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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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reizen, während Ich noch lebe, und so zwei Helden in Ei¬
nem zu kränken?" Mit diesem Worte drängte er auf
die Stürmenden ein und entriß dem wüthenden Räuber
die Geraubte. Eurytion sprach nichts darauf, denn er
konnte seine That nicht vertheidigen, sondern er hub seine
Hand gegen Theseus auf und versetzte diesem einen Schlag
auf die Brust. Aber Theseus griff -- da ihm keine
Waffe zur Hand war -- einen ehernen Krug mit erha¬
bener Arbeit, der zufällig neben ihm stand; diesen schmet¬
terte er dem Gegner in's Antlitz, daß er rücklings in
den Sand fiel und Gehirn und Blut zugleich aus der
Kopfwunde drang. "Zu den Waffen!" scholl es jetzt
von allen Seiten an den Centaurentischen; zuerst flogen
Becher, Flaschen und Näpfe; dann entriß ein tempel¬
räuberisches Unthier die Weihgeschenke den benachbarten
heiligen Stätten; ein anderer riß die Lampe herab, die
über dem Mahle voll Kerzen brannte, wieder ein anderer
focht mit einem Hirschgeweih, das an den Wänden der
Grotte als Schmuck und Weihgeschenk hing. Ein ent¬
setzliches Gemetzel wurde unter den Lapithen angerichtet.
Rhötus, der Schlimmste nach Eurytion, ergriff die größte
Brandfackel vom Altare und bohrte sie einem schon ver¬
wundeten Lapithen wie ein Schwerdt in die klaffende
Wunde, daß das Blut wie Eisen in der Esse zischte.
Gegen diesen jedoch hub der tapferste Lapithe, Dryas,
einen im Feuer geglühten Pfahl und durchbohrte ihn
zwischen Nacken und Schulter. Der Fall dieses Cen¬
tauren that dem Morden seiner rasenden Gesellen Ein¬
halt und Dryas vergalt nun den Wüthenden, indem er
fünf hinter einander niederstreckte. Jetzt flog auch der
Speer des Helden Pirithous und durchbohrte einen rie¬

reizen, während Ich noch lebe, und ſo zwei Helden in Ei¬
nem zu kränken?“ Mit dieſem Worte drängte er auf
die Stürmenden ein und entriß dem wüthenden Räuber
die Geraubte. Eurytion ſprach nichts darauf, denn er
konnte ſeine That nicht vertheidigen, ſondern er hub ſeine
Hand gegen Theſeus auf und verſetzte dieſem einen Schlag
auf die Bruſt. Aber Theſeus griff — da ihm keine
Waffe zur Hand war — einen ehernen Krug mit erha¬
bener Arbeit, der zufällig neben ihm ſtand; dieſen ſchmet¬
terte er dem Gegner in's Antlitz, daß er rücklings in
den Sand fiel und Gehirn und Blut zugleich aus der
Kopfwunde drang. „Zu den Waffen!“ ſcholl es jetzt
von allen Seiten an den Centaurentiſchen; zuerſt flogen
Becher, Flaſchen und Näpfe; dann entriß ein tempel¬
räuberiſches Unthier die Weihgeſchenke den benachbarten
heiligen Stätten; ein anderer riß die Lampe herab, die
über dem Mahle voll Kerzen brannte, wieder ein anderer
focht mit einem Hirſchgeweih, das an den Wänden der
Grotte als Schmuck und Weihgeſchenk hing. Ein ent¬
ſetzliches Gemetzel wurde unter den Lapithen angerichtet.
Rhötus, der Schlimmſte nach Eurytion, ergriff die größte
Brandfackel vom Altare und bohrte ſie einem ſchon ver¬
wundeten Lapithen wie ein Schwerdt in die klaffende
Wunde, daß das Blut wie Eiſen in der Eſſe ziſchte.
Gegen dieſen jedoch hub der tapferſte Lapithe, Dryas,
einen im Feuer geglühten Pfahl und durchbohrte ihn
zwiſchen Nacken und Schulter. Der Fall dieſes Cen¬
tauren that dem Morden ſeiner raſenden Geſellen Ein¬
halt und Dryas vergalt nun den Wüthenden, indem er
fünf hinter einander niederſtreckte. Jetzt flog auch der
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[297/0323] reizen, während Ich noch lebe, und ſo zwei Helden in Ei¬ nem zu kränken?“ Mit dieſem Worte drängte er auf die Stürmenden ein und entriß dem wüthenden Räuber die Geraubte. Eurytion ſprach nichts darauf, denn er konnte ſeine That nicht vertheidigen, ſondern er hub ſeine Hand gegen Theſeus auf und verſetzte dieſem einen Schlag auf die Bruſt. Aber Theſeus griff — da ihm keine Waffe zur Hand war — einen ehernen Krug mit erha¬ bener Arbeit, der zufällig neben ihm ſtand; dieſen ſchmet¬ terte er dem Gegner in's Antlitz, daß er rücklings in den Sand fiel und Gehirn und Blut zugleich aus der Kopfwunde drang. „Zu den Waffen!“ ſcholl es jetzt von allen Seiten an den Centaurentiſchen; zuerſt flogen Becher, Flaſchen und Näpfe; dann entriß ein tempel¬ räuberiſches Unthier die Weihgeſchenke den benachbarten heiligen Stätten; ein anderer riß die Lampe herab, die über dem Mahle voll Kerzen brannte, wieder ein anderer focht mit einem Hirſchgeweih, das an den Wänden der Grotte als Schmuck und Weihgeſchenk hing. Ein ent¬ ſetzliches Gemetzel wurde unter den Lapithen angerichtet. Rhötus, der Schlimmſte nach Eurytion, ergriff die größte Brandfackel vom Altare und bohrte ſie einem ſchon ver¬ wundeten Lapithen wie ein Schwerdt in die klaffende Wunde, daß das Blut wie Eiſen in der Eſſe ziſchte. Gegen dieſen jedoch hub der tapferſte Lapithe, Dryas, einen im Feuer geglühten Pfahl und durchbohrte ihn zwiſchen Nacken und Schulter. Der Fall dieſes Cen¬ tauren that dem Morden ſeiner raſenden Geſellen Ein¬ halt und Dryas vergalt nun den Wüthenden, indem er fünf hinter einander niederſtreckte. Jetzt flog auch der Speer des Helden Pirithous und durchbohrte einen rie¬

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/323>, abgerufen am 22.11.2024.