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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Sendschreiben.
dern Stylum führe. Die bißhero außgangene Tractätlein/ sind nicht
Theologische/ sondern Politische Schrifften/ drumb habe ich auch ei-
nen Politischen Stylum darein geführt. Wer wil einen Schwaben
verdammen/ wann er in Holland lang gelebet/ und zu einem Hollän-
der kompt/ und nicht Schwäbisch/ sondern Holländisch mit ihm redet?
Paulus sagt 1. Cor. 9. Er sey jederman allerley Worten/ damit er etz-
liche selig mache. Jch habe offt bey grossen Herrn mit einer Schertz-
Rede mehr außgerichtet/ als ihre Catones mit ihrem grossen Ernst/
mit ihrem hohen Amptsgesicht. Jch war einsmals bey einem vor-
nehmen Fürsten bey der Tafel. Der Fürst war von einem Königli-
chen Gemüth/ und hohen Verstand. Wann sein Glück so groß gewe-
sen wäre als sein Gemüth/ wolt ich keinen bessern Herrn in Europa
gesucht haben/ dem ich lieber hätte dienen wollen als ihm: Er sasse
damals bey der Tafel in tieffen Gedancken/ und wolte nicht Essen
und Trincken. Jch wuste auß der Erfahrung/ daß wann er Grillen im
Kopff habe/ pflegt er eine Kurtz weil anzustellen. Er hatte einen
unter seinen Unterthanen/ welcher ein deutscher Poet war/
und unterweilens nach Hoff kame/ ein Carmen praesentirte,
und bey der Tafel auffwartete. Damals stunde er bey der Tafel/ und
hatte einen armseligen Bart/ der stunde wie der armen Leut Korn
in den Gerstländern. Der Fürst sahe ihn an/ und sagte/ Herr Johan-
nes
was sol ich euch für euren Bart geben? Jch will euch zehen Rtha-
ler dafür geben. Herr Johannes antwortete/ Gnädiger Fürst und
Herr/ ich wolte ihn nicht verkauffen/ und wann E. Fürstl. Gnad: mir
wolten 100. Reichsthaler dafür geben. Der Fürst sagte ich will euch
20. Reichsthaler geben. Herr Johannes antwortete/ ich wolte mich
noch besinnen/ ob ich 200. Reichsthaler dafür nehmen wolle/ daß
ich mir ihn solte abscheren lassen. Der Fürst sagte/ hört doch was das
für ein hoffärtiger Esel sey? Und sagte darauff zu einem Edel-Page/
du gehe hin zu dem Bartputzer/ und sage er soll zu mir kommen.

Als Herr Johannes hörete/ daß der Bartputzer kommen sol-
le/ da gieng es ihm wie jenem Edelmann in N. welcher seine
Schwester fragte/ wie gehet es doch unserm krancken Schwager?
die Schwester sagte/ wie sol es ihm gehen? Herr Heinrich ist heute
bey ihm gewesen/ und hat ihm das Heilige Abendmal gereicht. O
sagte der Edelmann/ ist Herr Heinrich bey ihm gewesen/ so wolt
ich ihm nicht einen Sechsling für fein Leben geben. Herr Johan-
nes meinte auch weil der Bartputzer kommen solle/ so habe
sein Bart die letzte Oehlung/ rieffe mir demnach zu und sagte/ O D.
Schupp. ich habe vermeint ihr seyd ein Theologus/ ein eifferiger
Prediger. Aber ich sehe wol ihr seyd ein rechter Fuchsschwäntzer/

ein
Q q

Sendſchreiben.
dern Stylum fuͤhre. Die bißhero außgangene Tractaͤtlein/ ſind nicht
Theologiſche/ ſondern Politiſche Schrifften/ drumb habe ich auch ei-
nen Politiſchen Stylum darein gefuͤhrt. Wer wil einen Schwaben
verdammen/ wann er in Holland lang gelebet/ und zu einem Hollaͤn-
der kompt/ und nicht Schwaͤbiſch/ ſondern Hollaͤndiſch mit ihm redet?
Paulus ſagt 1. Cor. 9. Er ſey jederman allerley Worten/ damit er etz-
liche ſelig mache. Jch habe offt bey groſſen Herꝛn mit einer Schertz-
Rede mehr außgerichtet/ als ihre Catones mit ihrem groſſen Ernſt/
mit ihrem hohen Amptsgeſicht. Jch war einsmals bey einem vor-
nehmen Fuͤrſten bey der Tafel. Der Fuͤrſt war von einem Koͤnigli-
chen Gemuͤth/ und hohen Verſtand. Wann ſein Gluͤck ſo groß gewe-
ſen waͤre als ſein Gemuͤth/ wolt ich keinen beſſern Herꝛn in Europa
geſucht haben/ dem ich lieber haͤtte dienen wollen als ihm: Er ſaſſe
damals bey der Tafel in tieffen Gedancken/ und wolte nicht Eſſen
und Trincken. Jch wuſte auß der Erfahrung/ daß wann er Grillen im
Kopff habe/ pflegt er eine Kurtz weil anzuſtellen. Er hatte einen
unter ſeinen Unterthanen/ welcher ein deutſcher Poet war/
und unterweilens nach Hoff kame/ ein Carmen præſentirte,
und bey der Tafel auffwartete. Damals ſtunde er bey der Tafel/ und
hatte einen armſeligen Bart/ der ſtunde wie der armen Leut Korn
in den Gerſtlaͤndern. Der Fuͤrſt ſahe ihn an/ und ſagte/ Herꝛ Johan-
nes
was ſol ich euch fuͤr euren Bart geben? Jch will euch zehen Rtha-
ler dafuͤr geben. Herꝛ Johannes antwortete/ Gnaͤdiger Fuͤrſt und
Herꝛ/ ich wolte ihn nicht verkauffen/ und wann E. Fuͤrſtl. Gnad: mir
wolten 100. Reichsthaler dafuͤr geben. Der Fuͤrſt ſagte ich will euch
20. Reichsthaler geben. Herꝛ Johannes antwortete/ ich wolte mich
noch beſinnen/ ob ich 200. Reichsthaler dafuͤr nehmen wolle/ daß
ich mir ihn ſolte abſcheren laſſen. Der Fuͤrſt ſagte/ hoͤrt doch was das
fuͤr ein hoffaͤrtiger Eſel ſey? Und ſagte darauff zu einem Edel-Page/
du gehe hin zu dem Bartputzer/ und ſage er ſoll zu mir kommen.

Als Herꝛ Johannes hoͤrete/ daß der Bartputzer kommen ſol-
le/ da gieng es ihm wie jenem Edelmann in N. welcher ſeine
Schweſter fragte/ wie gehet es doch unſerm krancken Schwager?
die Schweſter ſagte/ wie ſol es ihm gehen? Herꝛ Heinrich iſt heute
bey ihm geweſen/ und hat ihm das Heilige Abendmal gereicht. O
ſagte der Edelmann/ iſt Herꝛ Heinrich bey ihm geweſen/ ſo wolt
ich ihm nicht einen Sechsling fuͤr fein Leben geben. Herꝛ Johan-
nes meinte auch weil der Bartputzer kommen ſolle/ ſo habe
ſein Bart die letzte Oehlung/ rieffe mir demnach zu und ſagte/ O D.
Schupp. ich habe vermeint ihr ſeyd ein Theologus/ ein eifferiger
Prediger. Aber ich ſehe wol ihr ſeyd ein rechter Fuchsſchwaͤntzer/

ein
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[609/0651] Sendſchreiben. dern Stylum fuͤhre. Die bißhero außgangene Tractaͤtlein/ ſind nicht Theologiſche/ ſondern Politiſche Schrifften/ drumb habe ich auch ei- nen Politiſchen Stylum darein gefuͤhrt. Wer wil einen Schwaben verdammen/ wann er in Holland lang gelebet/ und zu einem Hollaͤn- der kompt/ und nicht Schwaͤbiſch/ ſondern Hollaͤndiſch mit ihm redet? Paulus ſagt 1. Cor. 9. Er ſey jederman allerley Worten/ damit er etz- liche ſelig mache. Jch habe offt bey groſſen Herꝛn mit einer Schertz- Rede mehr außgerichtet/ als ihre Catones mit ihrem groſſen Ernſt/ mit ihrem hohen Amptsgeſicht. Jch war einsmals bey einem vor- nehmen Fuͤrſten bey der Tafel. Der Fuͤrſt war von einem Koͤnigli- chen Gemuͤth/ und hohen Verſtand. Wann ſein Gluͤck ſo groß gewe- ſen waͤre als ſein Gemuͤth/ wolt ich keinen beſſern Herꝛn in Europa geſucht haben/ dem ich lieber haͤtte dienen wollen als ihm: Er ſaſſe damals bey der Tafel in tieffen Gedancken/ und wolte nicht Eſſen und Trincken. Jch wuſte auß der Erfahrung/ daß wann er Grillen im Kopff habe/ pflegt er eine Kurtz weil anzuſtellen. Er hatte einen unter ſeinen Unterthanen/ welcher ein deutſcher Poet war/ und unterweilens nach Hoff kame/ ein Carmen præſentirte, und bey der Tafel auffwartete. Damals ſtunde er bey der Tafel/ und hatte einen armſeligen Bart/ der ſtunde wie der armen Leut Korn in den Gerſtlaͤndern. Der Fuͤrſt ſahe ihn an/ und ſagte/ Herꝛ Johan- nes was ſol ich euch fuͤr euren Bart geben? Jch will euch zehen Rtha- ler dafuͤr geben. Herꝛ Johannes antwortete/ Gnaͤdiger Fuͤrſt und Herꝛ/ ich wolte ihn nicht verkauffen/ und wann E. Fuͤrſtl. Gnad: mir wolten 100. Reichsthaler dafuͤr geben. Der Fuͤrſt ſagte ich will euch 20. Reichsthaler geben. Herꝛ Johannes antwortete/ ich wolte mich noch beſinnen/ ob ich 200. Reichsthaler dafuͤr nehmen wolle/ daß ich mir ihn ſolte abſcheren laſſen. Der Fuͤrſt ſagte/ hoͤrt doch was das fuͤr ein hoffaͤrtiger Eſel ſey? Und ſagte darauff zu einem Edel-Page/ du gehe hin zu dem Bartputzer/ und ſage er ſoll zu mir kommen. Als Herꝛ Johannes hoͤrete/ daß der Bartputzer kommen ſol- le/ da gieng es ihm wie jenem Edelmann in N. welcher ſeine Schweſter fragte/ wie gehet es doch unſerm krancken Schwager? die Schweſter ſagte/ wie ſol es ihm gehen? Herꝛ Heinrich iſt heute bey ihm geweſen/ und hat ihm das Heilige Abendmal gereicht. O ſagte der Edelmann/ iſt Herꝛ Heinrich bey ihm geweſen/ ſo wolt ich ihm nicht einen Sechsling fuͤr fein Leben geben. Herꝛ Johan- nes meinte auch weil der Bartputzer kommen ſolle/ ſo habe ſein Bart die letzte Oehlung/ rieffe mir demnach zu und ſagte/ O D. Schupp. ich habe vermeint ihr ſeyd ein Theologus/ ein eifferiger Prediger. Aber ich ſehe wol ihr ſeyd ein rechter Fuchsſchwaͤntzer/ ein Q q

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/651>, abgerufen am 22.11.2024.