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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Von der Einbildung.
seye/ darauff seine Fraue sagte; Lieber Pontius/ entweder wirstu hier-
innen von deiner Einbildunge betrogen/ oder die Liebe die ich zu dir
trage ist kein warmes/ sondern ein eißkaltes Feuer. Die Gellia durff-
te sich wol einbilden/ daß wann Troja noch stünde/ solche Stadt ihrer
schönen Gestalt halber wol zerstöret werden möchte/ aber O närrische
betrügliche Einbildung. Wann Paris (welcher von den Göttinnen
zu einem Schidsmann erwehlet worden/ daß er sagen solte welche die
schönste? Hat er solches Lob der Liebs-Göttin gegeben) heut zu Tage
das Urtheil sprechen solte/ dürffte er wol der Junoni, welche die Göt-
tinne deß Reichthumbs solchen Außspruch zulegen. Dann/ was ist
die Liebe ohne Geld und Gut? Wir halten offtermalen die prächti-
gen grossen Handelsleute und Wechsler vor reich/ aber die opinion
falliret,
dann man nicht wissen kan/ ob der reich oder arm/ der seinen
Reichthumb dem ungetreuen Meer vertrauen muß. Corydon wird
auß einem Kauffmann ein Cavallier und Edelmann/ zu dem Ende/
daß er nur destomehr Platz/ Gunsten und affection bey den Damen
habe und erlange. Aber lieber Corydon weit weit gefehlet! dann die
Liebste mehr sich als dich dardurch liebet. Das wanckelmütige Glück
hat keinen Menschen so gar ohne Tücke geliebet und geschmeichelt/
weder Mosi/ noch David/ noch Salomon. Wann wir ein wenig zu-
rück und in die alten Zeiten sehen/ werden wir befinden/ daß keiner je-
malen so witzig/ so verständig und so geschicklich gewesen/ deme es
nicht je zuweilen gefehlet/ oder deme es nicht bißweilen an gutem er-
wünschtem Außgang seiner Sachen gemangelt. Wer da glauben
wolte/ daß der so einen in Widerwertigkeit verlässet/ jemals sein
Freund gewesen seye/ wird von der vorgeschöpfften Meynunge be-
trogen; dann rechter ungefärbter Liebe ist kein Ende. Ein traurig Ge-
müthe hält allezeit sein Unglück für das allerärgste/ wird aber von der
opinion betrogen. Wann man die Glückseligen und die Reichen
außsondern wolte/ würde der arme sich gleichsam trösten/ und neue
Gemüthskrafft überkommen/ und kan keiner arm oder mühselig seyn/
er vergleiche und halte sich gegen anderer ihrem Zustand/ da er befin-
den wird/ daß noch immer welche die elender und geringer sind/ und
ob auch einer ihme einbilden wolte/ daß er durch traurig betrübte Ge-
dancken seinem künfftigen Zustand helffen wolte/ wird sich weit irrend
und betrogen finden/ dann ist dein Zustand rechtmessig/ ist die Furcht
vergeblich/ ist er unrechtmässig und unzulässig/ würdest du dir nur
das Unglück schwerer und verdoppelt machen. Die Jugend bildet ihr
offters ein/ daß sie in Rathschlägen dem alten weit vorgehe/ aber von
der Einbildung betrogen. Senatus wird gesagt von Alterthumb:
ohne Witz und Verstand der Alten kan kein Rahthauß noch Regi-
ment bestehen. Die Jugend hat die Stärcke/ Krafft und Leibes Ver-

mögen:

Von der Einbildung.
ſeye/ darauff ſeine Fraue ſagte; Lieber Pontius/ entweder wirſtu hier-
innen von deiner Einbildunge betrogen/ oder die Liebe die ich zu dir
trage iſt kein warmes/ ſondern ein eißkaltes Feuer. Die Gellia durff-
te ſich wol einbilden/ daß wann Troja noch ſtuͤnde/ ſolche Stadt ihrer
ſchoͤnen Geſtalt halber wol zerſtoͤret werden moͤchte/ aber O naͤrriſche
betruͤgliche Einbildung. Wann Paris (welcher von den Goͤttinnen
zu einem Schidsmann erwehlet worden/ daß er ſagen ſolte welche die
ſchoͤnſte? Hat er ſolches Lob der Liebs-Goͤttin gegeben) heut zu Tage
das Urtheil ſprechen ſolte/ duͤrffte er wol der Junoni, welche die Goͤt-
tinne deß Reichthumbs ſolchen Außſpruch zulegen. Dann/ was iſt
die Liebe ohne Geld und Gut? Wir halten offtermalen die praͤchti-
gen groſſen Handelsleute und Wechsler vor reich/ aber die opinion
falliret,
dann man nicht wiſſen kan/ ob der reich oder arm/ der ſeinen
Reichthumb dem ungetreuen Meer vertrauen muß. Corydon wird
auß einem Kauffmann ein Cavallier und Edelmann/ zu dem Ende/
daß er nur deſtomehr Platz/ Gunſten und affection bey den Damen
habe und erlange. Aber lieber Corydon weit weit gefehlet! dann die
Liebſte mehr ſich als dich dardurch liebet. Das wanckelmuͤtige Gluͤck
hat keinen Menſchen ſo gar ohne Tuͤcke geliebet und geſchmeichelt/
weder Moſi/ noch David/ noch Salomon. Wann wir ein wenig zu-
ruͤck und in die alten Zeiten ſehen/ werden wir befinden/ daß keiner je-
malen ſo witzig/ ſo verſtaͤndig und ſo geſchicklich geweſen/ deme es
nicht je zuweilen gefehlet/ oder deme es nicht bißweilen an gutem er-
wuͤnſchtem Außgang ſeiner Sachen gemangelt. Wer da glauben
wolte/ daß der ſo einen in Widerwertigkeit verlaͤſſet/ jemals ſein
Freund geweſen ſeye/ wird von der vorgeſchoͤpfften Meynunge be-
trogen; dann rechter ungefaͤrbter Liebe iſt kein Ende. Ein traurig Ge-
muͤthe haͤlt allezeit ſein Ungluͤck fuͤr das alleraͤrgſte/ wird aber von der
opinion betrogen. Wann man die Gluͤckſeligen und die Reichen
außſondern wolte/ wuͤrde der arme ſich gleichſam troͤſten/ und neue
Gemuͤthskrafft uͤberkommen/ und kan keiner arm oder muͤhſelig ſeyn/
er vergleiche und halte ſich gegen anderer ihrem Zuſtand/ da er befin-
den wird/ daß noch immer welche die elender und geringer ſind/ und
ob auch einer ihme einbilden wolte/ daß er durch traurig betruͤbte Ge-
dancken ſeinem kuͤnfftigen Zuſtand helffen wolte/ wird ſich weit irrend
und betrogen finden/ dann iſt dein Zuſtand rechtmeſſig/ iſt die Furcht
vergeblich/ iſt er unrechtmaͤſſig und unzulaͤſſig/ wuͤrdeſt du dir nur
das Ungluͤck ſchwerer und verdoppelt machen. Die Jugend bildet ihr
offters ein/ daß ſie in Rathſchlaͤgen dem alten weit vorgehe/ aber von
der Einbildung betrogen. Senatus wird geſagt von Alterthumb:
ohne Witz und Verſtand der Alten kan kein Rahthauß noch Regi-
ment beſtehen. Die Jugend hat die Staͤrcke/ Krafft und Leibes Ver-

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[525/0567] Von der Einbildung. ſeye/ darauff ſeine Fraue ſagte; Lieber Pontius/ entweder wirſtu hier- innen von deiner Einbildunge betrogen/ oder die Liebe die ich zu dir trage iſt kein warmes/ ſondern ein eißkaltes Feuer. Die Gellia durff- te ſich wol einbilden/ daß wann Troja noch ſtuͤnde/ ſolche Stadt ihrer ſchoͤnen Geſtalt halber wol zerſtoͤret werden moͤchte/ aber O naͤrriſche betruͤgliche Einbildung. Wann Paris (welcher von den Goͤttinnen zu einem Schidsmann erwehlet worden/ daß er ſagen ſolte welche die ſchoͤnſte? Hat er ſolches Lob der Liebs-Goͤttin gegeben) heut zu Tage das Urtheil ſprechen ſolte/ duͤrffte er wol der Junoni, welche die Goͤt- tinne deß Reichthumbs ſolchen Außſpruch zulegen. Dann/ was iſt die Liebe ohne Geld und Gut? Wir halten offtermalen die praͤchti- gen groſſen Handelsleute und Wechsler vor reich/ aber die opinion falliret, dann man nicht wiſſen kan/ ob der reich oder arm/ der ſeinen Reichthumb dem ungetreuen Meer vertrauen muß. Corydon wird auß einem Kauffmann ein Cavallier und Edelmann/ zu dem Ende/ daß er nur deſtomehr Platz/ Gunſten und affection bey den Damen habe und erlange. Aber lieber Corydon weit weit gefehlet! dann die Liebſte mehr ſich als dich dardurch liebet. Das wanckelmuͤtige Gluͤck hat keinen Menſchen ſo gar ohne Tuͤcke geliebet und geſchmeichelt/ weder Moſi/ noch David/ noch Salomon. Wann wir ein wenig zu- ruͤck und in die alten Zeiten ſehen/ werden wir befinden/ daß keiner je- malen ſo witzig/ ſo verſtaͤndig und ſo geſchicklich geweſen/ deme es nicht je zuweilen gefehlet/ oder deme es nicht bißweilen an gutem er- wuͤnſchtem Außgang ſeiner Sachen gemangelt. Wer da glauben wolte/ daß der ſo einen in Widerwertigkeit verlaͤſſet/ jemals ſein Freund geweſen ſeye/ wird von der vorgeſchoͤpfften Meynunge be- trogen; dann rechter ungefaͤrbter Liebe iſt kein Ende. Ein traurig Ge- muͤthe haͤlt allezeit ſein Ungluͤck fuͤr das alleraͤrgſte/ wird aber von der opinion betrogen. Wann man die Gluͤckſeligen und die Reichen außſondern wolte/ wuͤrde der arme ſich gleichſam troͤſten/ und neue Gemuͤthskrafft uͤberkommen/ und kan keiner arm oder muͤhſelig ſeyn/ er vergleiche und halte ſich gegen anderer ihrem Zuſtand/ da er befin- den wird/ daß noch immer welche die elender und geringer ſind/ und ob auch einer ihme einbilden wolte/ daß er durch traurig betruͤbte Ge- dancken ſeinem kuͤnfftigen Zuſtand helffen wolte/ wird ſich weit irrend und betrogen finden/ dann iſt dein Zuſtand rechtmeſſig/ iſt die Furcht vergeblich/ iſt er unrechtmaͤſſig und unzulaͤſſig/ wuͤrdeſt du dir nur das Ungluͤck ſchwerer und verdoppelt machen. Die Jugend bildet ihr offters ein/ daß ſie in Rathſchlaͤgen dem alten weit vorgehe/ aber von der Einbildung betrogen. Senatus wird geſagt von Alterthumb: ohne Witz und Verſtand der Alten kan kein Rahthauß noch Regi- ment beſtehen. Die Jugend hat die Staͤrcke/ Krafft und Leibes Ver- moͤgen:

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/567>, abgerufen am 22.11.2024.