sigen Centauren, den Peträus, wie er gerade einen Eichen¬ stamm aus der Erde zu rütteln bemüht war, um damit zu kämpfen; so wie er den Stamm eben umklammert hielt, heftete der Speer seine schwer athmende Brust ans knorrige Eichenholz. Ein zweiter, Diktys, fiel vor den Streichen des griechischen Helden und zerknickte im Fal¬ len eine mächtige Esche. Ein dritter wollte diesen rä¬ chen, wurde aber von Theseus mit einem Eichpfahl zer¬ malmt. Der schönste und jugendlichste unter den Cen¬ tauren war Cyllarus; goldfarben sein langes Lockenhaar und sein Bart, sein Antlitz freundlich, Nacken, Schultern, Hände und Brust wie vom Künstler geformt, auch der untere Theil seines Körpers, der Roßleib, war ohne Fehle, der Rücken bequem zum Sitzen, die Brust hoch¬ gewölbt, die Farbe pechschwarz, nur Beine und Ro߬ schweif lichtfarbig. Er war mit seiner Geliebten, der schönen Centaurin Hylonome, bei'm Fest erschienen, die sich bei'm Mahle liebkosend an ihn lehnte, und auch jetzt mit ihm vereint im wüthenden Kampf an seiner Seite focht. Diesen traf, von unbekannter Hand, eine leichte Wunde in's Herz, daß er sterbend seiner Geliebten in die Arme sank. Hylonome pflegte seine sterbenden Glieder, küßte ihn und versuchte vergebens den entfliehenden Athem aufzuhalten. Als sie ihn verscheiden sah, zog sie ihm den Wurfpfeil aus dem Herzen und stürzte sich darein.
Noch lange wüthete der Kampf zwischen den Lapi¬ then und den Centauren fort, bis die letzteren ganz un¬ terlegen waren und nur Flucht und Nacht dem weitern Gemetzel sie entrückte. Jetzt blieb Pirithous im unbe¬ strittenen Besitze seiner Braut, und Theseus verabschie¬ dete sich am andern Morgen von seinem Freunde. Der
ſigen Centauren, den Peträus, wie er gerade einen Eichen¬ ſtamm aus der Erde zu rütteln bemüht war, um damit zu kämpfen; ſo wie er den Stamm eben umklammert hielt, heftete der Speer ſeine ſchwer athmende Bruſt ans knorrige Eichenholz. Ein zweiter, Diktys, fiel vor den Streichen des griechiſchen Helden und zerknickte im Fal¬ len eine mächtige Eſche. Ein dritter wollte dieſen rä¬ chen, wurde aber von Theſeus mit einem Eichpfahl zer¬ malmt. Der ſchönſte und jugendlichſte unter den Cen¬ tauren war Cyllarus; goldfarben ſein langes Lockenhaar und ſein Bart, ſein Antlitz freundlich, Nacken, Schultern, Hände und Bruſt wie vom Künſtler geformt, auch der untere Theil ſeines Körpers, der Roßleib, war ohne Fehle, der Rücken bequem zum Sitzen, die Bruſt hoch¬ gewölbt, die Farbe pechſchwarz, nur Beine und Ro߬ ſchweif lichtfarbig. Er war mit ſeiner Geliebten, der ſchönen Centaurin Hylonome, bei'm Feſt erſchienen, die ſich bei'm Mahle liebkoſend an ihn lehnte, und auch jetzt mit ihm vereint im wüthenden Kampf an ſeiner Seite focht. Dieſen traf, von unbekannter Hand, eine leichte Wunde in's Herz, daß er ſterbend ſeiner Geliebten in die Arme ſank. Hylonome pflegte ſeine ſterbenden Glieder, küßte ihn und verſuchte vergebens den entfliehenden Athem aufzuhalten. Als ſie ihn verſcheiden ſah, zog ſie ihm den Wurfpfeil aus dem Herzen und ſtürzte ſich darein.
Noch lange wüthete der Kampf zwiſchen den Lapi¬ then und den Centauren fort, bis die letzteren ganz un¬ terlegen waren und nur Flucht und Nacht dem weitern Gemetzel ſie entrückte. Jetzt blieb Pirithous im unbe¬ ſtrittenen Beſitze ſeiner Braut, und Theſeus verabſchie¬ dete ſich am andern Morgen von ſeinem Freunde. Der
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ſigen Centauren, den Peträus, wie er gerade einen Eichen¬
ſtamm aus der Erde zu rütteln bemüht war, um damit
zu kämpfen; ſo wie er den Stamm eben umklammert
hielt, heftete der Speer ſeine ſchwer athmende Bruſt ans
knorrige Eichenholz. Ein zweiter, Diktys, fiel vor den
Streichen des griechiſchen Helden und zerknickte im Fal¬
len eine mächtige Eſche. Ein dritter wollte dieſen rä¬
chen, wurde aber von Theſeus mit einem Eichpfahl zer¬
malmt. Der ſchönſte und jugendlichſte unter den Cen¬
tauren war Cyllarus; goldfarben ſein langes Lockenhaar
und ſein Bart, ſein Antlitz freundlich, Nacken, Schultern,
Hände und Bruſt wie vom Künſtler geformt, auch der
untere Theil ſeines Körpers, der Roßleib, war ohne
Fehle, der Rücken bequem zum Sitzen, die Bruſt hoch¬
gewölbt, die Farbe pechſchwarz, nur Beine und Ro߬
ſchweif lichtfarbig. Er war mit ſeiner Geliebten, der
ſchönen Centaurin Hylonome, bei'm Feſt erſchienen, die ſich
bei'm Mahle liebkoſend an ihn lehnte, und auch jetzt mit
ihm vereint im wüthenden Kampf an ſeiner Seite focht.
Dieſen traf, von unbekannter Hand, eine leichte Wunde
in's Herz, daß er ſterbend ſeiner Geliebten in die Arme
ſank. Hylonome pflegte ſeine ſterbenden Glieder, küßte
ihn und verſuchte vergebens den entfliehenden Athem
aufzuhalten. Als ſie ihn verſcheiden ſah, zog ſie ihm
den Wurfpfeil aus dem Herzen und ſtürzte ſich darein.
Noch lange wüthete der Kampf zwiſchen den Lapi¬
then und den Centauren fort, bis die letzteren ganz un¬
terlegen waren und nur Flucht und Nacht dem weitern
Gemetzel ſie entrückte. Jetzt blieb Pirithous im unbe¬
ſtrittenen Beſitze ſeiner Braut, und Theſeus verabſchie¬
dete ſich am andern Morgen von ſeinem Freunde. Der
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/324>, abgerufen am 22.11.2024.
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