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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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stige Wind ließ nicht ab zu wehen und das Himmelszei¬
chen hörte nicht auf zu leuchten, bis sie glücklich an die
jonische Mündung des Flusses Ister gelangt waren.

Die Kolchier ließen aber mit ihrer Verfolgung nicht
nach und kamen, schneller segelnd, mit ihren leichten
Schiffen noch vor den Helden an der Mündung des
Isters an. Hier legten sie sich in Hinterhalt an den
Buchten und Inseln des Ausflußes und verstellten den
Helden, als diese sich in der Mündung des Stromes
vor Anker gelegt, den Ausweg. Die Argonauten, die
Menge der Kolchier fürchtend, landeten und warfen sich
auf eine Insel des Flusses; die Kolchier folgten und ein
Treffen bereitete sich vor. Da traten die bedrängten
Griechen in Unterhandlung, und von beiden Theilen wurde
verabredet, daß jedenfalls die Griechen das goldene Vließ,
das der König dem Helden Jason für seine Arbeit ver¬
sprochen hatte, davon tragen sollten; die Königstochter
Medea aber sollten sie auf einer zweiten Insel, im Tem¬
pel der Diana, aussetzen, bis ein gerechter Nachbarkönig
als Schiedsrichter entschieden hätte, ob sie zu ihrem Vater
zurückkehren, oder ob sie den Helden nach Griechenland
folgen sollte. Bittere Sorgen bemächtigten sich der Jung¬
frau, als sie solches hörte, sogleich führte sie ihren Ge¬
liebten seitwärts an einen Ort, wo keiner seiner Genossen
sie hören konnte; dann sprach sie unter Thränen: "Ja¬
son, was habt ihr über mich beschlossen? hat das Glück
Alles bei dir in Vergessenheit gesenkt, was du mir mit
heiligem Eide in der Noth versprochen? In dieser Hoff¬
nung habe ich Leichtsinnige, Ehrvergessene, Vaterland,
Haus und Eltern verlassen, was mein Höchstes war.
Für deine Rettung treibe ich auf dem Meere mit dir

ſtige Wind ließ nicht ab zu wehen und das Himmelszei¬
chen hörte nicht auf zu leuchten, bis ſie glücklich an die
joniſche Mündung des Fluſſes Iſter gelangt waren.

Die Kolchier ließen aber mit ihrer Verfolgung nicht
nach und kamen, ſchneller ſegelnd, mit ihren leichten
Schiffen noch vor den Helden an der Mündung des
Iſters an. Hier legten ſie ſich in Hinterhalt an den
Buchten und Inſeln des Ausflußes und verſtellten den
Helden, als dieſe ſich in der Mündung des Stromes
vor Anker gelegt, den Ausweg. Die Argonauten, die
Menge der Kolchier fürchtend, landeten und warfen ſich
auf eine Inſel des Fluſſes; die Kolchier folgten und ein
Treffen bereitete ſich vor. Da traten die bedrängten
Griechen in Unterhandlung, und von beiden Theilen wurde
verabredet, daß jedenfalls die Griechen das goldene Vließ,
das der König dem Helden Jaſon für ſeine Arbeit ver¬
ſprochen hatte, davon tragen ſollten; die Königstochter
Medea aber ſollten ſie auf einer zweiten Inſel, im Tem¬
pel der Diana, ausſetzen, bis ein gerechter Nachbarkönig
als Schiedsrichter entſchieden hätte, ob ſie zu ihrem Vater
zurückkehren, oder ob ſie den Helden nach Griechenland
folgen ſollte. Bittere Sorgen bemächtigten ſich der Jung¬
frau, als ſie ſolches hörte, ſogleich führte ſie ihren Ge¬
liebten ſeitwärts an einen Ort, wo keiner ſeiner Genoſſen
ſie hören konnte; dann ſprach ſie unter Thränen: „Ja¬
ſon, was habt ihr über mich beſchloſſen? hat das Glück
Alles bei dir in Vergeſſenheit geſenkt, was du mir mit
heiligem Eide in der Noth verſprochen? In dieſer Hoff¬
nung habe ich Leichtſinnige, Ehrvergeſſene, Vaterland,
Haus und Eltern verlaſſen, was mein Höchſtes war.
Für deine Rettung treibe ich auf dem Meere mit dir

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[150/0176] ſtige Wind ließ nicht ab zu wehen und das Himmelszei¬ chen hörte nicht auf zu leuchten, bis ſie glücklich an die joniſche Mündung des Fluſſes Iſter gelangt waren. Die Kolchier ließen aber mit ihrer Verfolgung nicht nach und kamen, ſchneller ſegelnd, mit ihren leichten Schiffen noch vor den Helden an der Mündung des Iſters an. Hier legten ſie ſich in Hinterhalt an den Buchten und Inſeln des Ausflußes und verſtellten den Helden, als dieſe ſich in der Mündung des Stromes vor Anker gelegt, den Ausweg. Die Argonauten, die Menge der Kolchier fürchtend, landeten und warfen ſich auf eine Inſel des Fluſſes; die Kolchier folgten und ein Treffen bereitete ſich vor. Da traten die bedrängten Griechen in Unterhandlung, und von beiden Theilen wurde verabredet, daß jedenfalls die Griechen das goldene Vließ, das der König dem Helden Jaſon für ſeine Arbeit ver¬ ſprochen hatte, davon tragen ſollten; die Königstochter Medea aber ſollten ſie auf einer zweiten Inſel, im Tem¬ pel der Diana, ausſetzen, bis ein gerechter Nachbarkönig als Schiedsrichter entſchieden hätte, ob ſie zu ihrem Vater zurückkehren, oder ob ſie den Helden nach Griechenland folgen ſollte. Bittere Sorgen bemächtigten ſich der Jung¬ frau, als ſie ſolches hörte, ſogleich führte ſie ihren Ge¬ liebten ſeitwärts an einen Ort, wo keiner ſeiner Genoſſen ſie hören konnte; dann ſprach ſie unter Thränen: „Ja¬ ſon, was habt ihr über mich beſchloſſen? hat das Glück Alles bei dir in Vergeſſenheit geſenkt, was du mir mit heiligem Eide in der Noth verſprochen? In dieſer Hoff¬ nung habe ich Leichtſinnige, Ehrvergeſſene, Vaterland, Haus und Eltern verlaſſen, was mein Höchſtes war. Für deine Rettung treibe ich auf dem Meere mit dir

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/176>, abgerufen am 24.11.2024.