Schurz, Karl: Der Studentencongreß zu Eisenach am 25. September 1848. Bonn, 1848.welche mit entschiedener Vorliebe für das "bewährte" Alte sich im Allgemeinen gegen die Neuerungspläne der Majorität sträubten. Die große Mehrheit aber war von dem Streben geleitet, ihre politischen Prinzipien auch in den akademischen Verhältnissen zu möglichst durchdringender Geltung zu bringen; und wenn auch durch ausdrücklichen, fast einstimmigen Beschluß der Versammlung jede rein politische Frage aus dem Bereich ihrer Verhandlungen verbannt war, so strebte doch Jeder augenscheinlich, das Objekt der Debatte von einem politischen Gesichtspunkt zu beleuchten, weßhalb denn vom künftigen demokratischen Staat nicht wenig die Rede war. Und wer möchte das tadeln? Hat nicht jeder Edle jetzt bei seinem Streben im Kleinen den Bezug auf das große Allgemeine im Auge? Und man wollte es dem Jünglinge verweisen, die bedeutsame Erkenntniß, daß nicht eher ein dauernder Staat, nicht eher allgemeines Volkswohl möglich sei, bis auch die kleinste öffentliche Einrichtung von dem großen Geiste des Ganzen harmonisch durchweht und belebt sei, in seinem Bereich praktisch darzustellen? Mag nun die politische Richtung eines Jeden sein wie sie wolle, jener Satz wird selbst der bornirteste Absolutist nicht anzugreifen vermögen. Fast alle Mitglieder des Studentenparlaments nun gehörten ausgesprochener Weise der demokratischen Parthei an, weßhalb denn diejenigen Blätter, welche dieser Farbe nicht hold sind, einen großen Aufwand von Unbarmherzigkeit in der Beurtheilung des Ganzen zu erkennen gaben*). *) Vielfach ist die Meinung verbreitet worden, es habe sich der Congreß als solcher mit rein politischen Dingen, z. B. mit einem Plan zur Stiftung von demokratischen Vereinen auf den einzelnen Universitäten befaßt. Es muß dies jedoch auf's Enschiedenste als unwahr bezeichnet werden, indem die politischen Bestrebungen einer Anzahl demokratischer Gesinnungsgenossen mit dem offiziellen Verhandlungen des Congresses in keinerlei Berührung standen, sondern rein als Privatsache einzelner Abgeordneten zu betrachten sind.
welche mit entschiedener Vorliebe für das „bewährte“ Alte sich im Allgemeinen gegen die Neuerungspläne der Majorität sträubten. Die große Mehrheit aber war von dem Streben geleitet, ihre politischen Prinzipien auch in den akademischen Verhältnissen zu möglichst durchdringender Geltung zu bringen; und wenn auch durch ausdrücklichen, fast einstimmigen Beschluß der Versammlung jede rein politische Frage aus dem Bereich ihrer Verhandlungen verbannt war, so strebte doch Jeder augenscheinlich, das Objekt der Debatte von einem politischen Gesichtspunkt zu beleuchten, weßhalb denn vom künftigen demokratischen Staat nicht wenig die Rede war. Und wer möchte das tadeln? Hat nicht jeder Edle jetzt bei seinem Streben im Kleinen den Bezug auf das große Allgemeine im Auge? Und man wollte es dem Jünglinge verweisen, die bedeutsame Erkenntniß, daß nicht eher ein dauernder Staat, nicht eher allgemeines Volkswohl möglich sei, bis auch die kleinste öffentliche Einrichtung von dem großen Geiste des Ganzen harmonisch durchweht und belebt sei, in seinem Bereich praktisch darzustellen? Mag nun die politische Richtung eines Jeden sein wie sie wolle, jener Satz wird selbst der bornirteste Absolutist nicht anzugreifen vermögen. Fast alle Mitglieder des Studentenparlaments nun gehörten ausgesprochener Weise der demokratischen Parthei an, weßhalb denn diejenigen Blätter, welche dieser Farbe nicht hold sind, einen großen Aufwand von Unbarmherzigkeit in der Beurtheilung des Ganzen zu erkennen gaben*). *) Vielfach ist die Meinung verbreitet worden, es habe sich der Congreß als solcher mit rein politischen Dingen, z. B. mit einem Plan zur Stiftung von demokratischen Vereinen auf den einzelnen Universitäten befaßt. Es muß dies jedoch auf’s Enschiedenste als unwahr bezeichnet werden, indem die politischen Bestrebungen einer Anzahl demokratischer Gesinnungsgenossen mit dem offiziellen Verhandlungen des Congresses in keinerlei Berührung standen, sondern rein als Privatsache einzelner Abgeordneten zu betrachten sind.
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welche mit entschiedener Vorliebe für das „bewährte“ Alte sich im Allgemeinen gegen die Neuerungspläne der Majorität sträubten. Die große Mehrheit aber war von dem Streben geleitet, ihre politischen Prinzipien auch in den akademischen Verhältnissen zu möglichst durchdringender Geltung zu bringen; und wenn auch durch ausdrücklichen, fast einstimmigen Beschluß der Versammlung jede rein politische Frage aus dem Bereich ihrer Verhandlungen verbannt war, so strebte doch Jeder augenscheinlich, das Objekt der Debatte von einem politischen Gesichtspunkt zu beleuchten, weßhalb denn vom künftigen demokratischen Staat nicht wenig die Rede war. Und wer möchte das tadeln? Hat nicht jeder Edle jetzt bei seinem Streben im Kleinen den Bezug auf das große Allgemeine im Auge? Und man wollte es dem Jünglinge verweisen, die bedeutsame Erkenntniß, daß nicht eher ein dauernder Staat, nicht eher allgemeines Volkswohl möglich sei, bis auch die kleinste öffentliche Einrichtung von dem großen Geiste des Ganzen harmonisch durchweht und belebt sei, in seinem Bereich praktisch darzustellen? Mag nun die politische Richtung eines Jeden sein wie sie wolle, jener Satz wird selbst der bornirteste Absolutist nicht anzugreifen vermögen. Fast alle Mitglieder des Studentenparlaments nun gehörten ausgesprochener Weise der demokratischen Parthei an, weßhalb denn diejenigen Blätter, welche dieser Farbe nicht hold sind, einen großen Aufwand von Unbarmherzigkeit in der Beurtheilung des Ganzen zu erkennen gaben *).
*) Vielfach ist die Meinung verbreitet worden, es habe sich der Congreß als solcher mit rein politischen Dingen, z. B. mit einem Plan zur Stiftung von demokratischen Vereinen auf den einzelnen Universitäten befaßt. Es muß dies jedoch auf’s Enschiedenste als unwahr bezeichnet werden, indem die politischen Bestrebungen einer Anzahl demokratischer Gesinnungsgenossen mit dem offiziellen Verhandlungen des Congresses in keinerlei Berührung standen, sondern rein als Privatsache einzelner Abgeordneten zu betrachten sind.
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