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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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dieser Jungfrau Rath ist vollbracht, weswegen wir unsere
Fahrt unternommen haben; zum Lohne führe ich sie als
meine rechtmäßige Gemahlin nach Hause; ihr aber helft
mir sie als die Gehülfin ganz Griechenlands beschirmen.
Denn ich zweifle nicht: bald wird Aeetes da seyn und
mit allem seinem Volke unsere Ausfahrt aus dem Flusse
hindern wollen! Deßwegen soll von euch abwechslungs¬
weise die eine Hälfte rudern, die andere, unsere mächtigen
Schilde aus Rindshaut den Feinden entgegenhaltend, die
Rückfahrt schirmen. Denn in unserer Hand steht jetzt
die Heimkehr zu den Unsrigen und die Ehre oder Schande
Griechenlands!" Mit diesen Worten hieb er die Taue
ab, mit denen das Schiff angebunden war, warf sich in
volle Rüstung und stellte sich so neben das Mägdlein,
dem Steuermann Ancäus zur Seite. Das Schiff eilte
unter den Rudern der Mündung des Flusses entgegen.


Die Argonauten, verfolgt, entkommen mit Medea.

Inzwischen hatten Aeetes und alle Kolchier Medea's
Liebe, Thaten und Flucht erfahren. Sie traten bewaff¬
net auf dem Markte zusammen und bald sah man sie mit
lautem Schalle das Ufer des Flusses hinabziehen: Aeetes
fuhr auf einem festgezimmerten Wagen, mit den Pferden,
die ihm der Sonnengott verliehen; in der Linken trug er
einen runden Schild, in der Rechten eine lange Pechfackel;
an seiner Seite lehnte die gewaltige Lanze. Die Zügel
der Rosse handhabte sein Sohn Absyrtus. Als sie aber
an der Mündung des Flusses angekommen waren, da
fuhr das Schiff, von den unermüdlichen Ruderern getrie¬

dieſer Jungfrau Rath iſt vollbracht, weswegen wir unſere
Fahrt unternommen haben; zum Lohne führe ich ſie als
meine rechtmäßige Gemahlin nach Hauſe; ihr aber helft
mir ſie als die Gehülfin ganz Griechenlands beſchirmen.
Denn ich zweifle nicht: bald wird Aeetes da ſeyn und
mit allem ſeinem Volke unſere Ausfahrt aus dem Fluſſe
hindern wollen! Deßwegen ſoll von euch abwechslungs¬
weiſe die eine Hälfte rudern, die andere, unſere mächtigen
Schilde aus Rindshaut den Feinden entgegenhaltend, die
Rückfahrt ſchirmen. Denn in unſerer Hand ſteht jetzt
die Heimkehr zu den Unſrigen und die Ehre oder Schande
Griechenlands!“ Mit dieſen Worten hieb er die Taue
ab, mit denen das Schiff angebunden war, warf ſich in
volle Rüſtung und ſtellte ſich ſo neben das Mägdlein,
dem Steuermann Ancäus zur Seite. Das Schiff eilte
unter den Rudern der Mündung des Fluſſes entgegen.


Die Argonauten, verfolgt, entkommen mit Medea.

Inzwiſchen hatten Aeetes und alle Kolchier Medea's
Liebe, Thaten und Flucht erfahren. Sie traten bewaff¬
net auf dem Markte zuſammen und bald ſah man ſie mit
lautem Schalle das Ufer des Fluſſes hinabziehen: Aeetes
fuhr auf einem feſtgezimmerten Wagen, mit den Pferden,
die ihm der Sonnengott verliehen; in der Linken trug er
einen runden Schild, in der Rechten eine lange Pechfackel;
an ſeiner Seite lehnte die gewaltige Lanze. Die Zügel
der Roſſe handhabte ſein Sohn Abſyrtus. Als ſie aber
an der Mündung des Fluſſes angekommen waren, da
fuhr das Schiff, von den unermüdlichen Ruderern getrie¬

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[148/0174] dieſer Jungfrau Rath iſt vollbracht, weswegen wir unſere Fahrt unternommen haben; zum Lohne führe ich ſie als meine rechtmäßige Gemahlin nach Hauſe; ihr aber helft mir ſie als die Gehülfin ganz Griechenlands beſchirmen. Denn ich zweifle nicht: bald wird Aeetes da ſeyn und mit allem ſeinem Volke unſere Ausfahrt aus dem Fluſſe hindern wollen! Deßwegen ſoll von euch abwechslungs¬ weiſe die eine Hälfte rudern, die andere, unſere mächtigen Schilde aus Rindshaut den Feinden entgegenhaltend, die Rückfahrt ſchirmen. Denn in unſerer Hand ſteht jetzt die Heimkehr zu den Unſrigen und die Ehre oder Schande Griechenlands!“ Mit dieſen Worten hieb er die Taue ab, mit denen das Schiff angebunden war, warf ſich in volle Rüſtung und ſtellte ſich ſo neben das Mägdlein, dem Steuermann Ancäus zur Seite. Das Schiff eilte unter den Rudern der Mündung des Fluſſes entgegen. Die Argonauten, verfolgt, entkommen mit Medea. Inzwiſchen hatten Aeetes und alle Kolchier Medea's Liebe, Thaten und Flucht erfahren. Sie traten bewaff¬ net auf dem Markte zuſammen und bald ſah man ſie mit lautem Schalle das Ufer des Fluſſes hinabziehen: Aeetes fuhr auf einem feſtgezimmerten Wagen, mit den Pferden, die ihm der Sonnengott verliehen; in der Linken trug er einen runden Schild, in der Rechten eine lange Pechfackel; an ſeiner Seite lehnte die gewaltige Lanze. Die Zügel der Roſſe handhabte ſein Sohn Abſyrtus. Als ſie aber an der Mündung des Fluſſes angekommen waren, da fuhr das Schiff, von den unermüdlichen Ruderern getrie¬

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/174>, abgerufen am 24.11.2024.