Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Von der Kunst reich zu werden. in welchen wir leben. Wann du verständig bist/ ja daß du verständigwerdest/ in beeden auß diesen Spiegeln besichtige dich täglich/ und stelle deiner selbsten ein fleissiges Examen an/ nicht wie es eines zu- viel liebenden pflegt zu seyn. Fürwar grosse Männer/ welche in schlipferige höche der Höfe und gemeinen Sachen gesetzt seyn/ seyn eben dißfals eines Mitleidens mehr/ als des Neids/ würdig/ weil sie diesen Spiegel nicht wissen zugebrauchen. Sie seyn von anderer Schmeichlung glückselig/ das Gewissen aber bezeugt offt das Wider- spiel. Sie empfinden ihre Schmertzen zum allerersten/ ihre Verbre- chen aber zu allerletzten. Jn dem sie mit Geschäfften distrahirt seyn/ in dem sie an Zeit manglen/ zu welcher sie der Gesundheit des Leibs/ oder der Seel Rahtpflegen solten/ seyn sie ihnen selbst unbekandt. Aber Illi mors gravis incubat, Damit derowegen dich selbst erkennen lernest/ sihe alle Tag den dacht
Von der Kunſt reich zu werden. in welchen wir leben. Wann du verſtaͤndig biſt/ ja daß du verſtaͤndigwerdeſt/ in beeden auß dieſen Spiegeln beſichtige dich taͤglich/ und ſtelle deiner ſelbſten ein fleiſſiges Examen an/ nicht wie es eines zu- viel liebenden pflegt zu ſeyn. Fuͤrwar groſſe Maͤnner/ welche in ſchlipferige hoͤche der Hoͤfe und gemeinen Sachen geſetzt ſeyn/ ſeyn eben dißfals eines Mitleidens mehr/ als des Neids/ wuͤrdig/ weil ſie dieſen Spiegel nicht wiſſen zugebrauchen. Sie ſeyn von anderer Schmeichlung gluͤckſelig/ das Gewiſſen aber bezeugt offt das Wider- ſpiel. Sie empfinden ihre Schmertzen zum allererſten/ ihre Verbre- chen aber zu allerletzten. Jn dem ſie mit Geſchaͤfften diſtrahirt ſeyn/ in dem ſie an Zeit manglen/ zu welcher ſie der Geſundheit des Leibs/ oder der Seel Rahtpflegen ſolten/ ſeyn ſie ihnen ſelbſt unbekandt. Aber Illi mors gravis incubat, Damit derowegen dich ſelbſt erkennen lerneſt/ ſihe alle Tag den dacht
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0807" n="765"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Kunſt reich zu werden.</hi></fw><lb/> in welchen wir leben. Wann du verſtaͤndig biſt/ ja daß du verſtaͤndig<lb/> werdeſt/ in beeden auß dieſen Spiegeln beſichtige dich taͤglich/ und<lb/> ſtelle deiner ſelbſten ein fleiſſiges <hi rendition="#aq">Examen</hi> an/ nicht wie es eines zu-<lb/> viel liebenden pflegt zu ſeyn. Fuͤrwar groſſe Maͤnner/ welche in<lb/> ſchlipferige hoͤche der Hoͤfe und gemeinen Sachen geſetzt ſeyn/ ſeyn<lb/> eben dißfals eines Mitleidens mehr/ als des Neids/ wuͤrdig/ weil ſie<lb/> dieſen Spiegel nicht wiſſen zugebrauchen. Sie ſeyn von anderer<lb/> Schmeichlung gluͤckſelig/ das Gewiſſen aber bezeugt offt das Wider-<lb/> ſpiel. Sie empfinden ihre Schmertzen zum allererſten/ ihre Verbre-<lb/> chen aber zu allerletzten. Jn dem ſie mit Geſchaͤfften <hi rendition="#aq">diſtrahirt</hi> ſeyn/<lb/> in dem ſie an Zeit manglen/ zu welcher ſie der Geſundheit des Leibs/<lb/> oder der Seel Rahtpflegen ſolten/ ſeyn ſie ihnen ſelbſt unbekandt.<lb/> Aber</p><lb/> <cit> <quote> <hi rendition="#aq">Illi mors gravis incubat,<lb/> Qui notus nimis omnibus,<lb/> Ignotus moritur ſibi.</hi> </quote> </cit><lb/> <p>Damit derowegen dich ſelbſt erkennen lerneſt/ ſihe alle Tag den<lb/> Theologiſchen und Politiſchen Spiegel an. Wie du ſolleſt beede die-<lb/> ſe Spiegel verſtaͤndig brauchen/ will ich anderſtwo weiter ſagen. Jn<lb/> dem Theologiſchen Spiegel/ wuͤrdeſt du ſehen daß du ein umb ge-<lb/> kehrter <hi rendition="#aq">Decalogus</hi> (oder Verzeichnus der 10. Gebot) biſt/ und Chri-<lb/> ſtus zwar dein Heiligmacher iſt/ aber Moſes dein Klaͤger/ und daß<lb/> Gott nicht allein barmhertzig/ ſondern auch gerecht iſt. Liſe das dicke<lb/><hi rendition="#aq">Noſce Teipſum,</hi> und lebe darnach/ ſo wirſt du gewiß ein Kind der<lb/> Seligkeit. Jn dem Politiſchen Spiegel dich erſehend/ unter anderm<lb/> betrachte fleiſſig/ wie die Ort und Zeiten/ in welchen du lebeſt/ deiner<lb/> Natur bekommen? wie du dich habeſt verhalten gegen deines gleichen<lb/> und allen Menſchen? Letzlich huͤte dich vor den Exempeln/ und ſchicke<lb/> dich nicht naͤrꝛiſch zu anderer nachfolg? als wann/ was anderen iſt<lb/> durchgehend geweſen/ dir auch nothwendig offen ſtehe. Aber erachte<lb/> was vielleicht fuͤr ein Unterſchied iſt unter deinem/ und der jenigen<lb/> ſo du wilt nachfolgen/ Verſtand und Sitten? Der <hi rendition="#aq">Pompejus</hi> iſt Au-<lb/> genſcheinlich in dieſen Faͤhler gefallen/ welcher/ wie <hi rendition="#aq">Cicero</hi> geſchrie-<lb/> ben hinterlaſſen/ offt gepflegt zu ſagen: <hi rendition="#aq">Sylla</hi> hats gekoͤnt/ Jch werde<lb/> es nicht koͤnnen? Aber in dieſer Sach hat ſich der <hi rendition="#aq">Pompejus</hi> gar faſt<lb/> betrogen. Dann des <hi rendition="#aq">Syllæ Ingenium</hi> und Weiß zu handlen/ waren<lb/> in des <hi rendition="#aq">Pompeji</hi> Sitten/ wie Himmel und Erden von einander. Dañ<lb/> der <hi rendition="#aq">Sylla</hi> war wild/ und gew althaͤtig/ und triebe die Sach in al-<lb/> len/ <hi rendition="#aq">Pompejus</hi> aber <hi rendition="#aq">gravi</hi>taͤtiſch und der Geſetz ingedenck/ welcher<lb/> alles zum Anſehen und guten Geſchrey richtete/ dahero ware er weit<lb/> weniger <hi rendition="#aq">Sufficient</hi> und maͤchtig/ das jenige zuverꝛichten/ was er ge-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">dacht</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [765/0807]
Von der Kunſt reich zu werden.
in welchen wir leben. Wann du verſtaͤndig biſt/ ja daß du verſtaͤndig
werdeſt/ in beeden auß dieſen Spiegeln beſichtige dich taͤglich/ und
ſtelle deiner ſelbſten ein fleiſſiges Examen an/ nicht wie es eines zu-
viel liebenden pflegt zu ſeyn. Fuͤrwar groſſe Maͤnner/ welche in
ſchlipferige hoͤche der Hoͤfe und gemeinen Sachen geſetzt ſeyn/ ſeyn
eben dißfals eines Mitleidens mehr/ als des Neids/ wuͤrdig/ weil ſie
dieſen Spiegel nicht wiſſen zugebrauchen. Sie ſeyn von anderer
Schmeichlung gluͤckſelig/ das Gewiſſen aber bezeugt offt das Wider-
ſpiel. Sie empfinden ihre Schmertzen zum allererſten/ ihre Verbre-
chen aber zu allerletzten. Jn dem ſie mit Geſchaͤfften diſtrahirt ſeyn/
in dem ſie an Zeit manglen/ zu welcher ſie der Geſundheit des Leibs/
oder der Seel Rahtpflegen ſolten/ ſeyn ſie ihnen ſelbſt unbekandt.
Aber
Illi mors gravis incubat,
Qui notus nimis omnibus,
Ignotus moritur ſibi.
Damit derowegen dich ſelbſt erkennen lerneſt/ ſihe alle Tag den
Theologiſchen und Politiſchen Spiegel an. Wie du ſolleſt beede die-
ſe Spiegel verſtaͤndig brauchen/ will ich anderſtwo weiter ſagen. Jn
dem Theologiſchen Spiegel/ wuͤrdeſt du ſehen daß du ein umb ge-
kehrter Decalogus (oder Verzeichnus der 10. Gebot) biſt/ und Chri-
ſtus zwar dein Heiligmacher iſt/ aber Moſes dein Klaͤger/ und daß
Gott nicht allein barmhertzig/ ſondern auch gerecht iſt. Liſe das dicke
Noſce Teipſum, und lebe darnach/ ſo wirſt du gewiß ein Kind der
Seligkeit. Jn dem Politiſchen Spiegel dich erſehend/ unter anderm
betrachte fleiſſig/ wie die Ort und Zeiten/ in welchen du lebeſt/ deiner
Natur bekommen? wie du dich habeſt verhalten gegen deines gleichen
und allen Menſchen? Letzlich huͤte dich vor den Exempeln/ und ſchicke
dich nicht naͤrꝛiſch zu anderer nachfolg? als wann/ was anderen iſt
durchgehend geweſen/ dir auch nothwendig offen ſtehe. Aber erachte
was vielleicht fuͤr ein Unterſchied iſt unter deinem/ und der jenigen
ſo du wilt nachfolgen/ Verſtand und Sitten? Der Pompejus iſt Au-
genſcheinlich in dieſen Faͤhler gefallen/ welcher/ wie Cicero geſchrie-
ben hinterlaſſen/ offt gepflegt zu ſagen: Sylla hats gekoͤnt/ Jch werde
es nicht koͤnnen? Aber in dieſer Sach hat ſich der Pompejus gar faſt
betrogen. Dann des Syllæ Ingenium und Weiß zu handlen/ waren
in des Pompeji Sitten/ wie Himmel und Erden von einander. Dañ
der Sylla war wild/ und gew althaͤtig/ und triebe die Sach in al-
len/ Pompejus aber gravitaͤtiſch und der Geſetz ingedenck/ welcher
alles zum Anſehen und guten Geſchrey richtete/ dahero ware er weit
weniger Sufficient und maͤchtig/ das jenige zuverꝛichten/ was er ge-
dacht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |