimpff leben. Der vor deß Vaterlandes Nutzen und
Wolfahrt stirbet/ stirbet nicht/ sondern lebet nach dem Todte. Gleich-
wie der Palmenbaum/ je mehr er belästiget wird/ je mehr derselbe sich
empor und in die Höhe schwinget; also auch ein tapffer Gemüthe solle
wider deß unbeständigen Glückes Grausamkeit kämpffen und fech-
ten/ und sich dargegen auffrichten. Dann der kein rechtschaffener
Mann zu halten/ der Wollust und Müssiggang den löblichen Ver-
richtungen vorziehet.

Die Einbildung pfleget offtermalen die Menschen dergestalt zu
verblenden/ daß auch die weisesten Römer als zwischen deren beyden
mächtigen Fürsten und Regenten dem Julio Caesare und dem Pom-
pejo
ein Krieg entstanden/ nicht wusten/ welcher unter den beyden
recht oder unrecht hätte/ zu loben oder zu tadeln were? Von der opi-
nion
wird betrogen der jenige/ der den unterhabenden Kriegsknech-
ten den Sold verweigert/ und gleichwol eine gute Kriegs disciplin
oder einen guten Nachruhm ihme einbilden wolte. Von der opinion
wird betrogen/ der mit jenem weisen Römer dafür halten wolte/ daß
das die beste und allerbeständigste Freundschafft seye; eines Willens
und in allem einerley Meynung seyn. Ziphusius und sein Weib wa-
ren eines Willens und Meynung/ in deme sie alle beyde umb die Mei-
sterschafft/ und wer unter ihnen beyden die Pomphosen haben und an-
tragen solte/ gestritten/ sie waren auch darinnen einig/ dann weder er
der Mann Ziphusius noch auch sein Weib die Hosen wolten fahren
lassen/ worauß abzunehmen/ daß gleicher Wille und Meynung off-
termal Ursach seyn alles Zancks und Verwirrung/ der wird von der
opinion hinterschlichen und betrogen/ wer nach dem gemeinen
Sprichwort glauben wolte/ suum cuique pulchrum; Eine jegli-
che Ganß meynet sie lege die besten Eyer; ein jeder Schneider schnei-
de die beste Kappe: So ist es auch kein neues daß Meister Marxens
Fraue seinem Nachbar Crasso besser als ihme gefalle/ und hinwider/
Cato achtet seiner Frauen/ als er mit ihr hausete/ gar wenig/ als die
von ihm aber verstossen/ und einen andern genommen/ liebete er sie in-
brünstig/ und lieber/ wer ist doch mit seinem Glück vergnüget?

Der gute Tropff Pontius beschriebe die Liebe; daß sie ein Feuer

seye/

Von der Einbildung.
Zeit. Dann wer jetzo etwan ein Schuſter oder Schneider iſt/ wird in
kurtzer Zeit ein praͤchtiger Feldobriſter/ ſo da in guͤldenen Stuͤcken/
mit ſilbernen und guͤldenen Potz Elementen außgezierten Kleidern
einher tritt und auffziehet. Der Commediant Terentius wuͤnſchet
ihme ein alter Salat/ Soldat wolte ich ſagen/ zu ſeyn/ der lieber hin-
ter dem warmen Ofen/ als in der Schlachtordnung ſich finden laſſe:
das heiſſet nach Ehren ſtreben. Aber er wird von der faulen opinion
betrogen. Ein tapfferer Kriegsheld wil lieber ehrlich ſterben/ als in
Schand und Schimpff leben. Der vor deß Vaterlandes Nutzen und
Wolfahrt ſtirbet/ ſtirbet nicht/ ſondern lebet nach dem Todte. Gleich-
wie der Palmenbaum/ je mehr er belaͤſtiget wird/ je mehr derſelbe ſich
empor und in die Hoͤhe ſchwinget; alſo auch ein tapffer Gemuͤthe ſolle
wider deß unbeſtaͤndigen Gluͤckes Grauſamkeit kaͤmpffen und fech-
ten/ und ſich dargegen auffrichten. Dann der kein rechtſchaffener
Mann zu halten/ der Wolluſt und Muͤſſiggang den loͤblichen Ver-
richtungen vorziehet.

Die Einbildung pfleget offtermalen die Menſchen dergeſtalt zu
verblenden/ daß auch die weiſeſten Roͤmer als zwiſchen deren beyden
maͤchtigen Fuͤrſten und Regenten dem Julio Cæſare und dem Pom-
pejo
ein Krieg entſtanden/ nicht wuſten/ welcher unter den beyden
recht oder unrecht haͤtte/ zu loben oder zu tadeln were? Von der opi-
nion
wird betrogen der jenige/ der den unterhabenden Kriegsknech-
ten den Sold verweigert/ und gleichwol eine gute Kriegs diſciplin
oder einen guten Nachruhm ihme einbilden wolte. Von der opinion
wird betrogen/ der mit jenem weiſen Roͤmer dafuͤr halten wolte/ daß
das die beſte und allerbeſtaͤndigſte Freundſchafft ſeye; eines Willens
und in allem einerley Meynung ſeyn. Ziphuſius und ſein Weib wa-
ren eines Willens und Meynung/ in deme ſie alle beyde umb die Mei-
ſterſchafft/ und wer unter ihnen beyden die Pomphoſen haben und an-
tragen ſolte/ geſtritten/ ſie waren auch darinnen einig/ dann weder er
der Mann Ziphuſius noch auch ſein Weib die Hoſen wolten fahren
laſſen/ worauß abzunehmen/ daß gleicher Wille und Meynung off-
termal Urſach ſeyn alles Zancks und Verwirrung/ der wird von der
opinion hinterſchlichen und betrogen/ wer nach dem gemeinen
Sprichwort glauben wolte/ ſuum cuique pulchrum; Eine jegli-
che Ganß meynet ſie lege die beſten Eyer; ein jeder Schneider ſchnei-
de die beſte Kappe: So iſt es auch kein neues daß Meiſter Marxens
Fraue ſeinem Nachbar Craſſo beſſer als ihme gefalle/ und hinwider/
Cato achtet ſeiner Frauen/ als er mit ihr hauſete/ gar wenig/ als die
von ihm aber verſtoſſen/ und einen andern genommen/ liebete er ſie in-
bruͤnſtig/ und lieber/ wer iſt doch mit ſeinem Gluͤck vergnuͤget?

Der gute Tropff Pontius beſchriebe die Liebe; daß ſie ein Feuer

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[524/0566] Von der Einbildung. Zeit. Dann wer jetzo etwan ein Schuſter oder Schneider iſt/ wird in kurtzer Zeit ein praͤchtiger Feldobriſter/ ſo da in guͤldenen Stuͤcken/ mit ſilbernen und guͤldenen Potz Elementen außgezierten Kleidern einher tritt und auffziehet. Der Commediant Terentius wuͤnſchet ihme ein alter Salat/ Soldat wolte ich ſagen/ zu ſeyn/ der lieber hin- ter dem warmen Ofen/ als in der Schlachtordnung ſich finden laſſe: das heiſſet nach Ehren ſtreben. Aber er wird von der faulen opinion betrogen. Ein tapfferer Kriegsheld wil lieber ehrlich ſterben/ als in Schand und Schimpff leben. Der vor deß Vaterlandes Nutzen und Wolfahrt ſtirbet/ ſtirbet nicht/ ſondern lebet nach dem Todte. Gleich- wie der Palmenbaum/ je mehr er belaͤſtiget wird/ je mehr derſelbe ſich empor und in die Hoͤhe ſchwinget; alſo auch ein tapffer Gemuͤthe ſolle wider deß unbeſtaͤndigen Gluͤckes Grauſamkeit kaͤmpffen und fech- ten/ und ſich dargegen auffrichten. Dann der kein rechtſchaffener Mann zu halten/ der Wolluſt und Muͤſſiggang den loͤblichen Ver- richtungen vorziehet. Die Einbildung pfleget offtermalen die Menſchen dergeſtalt zu verblenden/ daß auch die weiſeſten Roͤmer als zwiſchen deren beyden maͤchtigen Fuͤrſten und Regenten dem Julio Cæſare und dem Pom- pejo ein Krieg entſtanden/ nicht wuſten/ welcher unter den beyden recht oder unrecht haͤtte/ zu loben oder zu tadeln were? Von der opi- nion wird betrogen der jenige/ der den unterhabenden Kriegsknech- ten den Sold verweigert/ und gleichwol eine gute Kriegs diſciplin oder einen guten Nachruhm ihme einbilden wolte. Von der opinion wird betrogen/ der mit jenem weiſen Roͤmer dafuͤr halten wolte/ daß das die beſte und allerbeſtaͤndigſte Freundſchafft ſeye; eines Willens und in allem einerley Meynung ſeyn. Ziphuſius und ſein Weib wa- ren eines Willens und Meynung/ in deme ſie alle beyde umb die Mei- ſterſchafft/ und wer unter ihnen beyden die Pomphoſen haben und an- tragen ſolte/ geſtritten/ ſie waren auch darinnen einig/ dann weder er der Mann Ziphuſius noch auch ſein Weib die Hoſen wolten fahren laſſen/ worauß abzunehmen/ daß gleicher Wille und Meynung off- termal Urſach ſeyn alles Zancks und Verwirrung/ der wird von der opinion hinterſchlichen und betrogen/ wer nach dem gemeinen Sprichwort glauben wolte/ ſuum cuique pulchrum; Eine jegli- che Ganß meynet ſie lege die beſten Eyer; ein jeder Schneider ſchnei- de die beſte Kappe: So iſt es auch kein neues daß Meiſter Marxens Fraue ſeinem Nachbar Craſſo beſſer als ihme gefalle/ und hinwider/ Cato achtet ſeiner Frauen/ als er mit ihr hauſete/ gar wenig/ als die von ihm aber verſtoſſen/ und einen andern genommen/ liebete er ſie in- bruͤnſtig/ und lieber/ wer iſt doch mit ſeinem Gluͤck vergnuͤget? Der gute Tropff Pontius beſchriebe die Liebe; daß ſie ein Feuer ſeye/

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/566>, abgerufen am 22.11.2024.