Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Von der Kunst reich zu werden. will ich mit Gottes Segen/ zu einer andern Zeit und Ort länger reden.Dieses ist aber das ewige Leben/ uff daß sie dich allein erkennen Gott/ und/ welchen du gesand hast/ JEsum Christum. Aber/ so lang du in dieser Welt wol begehrest zu leben/ ist vonnöhten/ daß du auch die Welt lernest erkennen/ und dich selbst. Jn der Welt seyn zubetrach- ten die Sachen/ Würckungen und Personen. Diese Sachen exami- nire, ob/ und wo sie nutzlich seyn mögen/ in Privat- oder offentlichen Geschäfften? Da werden dir viel Sachen vorkommen/ welche deiner Haußhaltung können nutzen. Und da rahte ich/ daß man solle mit In- geniosischen Handwercksleuten Freundschafft machen. Von den Würckungen/ würdest du leichtlich judiciren, wann du die Personen und End der Werck wirst kennen. Damit du aber lernest die Personen erkennen/ wäre das Fenster gut/ welches der Comoedispieler erfor- dert hat. Dann als er in dem Gebäw des menschlichen Hertzens so viel Winckel/ so viel heimliche Gäng ersehen hätte/ hat Er vermerckt daß ein Fenster abgehe/ durch welches einer in selbige finstere und La- byrinthische Gäng hinein sehen möchte. Daß aber dieses Fenster ein Weiser erlangen möge/ ist uns ein Berg darfür/ Salomon/ welcher sagt: Der Raht in dem Hertzen eines Manns/ ist wie ein tieffes Wasser. Aber ein verständiger Mann wird dassel- bige außtrincken. Das aber kan auff 4. Weise beschehen. I. Durch das Gesicht und Mund der Menschen. Da gilt die II. Die Menschen kanst du auß den Worten erkennen/ welche auß- III. Ein gar gewisser Schlüssel die Gemühter der Menschen die
Von der Kunſt reich zu werden. will ich mit Gottes Segen/ zu einer andern Zeit und Ort laͤnger reden.Dieſes iſt aber das ewige Leben/ uff daß ſie dich allein erkennen Gott/ und/ welchen du geſand haſt/ JEſum Chriſtum. Aber/ ſo lang du in dieſer Welt wol begehreſt zu leben/ iſt vonnoͤhten/ daß du auch die Welt lerneſt erkennen/ und dich ſelbſt. Jn der Welt ſeyn zubetrach- ten die Sachen/ Wuͤrckungen und Perſonen. Dieſe Sachen exami- nire, ob/ und wo ſie nutzlich ſeyn moͤgen/ in Privat- oder offentlichen Geſchaͤfften? Da werden dir viel Sachen vorkommen/ welche deiner Haußhaltung koͤnnen nutzen. Und da rahte ich/ daß man ſolle mit In- genioſiſchen Handwercksleuten Freundſchafft machen. Von den Wuͤrckungen/ wuͤrdeſt du leichtlich judiciren, wann du die Perſonen und End der Werck wirſt kennen. Damit du aber lerneſt die Perſonen erkennen/ waͤre das Fenſter gut/ welches der Comœdiſpieler erfor- dert hat. Dann als er in dem Gebaͤw des menſchlichen Hertzens ſo viel Winckel/ ſo viel heimliche Gaͤng erſehen haͤtte/ hat Er vermerckt daß ein Fenſter abgehe/ durch welches einer in ſelbige finſtere und La- byrinthiſche Gaͤng hinein ſehen moͤchte. Daß aber dieſes Fenſter ein Weiſer erlangen moͤge/ iſt uns ein Berg darfuͤr/ Salomon/ welcher ſagt: Der Raht in dem Hertzen eines Manns/ iſt wie ein tieffes Waſſer. Aber ein verſtaͤndiger Mann wird daſſel- bige außtrincken. Das aber kan auff 4. Weiſe beſchehen. I. Durch das Geſicht und Mund der Menſchen. Da gilt die II. Die Menſchen kanſt du auß den Worten erkennen/ welche auß- III. Ein gar gewiſſer Schluͤſſel die Gemuͤhter der Menſchen die
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Von der Kunſt reich zu werden.
will ich mit Gottes Segen/ zu einer andern Zeit und Ort laͤnger reden.
Dieſes iſt aber das ewige Leben/ uff daß ſie dich allein erkennen Gott/
und/ welchen du geſand haſt/ JEſum Chriſtum. Aber/ ſo lang du in
dieſer Welt wol begehreſt zu leben/ iſt vonnoͤhten/ daß du auch die
Welt lerneſt erkennen/ und dich ſelbſt. Jn der Welt ſeyn zubetrach-
ten die Sachen/ Wuͤrckungen und Perſonen. Dieſe Sachen exami-
nire, ob/ und wo ſie nutzlich ſeyn moͤgen/ in Privat- oder offentlichen
Geſchaͤfften? Da werden dir viel Sachen vorkommen/ welche deiner
Haußhaltung koͤnnen nutzen. Und da rahte ich/ daß man ſolle mit In-
genioſiſchen Handwercksleuten Freundſchafft machen. Von den
Wuͤrckungen/ wuͤrdeſt du leichtlich judiciren, wann du die Perſonen
und End der Werck wirſt kennen. Damit du aber lerneſt die Perſonen
erkennen/ waͤre das Fenſter gut/ welches der Comœdiſpieler erfor-
dert hat. Dann als er in dem Gebaͤw des menſchlichen Hertzens ſo
viel Winckel/ ſo viel heimliche Gaͤng erſehen haͤtte/ hat Er vermerckt
daß ein Fenſter abgehe/ durch welches einer in ſelbige finſtere und La-
byrinthiſche Gaͤng hinein ſehen moͤchte. Daß aber dieſes Fenſter ein
Weiſer erlangen moͤge/ iſt uns ein Berg darfuͤr/ Salomon/ welcher
ſagt: Der Raht in dem Hertzen eines Manns/ iſt wie ein
tieffes Waſſer. Aber ein verſtaͤndiger Mann wird daſſel-
bige außtrincken. Das aber kan auff 4. Weiſe beſchehen.
I. Durch das Geſicht und Mund der Menſchen. Da gilt die
Phyſiognomia viel/ ſagen andere was ſie wollen. Aber es bewegt
mich das alte Sprichwort nicht: Der Stirnen iſt nicht zu glauben.
Dann wiewol eben dieſes nicht unrecht geſagt iſt worden/ von des
Angeſichts und der Geberd euſſerlichen und gemeinen compoſi-
tion, So ſeyn doch etlich ſubtilere Bewegungen und Arbeiten dahin-
der/ als der Augen/ des Munds/ des Geſichts und Gebaͤrden/ auß wel-
chen gebracht wird/ und gleichſam offen ſtehet ein Thuͤr des Gemuͤts.
II. Die Menſchen kanſt du auß den Worten erkennen/ welche auß-
fallẽ/ im Wein/ Zorn/ oder andeꝛm perturbirten affect des Gemuͤts.
Du wirſt wenig finden welche gegen ihren Geheimnuſſen ſo trew
ſeyn/ und ein ſo verbeintes Gemuͤht tragen/ daß ſie nicht unterweilen
auß Zorn/ unterweil auß Hoffart/ bißweilen auß innerſter Gutwil-
ligkeit gegen einem Freund/ unterweilen auß Schwachheit des Ge-
muͤts/ oder auß anderm affect, die innerſten Gedancken des Gemuͤts
reveliren oder communiciren. Die Spanier ſeyn in dieſem Fall
wunderliche Kuͤnſtler/ welche ein ſimulation mit der andern vertrei-
ben/ und diß boͤſe Sprichwort halten: Sage ein Luͤgen/ und du wirſt
die Warheit ergruͤnden.
III. Ein gar gewiſſer Schluͤſſel die Gemuͤhter der Menſchen
zu eroͤffnen/ iſt derſelben Ingenia und Natur/ Zihl und Intention
zuergriblen und zuerkennen/ Die Einfaͤltigen auß den Ingeniis,
die
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