Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Dissertatio, gelobt/ der Natur nicht viel schuldig verblieben. Es ist fürwar einWunderding/ daß der jenige Theil eines Oratoris oder Redners/ welcher nicht über die Hülsen eingehet/ und vielmehr eines Gauck- lers Tugend ist/ als eines Oratoris, in ein so fürtreffliches Ort (nemlichen der Invention, der Elocution und anderer Sachen mehr) erhöht: Ja als wann er der fürnehmste Theil were/ gleichsam allein gelobt werde. Aber die Ursach ist bald gesagt. Dann die mensch- liche Natur hat mehr närrisches als weises in sich. Dahero die jenige Verrichtungen/ mit welchen der jenige närrische Theil in den Ge- müthern der Menschen eingenommen wird/ seyn die allermächtig- sten; und warlich/ wann einer nach so vielen Schäden mich befragte/ was in den Bürgerlichen Geschäfften das erste seye? wolt ich spre- chen/ Audacia, die Keckheit. Was das ander? Audacia, die Keck- heit. Was das dritte? Audacia, die Keckheit. Dann ich bekenne daß der Unwissenheit und verachtsamen Köpff Töchter/ zum meisten die Keckheit seye/ und den andern Theilen der bürgerlichen Wissenschafft weit unterworffen. Aber es sascinirt und fanget die jenige/ welche ein schlechtes Judicium haben/ oder am Gemüth forchtsam seyn. Und dergleichen ist der gröste Theil der Menschen. Was? es thuts offt den Weisesten selbst/ wann sie das Hertz verlieren/ Gewalt an. Dahero wage/ wage etwas/ O Bruder: Audaces Fortuna juvat, timidosque repellit. Fortuna thut den Kecken helffen/ etc. Es ware hier gegen der treue Eckardus, welcher hörend daß deß Fa- Tugend
Diſſertatio, gelobt/ der Natur nicht viel ſchuldig verblieben. Es iſt fuͤrwar einWunderding/ daß der jenige Theil eines Oratoris oder Redners/ welcher nicht uͤber die Huͤlſen eingehet/ und vielmehr eines Gauck- lers Tugend iſt/ als eines Oratoris, in ein ſo fuͤrtreffliches Ort (nemlichen der Invention, der Elocution und anderer Sachen mehr) erhoͤht: Ja als wann er der fuͤrnehmſte Theil were/ gleichſam allein gelobt werde. Aber die Urſach iſt bald geſagt. Dann die menſch- liche Natur hat mehr naͤrꝛiſches als weiſes in ſich. Dahero die jenige Verꝛichtungen/ mit welchen der jenige naͤrꝛiſche Theil in den Ge- muͤthern der Menſchen eingenommen wird/ ſeyn die allermaͤchtig- ſten; und warlich/ wann einer nach ſo vielen Schaͤden mich befragte/ was in den Buͤrgerlichen Geſchaͤfften das erſte ſeye? wolt ich ſpre- chen/ Audacia, die Keckheit. Was das ander? Audacia, die Keck- heit. Was das dritte? Audacia, die Keckheit. Dann ich bekenne daß der Unwiſſenheit und verachtſamen Koͤpff Toͤchter/ zum meiſten die Keckheit ſeye/ und den andern Theilen der buͤrgerlichen Wiſſenſchafft weit unterworffen. Aber es ſaſcinirt und fanget die jenige/ welche ein ſchlechtes Judicium haben/ oder am Gemuͤth forchtſam ſeyn. Und dergleichen iſt der groͤſte Theil der Menſchen. Was? es thuts offt den Weiſeſten ſelbſt/ wann ſie das Hertz verlieren/ Gewalt an. Dahero wage/ wage etwas/ O Bruder: Audaces Fortuna juvat, timidosque repellit. Fortuna thut den Kecken helffen/ ꝛc. Es ware hier gegen der treue Eckardus, welcher hoͤrend daß deß Fa- Tugend
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Diſſertatio,
gelobt/ der Natur nicht viel ſchuldig verblieben. Es iſt fuͤrwar ein
Wunderding/ daß der jenige Theil eines Oratoris oder Redners/
welcher nicht uͤber die Huͤlſen eingehet/ und vielmehr eines Gauck-
lers Tugend iſt/ als eines Oratoris, in ein ſo fuͤrtreffliches Ort
(nemlichen der Invention, der Elocution und anderer Sachen
mehr) erhoͤht: Ja als wann er der fuͤrnehmſte Theil were/ gleichſam
allein gelobt werde. Aber die Urſach iſt bald geſagt. Dann die menſch-
liche Natur hat mehr naͤrꝛiſches als weiſes in ſich. Dahero die jenige
Verꝛichtungen/ mit welchen der jenige naͤrꝛiſche Theil in den Ge-
muͤthern der Menſchen eingenommen wird/ ſeyn die allermaͤchtig-
ſten; und warlich/ wann einer nach ſo vielen Schaͤden mich befragte/
was in den Buͤrgerlichen Geſchaͤfften das erſte ſeye? wolt ich ſpre-
chen/ Audacia, die Keckheit. Was das ander? Audacia, die Keck-
heit. Was das dritte? Audacia, die Keckheit. Dann ich bekenne daß
der Unwiſſenheit und verachtſamen Koͤpff Toͤchter/ zum meiſten die
Keckheit ſeye/ und den andern Theilen der buͤrgerlichen Wiſſenſchafft
weit unterworffen. Aber es ſaſcinirt und fanget die jenige/ welche
ein ſchlechtes Judicium haben/ oder am Gemuͤth forchtſam ſeyn.
Und dergleichen iſt der groͤſte Theil der Menſchen. Was? es thuts
offt den Weiſeſten ſelbſt/ wann ſie das Hertz verlieren/ Gewalt an.
Dahero wage/ wage etwas/ O Bruder:
Audaces Fortuna juvat, timidosque repellit.
Fortuna thut den Kecken helffen/ ꝛc.
Es ware hier gegen der treue Eckardus, welcher hoͤrend daß deß Fa-
bii Cunctatoris Bruder/ dem Bacono befohlen werde/ hat alſo-
bald auch ſeine arme Bruͤder/ welche durch (zwar verderbter) Lieb der
Tugend/ auß Reichen Arme gemacht waren worden/ auffs beſte
commendirt. Der erſte zwar/ ſprach er/ iſt zu grund gangen/ weiln
er gar zu gut war. Zu gut/ nenne ich den jenigen affect, welcher der
Nutzen der Menſchen ſich befleiſſet/ und wol will. Die Griechen nen-
nen es Philantropiam oder Menſchenlieb. Das Woͤrtlein der
Freundligkeit/ wie es das Poͤfel braucht/ iſt ein wenig zu gering und
ſchlecht/ als daß es den Gewalt dieſes affects exprimire. Jenige
Politiſche Guͤtigkeit/ kompt mit der Theologiſchen Tugend der Lieb
uͤbereins/ und nimbt zwar kein Abgang/ leydet doch ein Jrꝛung. Jch
bin ingedenck daß ich uff ein Zeit auß dem Mund eines groſſen Theo-
logi gehoͤrt habe: Die gar zu hefftige Begierd der Macht/ habe die
Engel vom Himmel geſtoſſen. Die unzimliche Begierd der Wiſſen-
ſchafft/ habe den Menſchen auß dem Paradeis vertrieben. Aber in
der Guͤte und Liebe koͤnne nicht gefehlet werden/ und ſeye deſſentwe-
gen weder ein Engel noch Menſch in Gefahr gerathen. Wann aber
ich mit den Politiſchen ſoll zu thun haben/ ſiege ich/ daß auch dieſe
Tugend
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