Schurz, Karl: Der Studentencongreß zu Eisenach am 25. September 1848. Bonn, 1848.wenigen Dingen übereinstimmen, in vielen wahre Antipoden sind. Etwa die Lehrer allein? Man hoffe nicht auf genügende Resultate, wenn eine Corporation mit historischen Privilegien und sonstigen Moder belastet, sich aus sich selbst heraus reorganisiren will. Corporationen werden von außen her am besten als solche reorganisirt, indem man sie als solche vernichtet. Und die Studenten? Wer von ihnen, die selbst in geistigem Werden, selbst großentheils in prinzipiellem Kampfe mit sich begriffen sind, wagte es wohl, sich über die kommenden Resultate der staatlichen Entwicklung mit bleibenden Einrichtungen jetzt schon hinwegzusetzen? Palliative gäb' es wohl, um für kurze Zeit einzelne Mißstände weniger fühlbar zu machen. Aber die Anwendung von Palliativen macht Uebergänge schwer und schmerzhaft, die ohne sie leicht gewesen sein würden. Ein Palliativ ist wie Wundschwamm, welcher für Augenblicke wohlthut, aber länger auf der Wunde liegend knotig verharscht und nur schmerzhaft abgerissen werden kann. Kurz, an etwas Dauerndes ist nicht zu denken, bevor erst die Form des Staates fixirt ist. Und dennoch berathen? Eines wenigstens haben wir zu vermeiden: daß wir nicht im Augenblicke des Handelns theoretisch eben so wenig ausgebildet sind, als damals, wo wir nur der Theorie zu leben schienen. Die akademische Reformpartei hat das Glück, daß sie, bevor sie das Alte faktisch abwirft, mit einem neuen System vollständig ausgerüstet dastehen kann, mit einem System, welches in der freien Schule des Lebens gebildet, sogleich in die lebendige Praxis zu treten, nicht unwerth ist. Wer könnte die geistigen Errungenschaften wegleugnen, welche die akademische Reformparthei seit den Märztagen erobert hat? Hat sie nicht selbst Jene mit sich fortgerissen, welche in einer Erhaltung der alten Verhältnisse ihre eignen Vortheile zu conserviren suchten, hat sie ihnen nicht die Nothwendigkeit vor Augen gelegt, welche sie gewaltsam forttrieb? Und, was das Höchste wenigen Dingen übereinstimmen, in vielen wahre Antipoden sind. Etwa die Lehrer allein? Man hoffe nicht auf genügende Resultate, wenn eine Corporation mit historischen Privilegien und sonstigen Moder belastet, sich aus sich selbst heraus reorganisiren will. Corporationen werden von außen her am besten als solche reorganisirt, indem man sie als solche vernichtet. Und die Studenten? Wer von ihnen, die selbst in geistigem Werden, selbst großentheils in prinzipiellem Kampfe mit sich begriffen sind, wagte es wohl, sich über die kommenden Resultate der staatlichen Entwicklung mit bleibenden Einrichtungen jetzt schon hinwegzusetzen? Palliative gäb’ es wohl, um für kurze Zeit einzelne Mißstände weniger fühlbar zu machen. Aber die Anwendung von Palliativen macht Uebergänge schwer und schmerzhaft, die ohne sie leicht gewesen sein würden. Ein Palliativ ist wie Wundschwamm, welcher für Augenblicke wohlthut, aber länger auf der Wunde liegend knotig verharscht und nur schmerzhaft abgerissen werden kann. Kurz, an etwas Dauerndes ist nicht zu denken, bevor erst die Form des Staates fixirt ist. Und dennoch berathen? Eines wenigstens haben wir zu vermeiden: daß wir nicht im Augenblicke des Handelns theoretisch eben so wenig ausgebildet sind, als damals, wo wir nur der Theorie zu leben schienen. Die akademische Reformpartei hat das Glück, daß sie, bevor sie das Alte faktisch abwirft, mit einem neuen System vollständig ausgerüstet dastehen kann, mit einem System, welches in der freien Schule des Lebens gebildet, sogleich in die lebendige Praxis zu treten, nicht unwerth ist. Wer könnte die geistigen Errungenschaften wegleugnen, welche die akademische Reformparthei seit den Märztagen erobert hat? Hat sie nicht selbst Jene mit sich fortgerissen, welche in einer Erhaltung der alten Verhältnisse ihre eignen Vortheile zu conserviren suchten, hat sie ihnen nicht die Nothwendigkeit vor Augen gelegt, welche sie gewaltsam forttrieb? Und, was das Höchste <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0008" n="6"/> wenigen Dingen übereinstimmen, in vielen wahre Antipoden sind. Etwa die Lehrer allein? Man hoffe nicht auf genügende Resultate, wenn eine Corporation mit historischen Privilegien und sonstigen Moder belastet, sich aus sich selbst heraus reorganisiren will. Corporationen werden von außen her am besten als solche reorganisirt, indem man sie als solche vernichtet. Und die Studenten? Wer von ihnen, die selbst in geistigem Werden, selbst großentheils in prinzipiellem Kampfe mit sich begriffen sind, wagte es wohl, sich über die kommenden Resultate der staatlichen Entwicklung mit bleibenden Einrichtungen jetzt schon hinwegzusetzen? Palliative gäb’ es wohl, um für kurze Zeit einzelne Mißstände weniger fühlbar zu machen. Aber die Anwendung von Palliativen macht Uebergänge schwer und schmerzhaft, die ohne sie leicht gewesen sein würden. Ein Palliativ ist wie Wundschwamm, welcher für Augenblicke wohlthut, aber länger auf der Wunde liegend knotig verharscht und nur schmerzhaft abgerissen werden kann. Kurz, an etwas Dauerndes ist nicht zu denken, bevor erst die Form des Staates fixirt ist.</p> <p>Und dennoch berathen? Eines wenigstens haben wir zu vermeiden: daß wir nicht im Augenblicke des Handelns theoretisch eben so wenig ausgebildet sind, als damals, wo wir nur der Theorie zu leben schienen. Die akademische Reformpartei hat das Glück, daß sie, bevor sie das Alte faktisch abwirft, mit einem neuen System vollständig ausgerüstet dastehen kann, mit einem System, welches in der freien Schule des Lebens gebildet, sogleich in die lebendige Praxis zu treten, nicht unwerth ist. Wer könnte die <hi rendition="#g">geistigen Errungenschaften</hi> wegleugnen, welche die akademische Reformparthei seit den Märztagen erobert hat? Hat sie nicht selbst Jene mit sich fortgerissen, welche in einer Erhaltung der alten Verhältnisse ihre eignen Vortheile zu conserviren suchten, hat sie ihnen nicht die Nothwendigkeit vor Augen gelegt, welche sie gewaltsam forttrieb? Und, was das Höchste </p> </div> </body> </text> </TEI> [6/0008]
wenigen Dingen übereinstimmen, in vielen wahre Antipoden sind. Etwa die Lehrer allein? Man hoffe nicht auf genügende Resultate, wenn eine Corporation mit historischen Privilegien und sonstigen Moder belastet, sich aus sich selbst heraus reorganisiren will. Corporationen werden von außen her am besten als solche reorganisirt, indem man sie als solche vernichtet. Und die Studenten? Wer von ihnen, die selbst in geistigem Werden, selbst großentheils in prinzipiellem Kampfe mit sich begriffen sind, wagte es wohl, sich über die kommenden Resultate der staatlichen Entwicklung mit bleibenden Einrichtungen jetzt schon hinwegzusetzen? Palliative gäb’ es wohl, um für kurze Zeit einzelne Mißstände weniger fühlbar zu machen. Aber die Anwendung von Palliativen macht Uebergänge schwer und schmerzhaft, die ohne sie leicht gewesen sein würden. Ein Palliativ ist wie Wundschwamm, welcher für Augenblicke wohlthut, aber länger auf der Wunde liegend knotig verharscht und nur schmerzhaft abgerissen werden kann. Kurz, an etwas Dauerndes ist nicht zu denken, bevor erst die Form des Staates fixirt ist.
Und dennoch berathen? Eines wenigstens haben wir zu vermeiden: daß wir nicht im Augenblicke des Handelns theoretisch eben so wenig ausgebildet sind, als damals, wo wir nur der Theorie zu leben schienen. Die akademische Reformpartei hat das Glück, daß sie, bevor sie das Alte faktisch abwirft, mit einem neuen System vollständig ausgerüstet dastehen kann, mit einem System, welches in der freien Schule des Lebens gebildet, sogleich in die lebendige Praxis zu treten, nicht unwerth ist. Wer könnte die geistigen Errungenschaften wegleugnen, welche die akademische Reformparthei seit den Märztagen erobert hat? Hat sie nicht selbst Jene mit sich fortgerissen, welche in einer Erhaltung der alten Verhältnisse ihre eignen Vortheile zu conserviren suchten, hat sie ihnen nicht die Nothwendigkeit vor Augen gelegt, welche sie gewaltsam forttrieb? Und, was das Höchste
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