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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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ben zu segnen; nicht ohne Furcht folgte ihr Jason. Aber
schon durch den Zaubergesang der Jungfrau eingeschläfert,
senkte der Drache die Wölbung des Rückens, und sein ge¬
ringelter Leib dehnte sich der Länge nach aus, nur mit
dem gräßlichen Kopfe stand er noch aufrecht und drohte
die Beiden mit seinem aufgesperrten Rachen zu fassen.
Da sprengte Medea ihm mit einem Wacholderstengel
unter Beschwörungsformeln einen Zaubertrank in die Au¬
gen, dessen Duft ihn mit Schlummer übergoß; jetzt schloß
sich sein Rachen und schlafend dehnte sich der Drache
mit seinem ganzen Leibe durch den langen Wald hin.

Auf ihre Ermahnung zog nun Jason das Vließ von
der Eiche, während das Mädchen fortwährend den Kopf
des Drachen mit dem Zauberöl besprengte. Dann ver¬
ließen beide eilig den beschatteten Marshain und Jason
hielt von ferne schon freudig das große Widdervließ ent¬
gegen, von dessen Wiederschein seine Stirn und sein blon¬
des Haar in goldenem Schimmer glänzten; auch beleuch¬
tete sein Schein ihm weithin den nächtlichen Pfad. So
ging er, es auf der linken Schulter tragend; die goldne
Last hing ihm vom Hals bis auf die Füße herunter; dann
rollte er es wieder auf, denn immer fürchtete er, ein
Mensch oder Gott möchte ihm begegnen und ihn des
Schatzes berauben. Mit der Morgenröthe traten sie ins
Schiff, die Genossen umringten den Führer und staunten
das Vließ an, das funkelte wie Jupiters Blitz; Jeder
wollte es mit den Händen betasten: aber Jason litt es
nicht, sondern warf einen neugefertigten Mantel darüber.
Die Jungfrau setzte er auf das Hinterverdeck des Schiffes
und sprach dann so zu seinen Freunden: "Jetzt, ihr Lie¬
ben, laßt uns eilig ins Vaterland zurückkehren. Durch

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ben zu ſegnen; nicht ohne Furcht folgte ihr Jaſon. Aber
ſchon durch den Zaubergeſang der Jungfrau eingeſchläfert,
ſenkte der Drache die Wölbung des Rückens, und ſein ge¬
ringelter Leib dehnte ſich der Länge nach aus, nur mit
dem gräßlichen Kopfe ſtand er noch aufrecht und drohte
die Beiden mit ſeinem aufgeſperrten Rachen zu faſſen.
Da ſprengte Medea ihm mit einem Wacholderſtengel
unter Beſchwörungsformeln einen Zaubertrank in die Au¬
gen, deſſen Duft ihn mit Schlummer übergoß; jetzt ſchloß
ſich ſein Rachen und ſchlafend dehnte ſich der Drache
mit ſeinem ganzen Leibe durch den langen Wald hin.

Auf ihre Ermahnung zog nun Jaſon das Vließ von
der Eiche, während das Mädchen fortwährend den Kopf
des Drachen mit dem Zauberöl beſprengte. Dann ver¬
ließen beide eilig den beſchatteten Marshain und Jaſon
hielt von ferne ſchon freudig das große Widdervließ ent¬
gegen, von deſſen Wiederſchein ſeine Stirn und ſein blon¬
des Haar in goldenem Schimmer glänzten; auch beleuch¬
tete ſein Schein ihm weithin den nächtlichen Pfad. So
ging er, es auf der linken Schulter tragend; die goldne
Laſt hing ihm vom Hals bis auf die Füße herunter; dann
rollte er es wieder auf, denn immer fürchtete er, ein
Menſch oder Gott möchte ihm begegnen und ihn des
Schatzes berauben. Mit der Morgenröthe traten ſie ins
Schiff, die Genoſſen umringten den Führer und ſtaunten
das Vließ an, das funkelte wie Jupiters Blitz; Jeder
wollte es mit den Händen betaſten: aber Jaſon litt es
nicht, ſondern warf einen neugefertigten Mantel darüber.
Die Jungfrau ſetzte er auf das Hinterverdeck des Schiffes
und ſprach dann ſo zu ſeinen Freunden: „Jetzt, ihr Lie¬
ben, laßt uns eilig ins Vaterland zurückkehren. Durch

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[147/0173] ben zu ſegnen; nicht ohne Furcht folgte ihr Jaſon. Aber ſchon durch den Zaubergeſang der Jungfrau eingeſchläfert, ſenkte der Drache die Wölbung des Rückens, und ſein ge¬ ringelter Leib dehnte ſich der Länge nach aus, nur mit dem gräßlichen Kopfe ſtand er noch aufrecht und drohte die Beiden mit ſeinem aufgeſperrten Rachen zu faſſen. Da ſprengte Medea ihm mit einem Wacholderſtengel unter Beſchwörungsformeln einen Zaubertrank in die Au¬ gen, deſſen Duft ihn mit Schlummer übergoß; jetzt ſchloß ſich ſein Rachen und ſchlafend dehnte ſich der Drache mit ſeinem ganzen Leibe durch den langen Wald hin. Auf ihre Ermahnung zog nun Jaſon das Vließ von der Eiche, während das Mädchen fortwährend den Kopf des Drachen mit dem Zauberöl beſprengte. Dann ver¬ ließen beide eilig den beſchatteten Marshain und Jaſon hielt von ferne ſchon freudig das große Widdervließ ent¬ gegen, von deſſen Wiederſchein ſeine Stirn und ſein blon¬ des Haar in goldenem Schimmer glänzten; auch beleuch¬ tete ſein Schein ihm weithin den nächtlichen Pfad. So ging er, es auf der linken Schulter tragend; die goldne Laſt hing ihm vom Hals bis auf die Füße herunter; dann rollte er es wieder auf, denn immer fürchtete er, ein Menſch oder Gott möchte ihm begegnen und ihn des Schatzes berauben. Mit der Morgenröthe traten ſie ins Schiff, die Genoſſen umringten den Führer und ſtaunten das Vließ an, das funkelte wie Jupiters Blitz; Jeder wollte es mit den Händen betaſten: aber Jaſon litt es nicht, ſondern warf einen neugefertigten Mantel darüber. Die Jungfrau ſetzte er auf das Hinterverdeck des Schiffes und ſprach dann ſo zu ſeinen Freunden: „Jetzt, ihr Lie¬ ben, laßt uns eilig ins Vaterland zurückkehren. Durch 10 *

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/173>, abgerufen am 24.11.2024.