Schurz, Karl: Der Studentencongreß zu Eisenach am 25. September 1848. Bonn, 1848.Verhandlung. Aber man bedachte auch, daß wir in einer Zeit leben, wo die Macht der Idee größere Opfer hervorgezaubert hat, als etwa jenes ist, sich allgemeinen Bestimmungen zu fügen, sich massenhaften Schritten anzuschließen, die nicht einmal in die tägliche Gewohnheit des gesellschaftlichen Lebens den leisesten Eingriff thun. Wenn das Volk in seiner Opferwilligkeit noch eines Beispiels bedürfte, so wäre es jedenfalls die Jugend, die ihm darin vorangehen müßte, die Jugend, welche noch an Idealen hängt und auf eine größtmögliche Annäherung muthig hinstrebt, weil sie am Eingange eines freien thatenreichen Lebens zu stehn sich bewußt ist. Freilich sind wir alle leider so lange Pedanten gewesen, die sich von Kleinigkeiten meistern ließen und dabei nicht selten ihre höhern Zwecke aus den Augen verloren; aber wir haben auch bisher die Größe unsrer Aufgabe, mit der die Zeit uns plötzlich entgegentrat, nie begriffen, da uns ein freieres Streben versagt und unser ganzes Wirken in die Schranken eines kleinen Spießbürgerlebens gebannt war. Denn ein echter Spießbürger war lange Jahre der Student, da er, um den allgemeinen Druck von oben weniger zu fühlen, sich in seine kleinen exklusiven Freiheitchen und Exemtionen um so eigensinniger verritt. Eine große Aufgabe macht eine große moralische Kraft nöthig, denn nicht jeder ist einer Aufgabe würdig. Das aber ist eine der schönsten Kundgebungen moralischer Kraft, die ein Mensch im öffentlichen Leben entwickeln kann, daß er im Interesse des Ganzen seine Gegenwart der allgemeinen Zukunft subordinire. Gewiß wollen wir nicht die alte Misere des Autoritätenglaubens wieder heraufbeschwören, denn hier handelt es sich nur darum, daß Einer nicht die Zerstörung des ganzen Hauses herbeiführe, weil er etwa in der Mauer einen verkohlten Ziegelstein bemerkt. Zeigt aber die deutsche Jugend, daß sie wahre Freiheit des Strebens zu würdigen vermag, dann wird in der Studentenschaft die moralische Exekutivgewalt, von jedem Einzelnen Verhandlung. Aber man bedachte auch, daß wir in einer Zeit leben, wo die Macht der Idee größere Opfer hervorgezaubert hat, als etwa jenes ist, sich allgemeinen Bestimmungen zu fügen, sich massenhaften Schritten anzuschließen, die nicht einmal in die tägliche Gewohnheit des gesellschaftlichen Lebens den leisesten Eingriff thun. Wenn das Volk in seiner Opferwilligkeit noch eines Beispiels bedürfte, so wäre es jedenfalls die Jugend, die ihm darin vorangehen müßte, die Jugend, welche noch an Idealen hängt und auf eine größtmögliche Annäherung muthig hinstrebt, weil sie am Eingange eines freien thatenreichen Lebens zu stehn sich bewußt ist. Freilich sind wir alle leider so lange Pedanten gewesen, die sich von Kleinigkeiten meistern ließen und dabei nicht selten ihre höhern Zwecke aus den Augen verloren; aber wir haben auch bisher die Größe unsrer Aufgabe, mit der die Zeit uns plötzlich entgegentrat, nie begriffen, da uns ein freieres Streben versagt und unser ganzes Wirken in die Schranken eines kleinen Spießbürgerlebens gebannt war. Denn ein echter Spießbürger war lange Jahre der Student, da er, um den allgemeinen Druck von oben weniger zu fühlen, sich in seine kleinen exklusiven Freiheitchen und Exemtionen um so eigensinniger verritt. Eine große Aufgabe macht eine große moralische Kraft nöthig, denn nicht jeder ist einer Aufgabe würdig. Das aber ist eine der schönsten Kundgebungen moralischer Kraft, die ein Mensch im öffentlichen Leben entwickeln kann, daß er im Interesse des Ganzen seine Gegenwart der allgemeinen Zukunft subordinire. Gewiß wollen wir nicht die alte Misère des Autoritätenglaubens wieder heraufbeschwören, denn hier handelt es sich nur darum, daß Einer nicht die Zerstörung des ganzen Hauses herbeiführe, weil er etwa in der Mauer einen verkohlten Ziegelstein bemerkt. Zeigt aber die deutsche Jugend, daß sie wahre Freiheit des Strebens zu würdigen vermag, dann wird in der Studentenschaft die moralische Exekutivgewalt, von jedem Einzelnen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0031" n="29"/> Verhandlung. 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Freilich sind wir alle leider so lange Pedanten gewesen, die sich von Kleinigkeiten meistern ließen und dabei nicht selten ihre höhern Zwecke aus den Augen verloren; aber wir haben auch bisher die Größe unsrer Aufgabe, mit der die Zeit uns plötzlich entgegentrat, nie begriffen, da uns ein freieres Streben versagt und unser ganzes Wirken in die Schranken eines kleinen Spießbürgerlebens gebannt war. Denn ein echter Spießbürger war lange Jahre der Student, da er, um den allgemeinen Druck von oben weniger zu fühlen, sich in seine kleinen exklusiven Freiheitchen und Exemtionen um so eigensinniger verritt. Eine große Aufgabe macht eine große moralische Kraft nöthig, denn nicht jeder ist einer Aufgabe würdig. Das aber ist eine der schönsten Kundgebungen moralischer Kraft, die ein Mensch im öffentlichen Leben entwickeln kann, daß er im Interesse des Ganzen seine Gegenwart der allgemeinen Zukunft subordinire. Gewiß wollen wir nicht die alte Misère des Autoritätenglaubens wieder heraufbeschwören, denn hier handelt es sich nur darum, daß Einer nicht die Zerstörung des ganzen Hauses herbeiführe, weil er etwa in der Mauer einen verkohlten Ziegelstein bemerkt. Zeigt aber die deutsche Jugend, daß sie wahre Freiheit des Strebens zu würdigen vermag, dann wird in der Studentenschaft die moralische Exekutivgewalt, von jedem Einzelnen </p> </div> </body> </text> </TEI> [29/0031]
Verhandlung. Aber man bedachte auch, daß wir in einer Zeit leben, wo die Macht der Idee größere Opfer hervorgezaubert hat, als etwa jenes ist, sich allgemeinen Bestimmungen zu fügen, sich massenhaften Schritten anzuschließen, die nicht einmal in die tägliche Gewohnheit des gesellschaftlichen Lebens den leisesten Eingriff thun. Wenn das Volk in seiner Opferwilligkeit noch eines Beispiels bedürfte, so wäre es jedenfalls die Jugend, die ihm darin vorangehen müßte, die Jugend, welche noch an Idealen hängt und auf eine größtmögliche Annäherung muthig hinstrebt, weil sie am Eingange eines freien thatenreichen Lebens zu stehn sich bewußt ist. Freilich sind wir alle leider so lange Pedanten gewesen, die sich von Kleinigkeiten meistern ließen und dabei nicht selten ihre höhern Zwecke aus den Augen verloren; aber wir haben auch bisher die Größe unsrer Aufgabe, mit der die Zeit uns plötzlich entgegentrat, nie begriffen, da uns ein freieres Streben versagt und unser ganzes Wirken in die Schranken eines kleinen Spießbürgerlebens gebannt war. Denn ein echter Spießbürger war lange Jahre der Student, da er, um den allgemeinen Druck von oben weniger zu fühlen, sich in seine kleinen exklusiven Freiheitchen und Exemtionen um so eigensinniger verritt. Eine große Aufgabe macht eine große moralische Kraft nöthig, denn nicht jeder ist einer Aufgabe würdig. Das aber ist eine der schönsten Kundgebungen moralischer Kraft, die ein Mensch im öffentlichen Leben entwickeln kann, daß er im Interesse des Ganzen seine Gegenwart der allgemeinen Zukunft subordinire. Gewiß wollen wir nicht die alte Misère des Autoritätenglaubens wieder heraufbeschwören, denn hier handelt es sich nur darum, daß Einer nicht die Zerstörung des ganzen Hauses herbeiführe, weil er etwa in der Mauer einen verkohlten Ziegelstein bemerkt. Zeigt aber die deutsche Jugend, daß sie wahre Freiheit des Strebens zu würdigen vermag, dann wird in der Studentenschaft die moralische Exekutivgewalt, von jedem Einzelnen
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