aber halte mich für einen Sohn des Glückes, und schäme mich dieser Abkunft nicht!" Jetzt nahte sich der greise Hirte, der aus der Ferne herbeigeholt worden war und von dem Corinther sogleich als derjenige erkannt wurde, der ihm einst den Knaben auf dem Cithäron übergeben hatte. Der alte Hirt aber war ganz blaß vor Schre¬ cken und wollte alles läugnen; nur auf die zornigen Dro¬ hungen des Oedipus, der ihn mit Stricken zu binden be¬ fahl, sagte er endlich die Wahrheit: wie Oedipus der Sohn des Laius und der Jokaste sey, wie der furchtbare Götterspruch, daß er den Vater ermorden werde, ihn in seine Hände geliefert, er aber ihn aus Mitleid erhalten habe.
Jokaste und Oedipus strafen sich.
Aller Zweifel war nun gehoben und das Entsetzliche enthüllt. Mit einem wahnsinnigen Schrei stürzte Oedipus davon, irrte in dem Pallast umher und verlangte nach einem Schwerdt, um das Ungeheuer, das seine Mutter und Gattin sey, von der Erde zu vertilgen. Da ihm, wie einem Rasenden, alles aus dem Wege ging, suchte er gräßlich heulend sein Schlafgemach auf, sprengte das verschlossene Doppelthor und brach hinein. Ein grauen¬ hafter Anblick hemmte seinen Lauf. Mit fliegendem und zerrauftem Haupthaar sah er hier, hoch über dem Lager schwebend, Jokaste, die sich mit einem Strang die Kehle zugeschnürt und erhängt hatte. Nach langem Hinstarren nahte sich Oedipus der Leiche mit brüllendem Stöhnen, ließ das hochaufgezogene Seil zur Erde herab, daß sich
aber halte mich für einen Sohn des Glückes, und ſchäme mich dieſer Abkunft nicht!“ Jetzt nahte ſich der greiſe Hirte, der aus der Ferne herbeigeholt worden war und von dem Corinther ſogleich als derjenige erkannt wurde, der ihm einſt den Knaben auf dem Cithäron übergeben hatte. Der alte Hirt aber war ganz blaß vor Schre¬ cken und wollte alles läugnen; nur auf die zornigen Dro¬ hungen des Oedipus, der ihn mit Stricken zu binden be¬ fahl, ſagte er endlich die Wahrheit: wie Oedipus der Sohn des Laïus und der Jokaſte ſey, wie der furchtbare Götterſpruch, daß er den Vater ermorden werde, ihn in ſeine Hände geliefert, er aber ihn aus Mitleid erhalten habe.
Jokaſte und Oedipus ſtrafen ſich.
Aller Zweifel war nun gehoben und das Entſetzliche enthüllt. Mit einem wahnſinnigen Schrei ſtürzte Oedipus davon, irrte in dem Pallaſt umher und verlangte nach einem Schwerdt, um das Ungeheuer, das ſeine Mutter und Gattin ſey, von der Erde zu vertilgen. Da ihm, wie einem Raſenden, alles aus dem Wege ging, ſuchte er gräßlich heulend ſein Schlafgemach auf, ſprengte das verſchloſſene Doppelthor und brach hinein. Ein grauen¬ hafter Anblick hemmte ſeinen Lauf. Mit fliegendem und zerrauftem Haupthaar ſah er hier, hoch über dem Lager ſchwebend, Jokaſte, die ſich mit einem Strang die Kehle zugeſchnürt und erhängt hatte. Nach langem Hinſtarren nahte ſich Oedipus der Leiche mit brüllendem Stöhnen, ließ das hochaufgezogene Seil zur Erde herab, daß ſich
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aber halte mich für einen Sohn des Glückes, und ſchäme
mich dieſer Abkunft nicht!“ Jetzt nahte ſich der greiſe
Hirte, der aus der Ferne herbeigeholt worden war und
von dem Corinther ſogleich als derjenige erkannt wurde,
der ihm einſt den Knaben auf dem Cithäron übergeben
hatte. Der alte Hirt aber war ganz blaß vor Schre¬
cken und wollte alles läugnen; nur auf die zornigen Dro¬
hungen des Oedipus, der ihn mit Stricken zu binden be¬
fahl, ſagte er endlich die Wahrheit: wie Oedipus der
Sohn des Laïus und der Jokaſte ſey, wie der furchtbare
Götterſpruch, daß er den Vater ermorden werde, ihn in
ſeine Hände geliefert, er aber ihn aus Mitleid erhalten
habe.
Jokaſte und Oedipus ſtrafen ſich.
Aller Zweifel war nun gehoben und das Entſetzliche
enthüllt. Mit einem wahnſinnigen Schrei ſtürzte Oedipus
davon, irrte in dem Pallaſt umher und verlangte nach
einem Schwerdt, um das Ungeheuer, das ſeine Mutter
und Gattin ſey, von der Erde zu vertilgen. Da ihm,
wie einem Raſenden, alles aus dem Wege ging, ſuchte
er gräßlich heulend ſein Schlafgemach auf, ſprengte das
verſchloſſene Doppelthor und brach hinein. Ein grauen¬
hafter Anblick hemmte ſeinen Lauf. Mit fliegendem und
zerrauftem Haupthaar ſah er hier, hoch über dem Lager
ſchwebend, Jokaſte, die ſich mit einem Strang die Kehle
zugeſchnürt und erhängt hatte. Nach langem Hinſtarren
nahte ſich Oedipus der Leiche mit brüllendem Stöhnen,
ließ das hochaufgezogene Seil zur Erde herab, daß ſich
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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