sen, da wurde jeder von Bewunderung der schönen Ge¬ stalt und der Kühnheit des Andern so sehr ergriffen, daß sie wie auf ein gegebenes Zeichen die Streitwaffen zu Boden warfen und auf einander zueilten. Pirithous streckte dem Theseus die Rechte entgegen und forderte ihn auf, selbst als Schiedsrichter über den Raub der Rinder zu entscheiden: welche Genugthuung Theseus be¬ stimmen werde, der wolle er sich freiwillig unterwerfen. "Die einzige Genugthuung, die ich verlange," erwiederte Theseus mit leuchtendem Blicke, "ist die, daß du aus einem Feinde und Beschädiger mein Freund und Kampfgenosse werdest!" Nun umarmten sich die beiden Helden und schwuren einander treue Freundschaft zu.
Als hierauf Pirithous die thessalische Fürstentochter Hippudamia, aus dem Geschlechte der Lapithen, freite, lud er auch seinen Waffenbruder Theseus zu der Hochzeit. Die Lapithen, unter denen die Festlichkeit gefeiert wurde, wa¬ ren ein berühmter Stamm Thessaliens, rohe, zur Thiergestalt sich neigende Bergmenschen, die ersten Sterblichen, welche Pferde bändigen lernten. Die Braut aber, welche diesem Ge¬ schlechte entsproßt war, hatte nichts den Männern dieses Stammes Aehnliche. Sie war holdselig von Gestalt, zar¬ ten jungfräulichen Antlitzes und so schön, daß den Piri¬ thous alle Gäste um ihretwillen glückselig priesen. Alle Fürsten Thessaliens waren bei dem Feste erschienen; aber auch die Verwandten des Pirithous, die Centauren fan¬ den sich ein, die Halbmenschen, die von dem Ungeheuer abstammten, das die Wolke, welche Ixion, der Vater des Pirithous, anstatt der Juno umarmt hatte, diesem dereinst geboren: daher sie auch alle zusammen die Wolkensöhne hießen. Diese waren die beständigen Feinde der Lapithen.
ſen, da wurde jeder von Bewunderung der ſchönen Ge¬ ſtalt und der Kühnheit des Andern ſo ſehr ergriffen, daß ſie wie auf ein gegebenes Zeichen die Streitwaffen zu Boden warfen und auf einander zueilten. Pirithous ſtreckte dem Theſeus die Rechte entgegen und forderte ihn auf, ſelbſt als Schiedsrichter über den Raub der Rinder zu entſcheiden: welche Genugthuung Theſeus be¬ ſtimmen werde, der wolle er ſich freiwillig unterwerfen. „Die einzige Genugthuung, die ich verlange,“ erwiederte Theſeus mit leuchtendem Blicke, „iſt die, daß du aus einem Feinde und Beſchädiger mein Freund und Kampfgenoſſe werdeſt!“ Nun umarmten ſich die beiden Helden und ſchwuren einander treue Freundſchaft zu.
Als hierauf Pirithous die theſſaliſche Fürſtentochter Hippudamia, aus dem Geſchlechte der Lapithen, freite, lud er auch ſeinen Waffenbruder Theſeus zu der Hochzeit. Die Lapithen, unter denen die Feſtlichkeit gefeiert wurde, wa¬ ren ein berühmter Stamm Theſſaliens, rohe, zur Thiergeſtalt ſich neigende Bergmenſchen, die erſten Sterblichen, welche Pferde bändigen lernten. Die Braut aber, welche dieſem Ge¬ ſchlechte entſproßt war, hatte nichts den Männern dieſes Stammes Aehnliche. Sie war holdſelig von Geſtalt, zar¬ ten jungfräulichen Antlitzes und ſo ſchön, daß den Piri¬ thous alle Gäſte um ihretwillen glückſelig prieſen. Alle Fürſten Theſſaliens waren bei dem Feſte erſchienen; aber auch die Verwandten des Pirithous, die Centauren fan¬ den ſich ein, die Halbmenſchen, die von dem Ungeheuer abſtammten, das die Wolke, welche Ixion, der Vater des Pirithous, anſtatt der Juno umarmt hatte, dieſem dereinſt geboren: daher ſie auch alle zuſammen die Wolkenſöhne hießen. Dieſe waren die beſtändigen Feinde der Lapithen.
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ſen, da wurde jeder von Bewunderung der ſchönen Ge¬
ſtalt und der Kühnheit des Andern ſo ſehr ergriffen, daß
ſie wie auf ein gegebenes Zeichen die Streitwaffen zu
Boden warfen und auf einander zueilten. Pirithous
ſtreckte dem Theſeus die Rechte entgegen und forderte
ihn auf, ſelbſt als Schiedsrichter über den Raub der
Rinder zu entſcheiden: welche Genugthuung Theſeus be¬
ſtimmen werde, der wolle er ſich freiwillig unterwerfen.
„Die einzige Genugthuung, die ich verlange,“ erwiederte
Theſeus mit leuchtendem Blicke, „iſt die, daß du aus einem
Feinde und Beſchädiger mein Freund und Kampfgenoſſe
werdeſt!“ Nun umarmten ſich die beiden Helden und
ſchwuren einander treue Freundſchaft zu.
Als hierauf Pirithous die theſſaliſche Fürſtentochter
Hippudamia, aus dem Geſchlechte der Lapithen, freite,
lud er auch ſeinen Waffenbruder Theſeus zu der Hochzeit.
Die Lapithen, unter denen die Feſtlichkeit gefeiert wurde, wa¬
ren ein berühmter Stamm Theſſaliens, rohe, zur Thiergeſtalt
ſich neigende Bergmenſchen, die erſten Sterblichen, welche
Pferde bändigen lernten. Die Braut aber, welche dieſem Ge¬
ſchlechte entſproßt war, hatte nichts den Männern dieſes
Stammes Aehnliche. Sie war holdſelig von Geſtalt, zar¬
ten jungfräulichen Antlitzes und ſo ſchön, daß den Piri¬
thous alle Gäſte um ihretwillen glückſelig prieſen. Alle
Fürſten Theſſaliens waren bei dem Feſte erſchienen; aber
auch die Verwandten des Pirithous, die Centauren fan¬
den ſich ein, die Halbmenſchen, die von dem Ungeheuer
abſtammten, das die Wolke, welche Ixion, der Vater des
Pirithous, anſtatt der Juno umarmt hatte, dieſem dereinſt
geboren: daher ſie auch alle zuſammen die Wolkenſöhne
hießen. Dieſe waren die beſtändigen Feinde der Lapithen.
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/321>, abgerufen am 22.11.2024.
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