Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Von der Einbildung. Zeit. Dann wer jetzo etwan ein Schuster oder Schneider ist/ wird inkurtzer Zeit ein prächtiger Feldobrister/ so da in güldenen Stücken/ mit silbernen und güldenen Potz Elementen außgezierten Kleidern einher tritt und auffziehet. Der Commediant Terentius wünschet ihme ein alter Salat/ Soldat wolte ich sagen/ zu seyn/ der lieber hin- ter dem warmen Ofen/ als in der Schlachtordnung sich finden lasse: das heisset nach Ehren streben. Aber er wird von der faulen opinion betrogen. Ein tapfferer Kriegsheld wil lieber ehrlich sterben/ als in Schand und Schimpff leben. Der vor deß Vaterlandes Nutzen und Wolfahrt stirbet/ stirbet nicht/ sondern lebet nach dem Todte. Gleich- wie der Palmenbaum/ je mehr er belästiget wird/ je mehr derselbe sich empor und in die Höhe schwinget; also auch ein tapffer Gemüthe solle wider deß unbeständigen Glückes Grausamkeit kämpffen und fech- ten/ und sich dargegen auffrichten. Dann der kein rechtschaffener Mann zu halten/ der Wollust und Müssiggang den löblichen Ver- richtungen vorziehet. Die Einbildung pfleget offtermalen die Menschen dergestalt zu Der gute Tropff Pontius beschriebe die Liebe; daß sie ein Feuer seye/
Von der Einbildung. Zeit. Dann wer jetzo etwan ein Schuſter oder Schneider iſt/ wird inkurtzer Zeit ein praͤchtiger Feldobriſter/ ſo da in guͤldenen Stuͤcken/ mit ſilbernen und guͤldenen Potz Elementen außgezierten Kleidern einher tritt und auffziehet. Der Commediant Terentius wuͤnſchet ihme ein alter Salat/ Soldat wolte ich ſagen/ zu ſeyn/ der lieber hin- ter dem warmen Ofen/ als in der Schlachtordnung ſich finden laſſe: das heiſſet nach Ehren ſtreben. Aber er wird von der faulen opinion betrogen. Ein tapfferer Kriegsheld wil lieber ehrlich ſterben/ als in Schand und Schimpff leben. Der vor deß Vaterlandes Nutzen und Wolfahrt ſtirbet/ ſtirbet nicht/ ſondern lebet nach dem Todte. Gleich- wie der Palmenbaum/ je mehr er belaͤſtiget wird/ je mehr derſelbe ſich empor und in die Hoͤhe ſchwinget; alſo auch ein tapffer Gemuͤthe ſolle wider deß unbeſtaͤndigen Gluͤckes Grauſamkeit kaͤmpffen und fech- ten/ und ſich dargegen auffrichten. Dann der kein rechtſchaffener Mann zu halten/ der Wolluſt und Muͤſſiggang den loͤblichen Ver- richtungen vorziehet. Die Einbildung pfleget offtermalen die Menſchen dergeſtalt zu Der gute Tropff Pontius beſchriebe die Liebe; daß ſie ein Feuer ſeye/
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Von der Einbildung.
Zeit. Dann wer jetzo etwan ein Schuſter oder Schneider iſt/ wird in
kurtzer Zeit ein praͤchtiger Feldobriſter/ ſo da in guͤldenen Stuͤcken/
mit ſilbernen und guͤldenen Potz Elementen außgezierten Kleidern
einher tritt und auffziehet. Der Commediant Terentius wuͤnſchet
ihme ein alter Salat/ Soldat wolte ich ſagen/ zu ſeyn/ der lieber hin-
ter dem warmen Ofen/ als in der Schlachtordnung ſich finden laſſe:
das heiſſet nach Ehren ſtreben. Aber er wird von der faulen opinion
betrogen. Ein tapfferer Kriegsheld wil lieber ehrlich ſterben/ als in
Schand und Schimpff leben. Der vor deß Vaterlandes Nutzen und
Wolfahrt ſtirbet/ ſtirbet nicht/ ſondern lebet nach dem Todte. Gleich-
wie der Palmenbaum/ je mehr er belaͤſtiget wird/ je mehr derſelbe ſich
empor und in die Hoͤhe ſchwinget; alſo auch ein tapffer Gemuͤthe ſolle
wider deß unbeſtaͤndigen Gluͤckes Grauſamkeit kaͤmpffen und fech-
ten/ und ſich dargegen auffrichten. Dann der kein rechtſchaffener
Mann zu halten/ der Wolluſt und Muͤſſiggang den loͤblichen Ver-
richtungen vorziehet.
Die Einbildung pfleget offtermalen die Menſchen dergeſtalt zu
verblenden/ daß auch die weiſeſten Roͤmer als zwiſchen deren beyden
maͤchtigen Fuͤrſten und Regenten dem Julio Cæſare und dem Pom-
pejo ein Krieg entſtanden/ nicht wuſten/ welcher unter den beyden
recht oder unrecht haͤtte/ zu loben oder zu tadeln were? Von der opi-
nion wird betrogen der jenige/ der den unterhabenden Kriegsknech-
ten den Sold verweigert/ und gleichwol eine gute Kriegs diſciplin
oder einen guten Nachruhm ihme einbilden wolte. Von der opinion
wird betrogen/ der mit jenem weiſen Roͤmer dafuͤr halten wolte/ daß
das die beſte und allerbeſtaͤndigſte Freundſchafft ſeye; eines Willens
und in allem einerley Meynung ſeyn. Ziphuſius und ſein Weib wa-
ren eines Willens und Meynung/ in deme ſie alle beyde umb die Mei-
ſterſchafft/ und wer unter ihnen beyden die Pomphoſen haben und an-
tragen ſolte/ geſtritten/ ſie waren auch darinnen einig/ dann weder er
der Mann Ziphuſius noch auch ſein Weib die Hoſen wolten fahren
laſſen/ worauß abzunehmen/ daß gleicher Wille und Meynung off-
termal Urſach ſeyn alles Zancks und Verwirrung/ der wird von der
opinion hinterſchlichen und betrogen/ wer nach dem gemeinen
Sprichwort glauben wolte/ ſuum cuique pulchrum; Eine jegli-
che Ganß meynet ſie lege die beſten Eyer; ein jeder Schneider ſchnei-
de die beſte Kappe: So iſt es auch kein neues daß Meiſter Marxens
Fraue ſeinem Nachbar Craſſo beſſer als ihme gefalle/ und hinwider/
Cato achtet ſeiner Frauen/ als er mit ihr hauſete/ gar wenig/ als die
von ihm aber verſtoſſen/ und einen andern genommen/ liebete er ſie in-
bruͤnſtig/ und lieber/ wer iſt doch mit ſeinem Gluͤck vergnuͤget?
Der gute Tropff Pontius beſchriebe die Liebe; daß ſie ein Feuer
ſeye/
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