Abenddämmerung. Schauder und Furcht ergriff die Hel¬ den, als sie den seltsamen Propheten so Schreckliches ver¬ künden hörten. Die Zwillinge Kastor und Pollux allein sprangen auf und hatten den Muth, zu den unsterblichen Göttern um Schutz zu beten; das Schiff aber schoß wei¬ ter bis in die innerste Bucht des Eridanus, da wo einst Phaethon verbrannt vom Sonnenwagen in die Fluth ge¬ fallen war. Noch jetzt schickt er aus der Tiefe Rauch und Gluth aus seiner brennenden Wunde hervor, und kein Schiff kann mit leichten Segeln über dieses Gewässer hinfliegen, sondern es springt mitten in die Flamme hin¬ ein. Ringsumher am Ufer seufzen, in Pappeln verwan¬ delt, Phaethon's Schwestern, die Heliaden, im Winde, und träufeln lichte Thränen aus Bernstein auf den Boden, welche die Sonne trocknet und die Fluth in den Eridanus hineinzieht. Den Argonauten half zwar ihr starkes Schiff aus dieser Gefahr, aber alle Lust nach Speise und Trank verging ihnen; denn bei Tage peinigte sie der unerträg¬ liche Geruch, der aus den Fluthen des Eridanus vom dampfenden Phaethon aufstieg, und bei Nacht hörten sie ganz deutlich das Wehklagen der Heliaden, und wie die Bernsteinthränen gleich Oeltropfen ins Meer rollten. An den Ufern des Eridanus hin kamen sie zu einer Mündung des Rhodanus und wären hineingeschifft, von wannen sie nicht lebendig herauskommen sollten, wenn nicht Juno plötzlich auf einer Klippe erschienen wäre, und mit furcht¬ barer Götterstimme sie abgemahnt hätte. Diese hüllte das Schiff schirmend in schwarzen Nebel und so fuhren sie an unzähligen Celtenvölkern viele Tage und Nächte vorbei, bis sie endlich das Tyrrhenische Ufer erblickten und bald darauf glücklich in den Hafen der Insel Circe's einliefen.
Abenddämmerung. Schauder und Furcht ergriff die Hel¬ den, als ſie den ſeltſamen Propheten ſo Schreckliches ver¬ künden hörten. Die Zwillinge Kaſtor und Pollux allein ſprangen auf und hatten den Muth, zu den unſterblichen Göttern um Schutz zu beten; das Schiff aber ſchoß wei¬ ter bis in die innerſte Bucht des Eridanus, da wo einſt Phaethon verbrannt vom Sonnenwagen in die Fluth ge¬ fallen war. Noch jetzt ſchickt er aus der Tiefe Rauch und Gluth aus ſeiner brennenden Wunde hervor, und kein Schiff kann mit leichten Segeln über dieſes Gewäſſer hinfliegen, ſondern es ſpringt mitten in die Flamme hin¬ ein. Ringsumher am Ufer ſeufzen, in Pappeln verwan¬ delt, Phaethon's Schweſtern, die Heliaden, im Winde, und träufeln lichte Thränen aus Bernſtein auf den Boden, welche die Sonne trocknet und die Fluth in den Eridanus hineinzieht. Den Argonauten half zwar ihr ſtarkes Schiff aus dieſer Gefahr, aber alle Luſt nach Speiſe und Trank verging ihnen; denn bei Tage peinigte ſie der unerträg¬ liche Geruch, der aus den Fluthen des Eridanus vom dampfenden Phaethon aufſtieg, und bei Nacht hörten ſie ganz deutlich das Wehklagen der Heliaden, und wie die Bernſteinthränen gleich Oeltropfen ins Meer rollten. An den Ufern des Eridanus hin kamen ſie zu einer Mündung des Rhodanus und wären hineingeſchifft, von wannen ſie nicht lebendig herauskommen ſollten, wenn nicht Juno plötzlich auf einer Klippe erſchienen wäre, und mit furcht¬ barer Götterſtimme ſie abgemahnt hätte. Dieſe hüllte das Schiff ſchirmend in ſchwarzen Nebel und ſo fuhren ſie an unzähligen Celtenvölkern viele Tage und Nächte vorbei, bis ſie endlich das Tyrrheniſche Ufer erblickten und bald darauf glücklich in den Hafen der Inſel Circe's einliefen.
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Abenddämmerung. Schauder und Furcht ergriff die Hel¬
den, als ſie den ſeltſamen Propheten ſo Schreckliches ver¬
künden hörten. Die Zwillinge Kaſtor und Pollux allein
ſprangen auf und hatten den Muth, zu den unſterblichen
Göttern um Schutz zu beten; das Schiff aber ſchoß wei¬
ter bis in die innerſte Bucht des Eridanus, da wo einſt
Phaethon verbrannt vom Sonnenwagen in die Fluth ge¬
fallen war. Noch jetzt ſchickt er aus der Tiefe Rauch und
Gluth aus ſeiner brennenden Wunde hervor, und kein
Schiff kann mit leichten Segeln über dieſes Gewäſſer
hinfliegen, ſondern es ſpringt mitten in die Flamme hin¬
ein. Ringsumher am Ufer ſeufzen, in Pappeln verwan¬
delt, Phaethon's Schweſtern, die Heliaden, im Winde, und
träufeln lichte Thränen aus Bernſtein auf den Boden,
welche die Sonne trocknet und die Fluth in den Eridanus
hineinzieht. Den Argonauten half zwar ihr ſtarkes Schiff
aus dieſer Gefahr, aber alle Luſt nach Speiſe und Trank
verging ihnen; denn bei Tage peinigte ſie der unerträg¬
liche Geruch, der aus den Fluthen des Eridanus vom
dampfenden Phaethon aufſtieg, und bei Nacht hörten ſie
ganz deutlich das Wehklagen der Heliaden, und wie die
Bernſteinthränen gleich Oeltropfen ins Meer rollten. An
den Ufern des Eridanus hin kamen ſie zu einer Mündung
des Rhodanus und wären hineingeſchifft, von wannen
ſie nicht lebendig herauskommen ſollten, wenn nicht Juno
plötzlich auf einer Klippe erſchienen wäre, und mit furcht¬
barer Götterſtimme ſie abgemahnt hätte. Dieſe hüllte das
Schiff ſchirmend in ſchwarzen Nebel und ſo fuhren ſie an
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bis ſie endlich das Tyrrheniſche Ufer erblickten und bald
darauf glücklich in den Hafen der Inſel Circe's einliefen.
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/181>, abgerufen am 24.11.2024.
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