aus und durchbrach eine Koppel von Hunden. Geschoß um Geschoß flog ihm nach, aber die Wunden streiften ihn nur und vermehrten seinen Grimm. Mit funkelndem Auge und dampfender Brust kehrte er um, flog wie ein vom Wurfgeschoße geschleuderter Felsblock auf die rechte Flanke der Jäger und riß ihrer drei, tödtlich verwundet, zu Boden. Ein Vierter, es war Nestor, der nachmals so berühmte Held, rettete sich auf die Aeste eines Eich¬ baumes, an dessen Stamm der Eber grimmig seine Hauer wetzte. Hier hätten ihn die Zwillingsbrüder Castor und Pollux, die hoch auf schneeweißen Rossen saßen, mit ihren Speeren erreicht, wenn das borstige Thier sich nicht ins unzugänglichere Dickicht geflüchtet hätte. Jetzt legte Ata¬ lante einen Pfeil auf ihren Bogen und sandte ihn dem Thier in das Gebüsch nach. Das Rohr traf den Eber unter dem Ohr und zum erstenmal röthete Blut seine Borsten. Meleager sah die Wunde zuerst und zeigte sie jubelnd seinen Gefährten: "Fürwahr, o Jungfrau," rief er "der Preis der Tapferkeit gebühret dir!" Da schäm¬ ten sich die Männer, daß ein Weib ihnen den Sieg strei¬ tig machen sollte, und alle zumal warfen ihre Speere; aber gerade dieser Schwarm von Geschoßen verhinderte die Würfe, das Thier zu treffen. Mit stolzen Worten erhob jetzt der Arkadier Ancäus die doppelte Streitaxt mit seinen beiden Händen und stellte sich zum Hieb ausholend auf die Zehen. Aber der Eber stieß ihm die beiden Hauer in die Weichen, ehe er den Streich vollführen konnte, und er stürzte von Blut gebadet, mit entblößten Gedärmen, auf den Boden. Dann warf Jason seinen Speer; allein diesen lenkte der Zufall in den Nacken einer unschuldigen Dogge. Endlich schoß Meleager zwei Speere hintereinander ab. Der erste fuhr
aus und durchbrach eine Koppel von Hunden. Geſchoß um Geſchoß flog ihm nach, aber die Wunden ſtreiften ihn nur und vermehrten ſeinen Grimm. Mit funkelndem Auge und dampfender Bruſt kehrte er um, flog wie ein vom Wurfgeſchoße geſchleuderter Felsblock auf die rechte Flanke der Jäger und riß ihrer drei, tödtlich verwundet, zu Boden. Ein Vierter, es war Neſtor, der nachmals ſo berühmte Held, rettete ſich auf die Aeſte eines Eich¬ baumes, an deſſen Stamm der Eber grimmig ſeine Hauer wetzte. Hier hätten ihn die Zwillingsbrüder Caſtor und Pollux, die hoch auf ſchneeweißen Roſſen ſaßen, mit ihren Speeren erreicht, wenn das borſtige Thier ſich nicht ins unzugänglichere Dickicht geflüchtet hätte. Jetzt legte Ata¬ lante einen Pfeil auf ihren Bogen und ſandte ihn dem Thier in das Gebüſch nach. Das Rohr traf den Eber unter dem Ohr und zum erſtenmal röthete Blut ſeine Borſten. Meleager ſah die Wunde zuerſt und zeigte ſie jubelnd ſeinen Gefährten: „Fürwahr, o Jungfrau,“ rief er „der Preis der Tapferkeit gebühret dir!“ Da ſchäm¬ ten ſich die Männer, daß ein Weib ihnen den Sieg ſtrei¬ tig machen ſollte, und alle zumal warfen ihre Speere; aber gerade dieſer Schwarm von Geſchoßen verhinderte die Würfe, das Thier zu treffen. Mit ſtolzen Worten erhob jetzt der Arkadier Ancäus die doppelte Streitaxt mit ſeinen beiden Händen und ſtellte ſich zum Hieb ausholend auf die Zehen. Aber der Eber ſtieß ihm die beiden Hauer in die Weichen, ehe er den Streich vollführen konnte, und er ſtürzte von Blut gebadet, mit entblößten Gedärmen, auf den Boden. Dann warf Jaſon ſeinen Speer; allein dieſen lenkte der Zufall in den Nacken einer unſchuldigen Dogge. Endlich ſchoß Meleager zwei Speere hintereinander ab. Der erſte fuhr
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[181/0207]
aus und durchbrach eine Koppel von Hunden. Geſchoß
um Geſchoß flog ihm nach, aber die Wunden ſtreiften ihn
nur und vermehrten ſeinen Grimm. Mit funkelndem
Auge und dampfender Bruſt kehrte er um, flog wie ein
vom Wurfgeſchoße geſchleuderter Felsblock auf die rechte
Flanke der Jäger und riß ihrer drei, tödtlich verwundet,
zu Boden. Ein Vierter, es war Neſtor, der nachmals
ſo berühmte Held, rettete ſich auf die Aeſte eines Eich¬
baumes, an deſſen Stamm der Eber grimmig ſeine Hauer
wetzte. Hier hätten ihn die Zwillingsbrüder Caſtor und
Pollux, die hoch auf ſchneeweißen Roſſen ſaßen, mit ihren
Speeren erreicht, wenn das borſtige Thier ſich nicht ins
unzugänglichere Dickicht geflüchtet hätte. Jetzt legte Ata¬
lante einen Pfeil auf ihren Bogen und ſandte ihn dem
Thier in das Gebüſch nach. Das Rohr traf den Eber
unter dem Ohr und zum erſtenmal röthete Blut ſeine
Borſten. Meleager ſah die Wunde zuerſt und zeigte ſie
jubelnd ſeinen Gefährten: „Fürwahr, o Jungfrau,“ rief
er „der Preis der Tapferkeit gebühret dir!“ Da ſchäm¬
ten ſich die Männer, daß ein Weib ihnen den Sieg ſtrei¬
tig machen ſollte, und alle zumal warfen ihre Speere;
aber gerade dieſer Schwarm von Geſchoßen verhinderte die
Würfe, das Thier zu treffen. Mit ſtolzen Worten erhob
jetzt der Arkadier Ancäus die doppelte Streitaxt mit ſeinen
beiden Händen und ſtellte ſich zum Hieb ausholend auf
die Zehen. Aber der Eber ſtieß ihm die beiden Hauer in die
Weichen, ehe er den Streich vollführen konnte, und er ſtürzte
von Blut gebadet, mit entblößten Gedärmen, auf den Boden.
Dann warf Jaſon ſeinen Speer; allein dieſen lenkte der
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ſchoß Meleager zwei Speere hintereinander ab. Der erſte fuhr
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/207>, abgerufen am 21.11.2024.
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