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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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sprach sie, "ihr Strafgöttinnen, zu diesem Furienopfer!
und ihr, kürzlich geschiedene Geister meiner Brüder, fühlet
was ich für euch thue, sieget und nehmet als theuer er¬
kauftes Todtengeschenk die unselige Frucht meines eigenen
Leibes an! Mir selbst bricht das Herz von Mutterliebe
und bald werde ich dem Troste, den ich euch sende, selbst
nachfolgen." So sprach sie, und mit abgewendetem Blick
und zitternder Hand legte sie das Holz mitten in die
Flammen hinein.

Meleager, der inzwischen auch in die Stadt zurück¬
gekehrt war, und über seinem Siege, seiner Liebe und
seiner Mordthat in wechselnden Empfindungen brütete,
fühlte plötzlich, ohne zu wissen woher, seinen innersten
Leib von einer heimlichen Fiebergluth ergriffen, und ver¬
zehrende Schmerzen warfen ihn auf das Lager. Er be¬
siegte sie mit Heldenkraft; aber es jammerte ihn tief,
eines unrühmlichen und unblutigen Todes sterben zu
müssen. Er beneidete die Genossen, die unter den Strei¬
chen des Ebers gefallen waren, er rief den Bruder, die
Schwestern, den greisen Vater und mit stöhnendem
Munde auch die Mutter herbei, die noch immer am
Feuer stand und mit starren Augen dem sich verzehren¬
den Brande zusah. Der Schmerz ihres Sohnes wuchs
mit dem Feuer, aber als allmählig die Kohle sich in der
bleichenden Asche verbarg, erlosch auch seine Qual und
er verhauchte seinen Geist mit dem letzten Funken in
die Luft. Ueber seiner Leiche wehklagten Vater und
Schwestern und ganz Kalydon trauerte, nur die Mutter
war ferne. Den Strick um den Hals gewunden, fand
man ihre Leiche vor dem Herde niedergestreckt, auf
welchem die verglommene Asche des Feuerbrandes ruhte.


ſprach ſie, „ihr Strafgöttinnen, zu dieſem Furienopfer!
und ihr, kürzlich geſchiedene Geiſter meiner Brüder, fühlet
was ich für euch thue, ſieget und nehmet als theuer er¬
kauftes Todtengeſchenk die unſelige Frucht meines eigenen
Leibes an! Mir ſelbſt bricht das Herz von Mutterliebe
und bald werde ich dem Troſte, den ich euch ſende, ſelbſt
nachfolgen.“ So ſprach ſie, und mit abgewendetem Blick
und zitternder Hand legte ſie das Holz mitten in die
Flammen hinein.

Meleager, der inzwiſchen auch in die Stadt zurück¬
gekehrt war, und über ſeinem Siege, ſeiner Liebe und
ſeiner Mordthat in wechſelnden Empfindungen brütete,
fühlte plötzlich, ohne zu wiſſen woher, ſeinen innerſten
Leib von einer heimlichen Fiebergluth ergriffen, und ver¬
zehrende Schmerzen warfen ihn auf das Lager. Er be¬
ſiegte ſie mit Heldenkraft; aber es jammerte ihn tief,
eines unrühmlichen und unblutigen Todes ſterben zu
müſſen. Er beneidete die Genoſſen, die unter den Strei¬
chen des Ebers gefallen waren, er rief den Bruder, die
Schweſtern, den greiſen Vater und mit ſtöhnendem
Munde auch die Mutter herbei, die noch immer am
Feuer ſtand und mit ſtarren Augen dem ſich verzehren¬
den Brande zuſah. Der Schmerz ihres Sohnes wuchs
mit dem Feuer, aber als allmählig die Kohle ſich in der
bleichenden Aſche verbarg, erloſch auch ſeine Qual und
er verhauchte ſeinen Geiſt mit dem letzten Funken in
die Luft. Ueber ſeiner Leiche wehklagten Vater und
Schweſtern und ganz Kalydon trauerte, nur die Mutter
war ferne. Den Strick um den Hals gewunden, fand
man ihre Leiche vor dem Herde niedergeſtreckt, auf
welchem die verglommene Aſche des Feuerbrandes ruhte.


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[184/0210] ſprach ſie, „ihr Strafgöttinnen, zu dieſem Furienopfer! und ihr, kürzlich geſchiedene Geiſter meiner Brüder, fühlet was ich für euch thue, ſieget und nehmet als theuer er¬ kauftes Todtengeſchenk die unſelige Frucht meines eigenen Leibes an! Mir ſelbſt bricht das Herz von Mutterliebe und bald werde ich dem Troſte, den ich euch ſende, ſelbſt nachfolgen.“ So ſprach ſie, und mit abgewendetem Blick und zitternder Hand legte ſie das Holz mitten in die Flammen hinein. Meleager, der inzwiſchen auch in die Stadt zurück¬ gekehrt war, und über ſeinem Siege, ſeiner Liebe und ſeiner Mordthat in wechſelnden Empfindungen brütete, fühlte plötzlich, ohne zu wiſſen woher, ſeinen innerſten Leib von einer heimlichen Fiebergluth ergriffen, und ver¬ zehrende Schmerzen warfen ihn auf das Lager. Er be¬ ſiegte ſie mit Heldenkraft; aber es jammerte ihn tief, eines unrühmlichen und unblutigen Todes ſterben zu müſſen. Er beneidete die Genoſſen, die unter den Strei¬ chen des Ebers gefallen waren, er rief den Bruder, die Schweſtern, den greiſen Vater und mit ſtöhnendem Munde auch die Mutter herbei, die noch immer am Feuer ſtand und mit ſtarren Augen dem ſich verzehren¬ den Brande zuſah. Der Schmerz ihres Sohnes wuchs mit dem Feuer, aber als allmählig die Kohle ſich in der bleichenden Aſche verbarg, erloſch auch ſeine Qual und er verhauchte ſeinen Geiſt mit dem letzten Funken in die Luft. Ueber ſeiner Leiche wehklagten Vater und Schweſtern und ganz Kalydon trauerte, nur die Mutter war ferne. Den Strick um den Hals gewunden, fand man ihre Leiche vor dem Herde niedergeſtreckt, auf welchem die verglommene Aſche des Feuerbrandes ruhte.

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/210>, abgerufen am 21.11.2024.