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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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hielt Stand, und jene vermochten es nicht, sie auch nur
ein wenig zu krümmen; sie war an seiner festen Hand
wie zu Stein geworden. Darüber ärgerte sich Idas, des
Aphareus Sohn, und führte seinen Streich auf den
Schaft unter der Spitze; aber der Stahl fuhr zurück,
wie der Hammer vom Ambos, und fröhlich schrieen die
Helden auf in der frohen Aussicht auf den Sieg. Jetzt
erst salbte sich Jason auch den Leib; da fühlte er entsetz¬
liche Kraft in allen Gliedern, seine beiden Hände schwol¬
len auf von Stärke und verlangten nach dem Kampf.
Wie ein Kriegsroß vor der Schlacht wiehernd den Bo¬
den stampft, sich aufrichtet und mit gespitzten Ohren den
Kopf erhebt, so streckte sich der Aesonide im Gefühle sei¬
ner Streitbarkeit, hob die Füße, schwang den Erzschild
und die Lanze mit der Hand. Dann ruderten die Hel¬
den mit ihrem Führer bis zum Marsfelde, wo sie den
König Aeetes und die Menge der Kolchier schon antra¬
fen, jenen am Ufer, diese auf den Klippenvorsprüngen
des Kaukasus gelagert. Als das Schiff angebunden war,
sprang Jason mit Lanze und Schild gerüstet aus dem¬
selben und empfing sofort einen funkelnden Erzhelm voll
spitzer Drachenzähne. Dann hing er das Schwert mit
einem Riemen um die Schultern und schritt vor, herrlich
wie Mars oder Apollo. Auf dem Blachfeld umherblick¬
end, sah er bald die ehernen Joche der Stiere auf dem
Boden liegen, dabei Pflug und Pflugschaar, Alles ganz
aus Eisen gehämmert. Als er sich das Geräthe näher
betrachtet, schraubte er die Eisenspitze an den starken
Schaft seiner Lanze und legte den Helm nieder. Hier¬
auf schritt er von seinem Schilde gedeckt weiter, nach
den Fußstapfen der Thiere forschend. Diese aber brachen

hielt Stand, und jene vermochten es nicht, ſie auch nur
ein wenig zu krümmen; ſie war an ſeiner feſten Hand
wie zu Stein geworden. Darüber ärgerte ſich Idas, des
Aphareus Sohn, und führte ſeinen Streich auf den
Schaft unter der Spitze; aber der Stahl fuhr zurück,
wie der Hammer vom Ambos, und fröhlich ſchrieen die
Helden auf in der frohen Ausſicht auf den Sieg. Jetzt
erſt ſalbte ſich Jaſon auch den Leib; da fühlte er entſetz¬
liche Kraft in allen Gliedern, ſeine beiden Hände ſchwol¬
len auf von Stärke und verlangten nach dem Kampf.
Wie ein Kriegsroß vor der Schlacht wiehernd den Bo¬
den ſtampft, ſich aufrichtet und mit geſpitzten Ohren den
Kopf erhebt, ſo ſtreckte ſich der Aeſonide im Gefühle ſei¬
ner Streitbarkeit, hob die Füße, ſchwang den Erzſchild
und die Lanze mit der Hand. Dann ruderten die Hel¬
den mit ihrem Führer bis zum Marsfelde, wo ſie den
König Aeetes und die Menge der Kolchier ſchon antra¬
fen, jenen am Ufer, dieſe auf den Klippenvorſprüngen
des Kaukaſus gelagert. Als das Schiff angebunden war,
ſprang Jaſon mit Lanze und Schild gerüſtet aus dem¬
ſelben und empfing ſofort einen funkelnden Erzhelm voll
ſpitzer Drachenzähne. Dann hing er das Schwert mit
einem Riemen um die Schultern und ſchritt vor, herrlich
wie Mars oder Apollo. Auf dem Blachfeld umherblick¬
end, ſah er bald die ehernen Joche der Stiere auf dem
Boden liegen, dabei Pflug und Pflugſchaar, Alles ganz
aus Eiſen gehämmert. Als er ſich das Geräthe näher
betrachtet, ſchraubte er die Eiſenſpitze an den ſtarken
Schaft ſeiner Lanze und legte den Helm nieder. Hier¬
auf ſchritt er von ſeinem Schilde gedeckt weiter, nach
den Fußſtapfen der Thiere forſchend. Dieſe aber brachen

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[140/0166] hielt Stand, und jene vermochten es nicht, ſie auch nur ein wenig zu krümmen; ſie war an ſeiner feſten Hand wie zu Stein geworden. Darüber ärgerte ſich Idas, des Aphareus Sohn, und führte ſeinen Streich auf den Schaft unter der Spitze; aber der Stahl fuhr zurück, wie der Hammer vom Ambos, und fröhlich ſchrieen die Helden auf in der frohen Ausſicht auf den Sieg. Jetzt erſt ſalbte ſich Jaſon auch den Leib; da fühlte er entſetz¬ liche Kraft in allen Gliedern, ſeine beiden Hände ſchwol¬ len auf von Stärke und verlangten nach dem Kampf. Wie ein Kriegsroß vor der Schlacht wiehernd den Bo¬ den ſtampft, ſich aufrichtet und mit geſpitzten Ohren den Kopf erhebt, ſo ſtreckte ſich der Aeſonide im Gefühle ſei¬ ner Streitbarkeit, hob die Füße, ſchwang den Erzſchild und die Lanze mit der Hand. Dann ruderten die Hel¬ den mit ihrem Führer bis zum Marsfelde, wo ſie den König Aeetes und die Menge der Kolchier ſchon antra¬ fen, jenen am Ufer, dieſe auf den Klippenvorſprüngen des Kaukaſus gelagert. Als das Schiff angebunden war, ſprang Jaſon mit Lanze und Schild gerüſtet aus dem¬ ſelben und empfing ſofort einen funkelnden Erzhelm voll ſpitzer Drachenzähne. Dann hing er das Schwert mit einem Riemen um die Schultern und ſchritt vor, herrlich wie Mars oder Apollo. Auf dem Blachfeld umherblick¬ end, ſah er bald die ehernen Joche der Stiere auf dem Boden liegen, dabei Pflug und Pflugſchaar, Alles ganz aus Eiſen gehämmert. Als er ſich das Geräthe näher betrachtet, ſchraubte er die Eiſenſpitze an den ſtarken Schaft ſeiner Lanze und legte den Helm nieder. Hier¬ auf ſchritt er von ſeinem Schilde gedeckt weiter, nach den Fußſtapfen der Thiere forſchend. Dieſe aber brachen

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/166>, abgerufen am 24.11.2024.