Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
Weitere Heimathfahrt der Argonauten.

Auf des Peleus Rath schifften die Helden aus der
Mündung hervor und schleunig davon, ehe die zurückge¬
lassenen Kolchier zur Besinnung kommen konnten. Diese,
als sie inne wurden, was geschehen war, gedachten An¬
fangs die Feinde zu verfolgen, aber Juno schreckte sie
mit warnenden Blitzen vom Himmel, und da sie zu Hause
den Zorn des Königes fürchteten, wenn sie ihm Sohn
und Tochter nicht zurück brächten, so blieben sie auf den
Dianeninseln in der Mündung des Ister zurück und sie¬
delten sich hier an.

Die Argonauten aber schifften an mancherlei Ge¬
staden und Inseln vorüber, auch an dem Eilande, wo
die Königin Kalypso, die Tochter des Atlas, wohnte.
Schon glaubten sie in der Ferne die höchsten Bergspitzen
des heimischen Festlandes aufsteigen zu sehen, als Juno,
welche die Plane des erzürnten Jupiters fürchtete, einen
Sturm gegen sie erhob, der ihr Schiff mit Ungestüm an
die unwirthliche Insel Elektris trieb. Jetzt begann auch
das weissagende Holz, das Minerva mitten in den Kiel
eingefügt hatte, zu sprechen und entsetzliche Furcht ergriff
die Horchenden. "Ihr werdet Jupiters Zorn und den
Irrfahrten des Meeres nicht entgehen," tönte das hohle
Brett, "bevor nicht die Zaubergöttin Circe euch den grau¬
samen Mord des Absyrtus abgewaschen hat. Kastor und
Pollux sollen zu den Göttern beten, daß sie euch die
Pfade des Meeres öffnen, und ihr Circe finden könnet,
die Tochter des Sonnengottes und der Perse." So
sprach der hölzerne Mund des Schiffes Argo um die

Weitere Heimathfahrt der Argonauten.

Auf des Peleus Rath ſchifften die Helden aus der
Mündung hervor und ſchleunig davon, ehe die zurückge¬
laſſenen Kolchier zur Beſinnung kommen konnten. Dieſe,
als ſie inne wurden, was geſchehen war, gedachten An¬
fangs die Feinde zu verfolgen, aber Juno ſchreckte ſie
mit warnenden Blitzen vom Himmel, und da ſie zu Hauſe
den Zorn des Königes fürchteten, wenn ſie ihm Sohn
und Tochter nicht zurück brächten, ſo blieben ſie auf den
Dianeninſeln in der Mündung des Iſter zurück und ſie¬
delten ſich hier an.

Die Argonauten aber ſchifften an mancherlei Ge¬
ſtaden und Inſeln vorüber, auch an dem Eilande, wo
die Königin Kalypſo, die Tochter des Atlas, wohnte.
Schon glaubten ſie in der Ferne die höchſten Bergſpitzen
des heimiſchen Feſtlandes aufſteigen zu ſehen, als Juno,
welche die Plane des erzürnten Jupiters fürchtete, einen
Sturm gegen ſie erhob, der ihr Schiff mit Ungeſtüm an
die unwirthliche Inſel Elektris trieb. Jetzt begann auch
das weiſſagende Holz, das Minerva mitten in den Kiel
eingefügt hatte, zu ſprechen und entſetzliche Furcht ergriff
die Horchenden. „Ihr werdet Jupiters Zorn und den
Irrfahrten des Meeres nicht entgehen,“ tönte das hohle
Brett, „bevor nicht die Zaubergöttin Circe euch den grau¬
ſamen Mord des Abſyrtus abgewaſchen hat. Kaſtor und
Pollux ſollen zu den Göttern beten, daß ſie euch die
Pfade des Meeres öffnen, und ihr Circe finden könnet,
die Tochter des Sonnengottes und der Perſe.“ So
ſprach der hölzerne Mund des Schiffes Argo um die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0180" n="154"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b #fr">Weitere Heimathfahrt der Argonauten.</hi><lb/>
            </head>
            <p>Auf des Peleus Rath &#x017F;chifften die Helden aus der<lb/>
Mündung hervor und &#x017F;chleunig davon, ehe die zurückge¬<lb/>
la&#x017F;&#x017F;enen Kolchier zur Be&#x017F;innung kommen konnten. Die&#x017F;e,<lb/>
als &#x017F;ie inne wurden, was ge&#x017F;chehen war, gedachten An¬<lb/>
fangs die Feinde zu verfolgen, aber Juno &#x017F;chreckte &#x017F;ie<lb/>
mit warnenden Blitzen vom Himmel, und da &#x017F;ie zu Hau&#x017F;e<lb/>
den Zorn des Königes fürchteten, wenn &#x017F;ie ihm Sohn<lb/>
und Tochter nicht zurück brächten, &#x017F;o blieben &#x017F;ie auf den<lb/>
Dianenin&#x017F;eln in der Mündung des I&#x017F;ter zurück und &#x017F;ie¬<lb/>
delten &#x017F;ich hier an.</p><lb/>
            <p>Die Argonauten aber &#x017F;chifften an mancherlei Ge¬<lb/>
&#x017F;taden und In&#x017F;eln vorüber, auch an dem Eilande, wo<lb/>
die Königin Kalyp&#x017F;o, die Tochter des Atlas, wohnte.<lb/>
Schon glaubten &#x017F;ie in der Ferne die höch&#x017F;ten Berg&#x017F;pitzen<lb/>
des heimi&#x017F;chen Fe&#x017F;tlandes auf&#x017F;teigen zu &#x017F;ehen, als Juno,<lb/>
welche die Plane des erzürnten Jupiters fürchtete, einen<lb/>
Sturm gegen &#x017F;ie erhob, der ihr Schiff mit Unge&#x017F;tüm an<lb/>
die unwirthliche In&#x017F;el Elektris trieb. Jetzt begann auch<lb/>
das wei&#x017F;&#x017F;agende Holz, das Minerva mitten in den Kiel<lb/>
eingefügt hatte, zu &#x017F;prechen und ent&#x017F;etzliche Furcht ergriff<lb/>
die Horchenden. &#x201E;Ihr werdet Jupiters Zorn und den<lb/>
Irrfahrten des Meeres nicht entgehen,&#x201C; tönte das hohle<lb/>
Brett, &#x201E;bevor nicht die Zaubergöttin Circe euch den grau¬<lb/>
&#x017F;amen Mord des Ab&#x017F;yrtus abgewa&#x017F;chen hat. Ka&#x017F;tor und<lb/>
Pollux &#x017F;ollen zu den Göttern beten, daß &#x017F;ie euch die<lb/>
Pfade des Meeres öffnen, und ihr Circe finden könnet,<lb/>
die Tochter des Sonnengottes und der Per&#x017F;e.&#x201C; So<lb/>
&#x017F;prach der hölzerne Mund des Schiffes Argo um die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0180] Weitere Heimathfahrt der Argonauten. Auf des Peleus Rath ſchifften die Helden aus der Mündung hervor und ſchleunig davon, ehe die zurückge¬ laſſenen Kolchier zur Beſinnung kommen konnten. Dieſe, als ſie inne wurden, was geſchehen war, gedachten An¬ fangs die Feinde zu verfolgen, aber Juno ſchreckte ſie mit warnenden Blitzen vom Himmel, und da ſie zu Hauſe den Zorn des Königes fürchteten, wenn ſie ihm Sohn und Tochter nicht zurück brächten, ſo blieben ſie auf den Dianeninſeln in der Mündung des Iſter zurück und ſie¬ delten ſich hier an. Die Argonauten aber ſchifften an mancherlei Ge¬ ſtaden und Inſeln vorüber, auch an dem Eilande, wo die Königin Kalypſo, die Tochter des Atlas, wohnte. Schon glaubten ſie in der Ferne die höchſten Bergſpitzen des heimiſchen Feſtlandes aufſteigen zu ſehen, als Juno, welche die Plane des erzürnten Jupiters fürchtete, einen Sturm gegen ſie erhob, der ihr Schiff mit Ungeſtüm an die unwirthliche Inſel Elektris trieb. Jetzt begann auch das weiſſagende Holz, das Minerva mitten in den Kiel eingefügt hatte, zu ſprechen und entſetzliche Furcht ergriff die Horchenden. „Ihr werdet Jupiters Zorn und den Irrfahrten des Meeres nicht entgehen,“ tönte das hohle Brett, „bevor nicht die Zaubergöttin Circe euch den grau¬ ſamen Mord des Abſyrtus abgewaſchen hat. Kaſtor und Pollux ſollen zu den Göttern beten, daß ſie euch die Pfade des Meeres öffnen, und ihr Circe finden könnet, die Tochter des Sonnengottes und der Perſe.“ So ſprach der hölzerne Mund des Schiffes Argo um die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/180
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/180>, abgerufen am 24.11.2024.