fernhintreffenden Gottes deuten zu wollen, wenn ihm der Held Achilles Schutz zuspräche. Der Sohn des Peleus hieß ihn getrost seyn und Kalchas sprach: "Keine ver¬ säumten Gelübde oder Hekatomben haben den Gott erzürnt. Er ist ergrimmt über die Mißhandlung seines Priesters durch Agamemnon, und wird seine Hand zu unserm Verderben nicht zurückziehen, bis das Mägdlein dem erfreuten Vater zurückgegeben und ohne Entgeld mit einem hundertfachen Sühnopfer nach Chrysa heimgeführt wird. Nur auf diese Weise möchten wir die Gnade des Gottes wieder gewinnen."
Im Busen des Königes Agamemnon schwoll die Galle bei diesen Worten des Sehers; sein Auge funkelte, und er begann mit drohendem Blicke: "Unglücksseher, der noch nie ein Wort gesprochen, das mir Gedeihen gebracht hätte, auch jetzt beredest du das Volk, der Fern¬ hintreffer habe uns die Pest gesandt, weil ich das Löse¬ geschenk für die Tochter des Chryses verworfen habe. Wahr ist's, ich behielte sie gern in meinem Hause, denn sie ist mir lieber, als selbst Klytämnestra, das Weib mei¬ ner Jugend, und stehet ihr an Wuchs, Schönheit, Geist und Kunst nicht nach! Dennoch will ich sie eher zurück¬ geben, als daß ich das Volk verderben sehe. Aber ich verlange ein anderes Ehrengeschenk zum Ersatze für sie!"
Nach dem Könige nahm Achilles das Wort: "Ich weiß nicht, ruhmvoller Atride," sprach er, "welches Ehren¬ geschenk deine Habsucht von den Achivern verlangt. Wo ist denn noch viel Gemeinschaftliches aufgespeichert? Alle Beute aus den eroberten Städten ist längst vertheilt, und den Einzelnen kann man doch das Ausgetheilte nicht wie¬ der nehmen! Darum entlaß die Tochter des Priesters!
fernhintreffenden Gottes deuten zu wollen, wenn ihm der Held Achilles Schutz zuſpräche. Der Sohn des Peleus hieß ihn getroſt ſeyn und Kalchas ſprach: „Keine ver¬ ſäumten Gelübde oder Hekatomben haben den Gott erzürnt. Er iſt ergrimmt über die Mißhandlung ſeines Prieſters durch Agamemnon, und wird ſeine Hand zu unſerm Verderben nicht zurückziehen, bis das Mägdlein dem erfreuten Vater zurückgegeben und ohne Entgeld mit einem hundertfachen Sühnopfer nach Chryſa heimgeführt wird. Nur auf dieſe Weiſe möchten wir die Gnade des Gottes wieder gewinnen.“
Im Buſen des Königes Agamemnon ſchwoll die Galle bei dieſen Worten des Sehers; ſein Auge funkelte, und er begann mit drohendem Blicke: „Unglücksſeher, der noch nie ein Wort geſprochen, das mir Gedeihen gebracht hätte, auch jetzt beredeſt du das Volk, der Fern¬ hintreffer habe uns die Peſt geſandt, weil ich das Löſe¬ geſchenk für die Tochter des Chryſes verworfen habe. Wahr iſt's, ich behielte ſie gern in meinem Hauſe, denn ſie iſt mir lieber, als ſelbſt Klytämneſtra, das Weib mei¬ ner Jugend, und ſtehet ihr an Wuchs, Schönheit, Geiſt und Kunſt nicht nach! Dennoch will ich ſie eher zurück¬ geben, als daß ich das Volk verderben ſehe. Aber ich verlange ein anderes Ehrengeſchenk zum Erſatze für ſie!“
Nach dem Könige nahm Achilles das Wort: „Ich weiß nicht, ruhmvoller Atride,“ ſprach er, „welches Ehren¬ geſchenk deine Habſucht von den Achivern verlangt. Wo iſt denn noch viel Gemeinſchaftliches aufgeſpeichert? Alle Beute aus den eroberten Städten iſt längſt vertheilt, und den Einzelnen kann man doch das Ausgetheilte nicht wie¬ der nehmen! Darum entlaß die Tochter des Prieſters!
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fernhintreffenden Gottes deuten zu wollen, wenn ihm der
Held Achilles Schutz zuſpräche. Der Sohn des Peleus
hieß ihn getroſt ſeyn und Kalchas ſprach: „Keine ver¬
ſäumten Gelübde oder Hekatomben haben den Gott
erzürnt. Er iſt ergrimmt über die Mißhandlung ſeines
Prieſters durch Agamemnon, und wird ſeine Hand zu
unſerm Verderben nicht zurückziehen, bis das Mägdlein
dem erfreuten Vater zurückgegeben und ohne Entgeld mit
einem hundertfachen Sühnopfer nach Chryſa heimgeführt
wird. Nur auf dieſe Weiſe möchten wir die Gnade des
Gottes wieder gewinnen.“
Im Buſen des Königes Agamemnon ſchwoll die
Galle bei dieſen Worten des Sehers; ſein Auge funkelte,
und er begann mit drohendem Blicke: „Unglücksſeher,
der noch nie ein Wort geſprochen, das mir Gedeihen
gebracht hätte, auch jetzt beredeſt du das Volk, der Fern¬
hintreffer habe uns die Peſt geſandt, weil ich das Löſe¬
geſchenk für die Tochter des Chryſes verworfen habe.
Wahr iſt's, ich behielte ſie gern in meinem Hauſe, denn
ſie iſt mir lieber, als ſelbſt Klytämneſtra, das Weib mei¬
ner Jugend, und ſtehet ihr an Wuchs, Schönheit, Geiſt
und Kunſt nicht nach! Dennoch will ich ſie eher zurück¬
geben, als daß ich das Volk verderben ſehe. Aber ich
verlange ein anderes Ehrengeſchenk zum Erſatze für ſie!“
Nach dem Könige nahm Achilles das Wort: „Ich
weiß nicht, ruhmvoller Atride,“ ſprach er, „welches Ehren¬
geſchenk deine Habſucht von den Achivern verlangt. Wo
iſt denn noch viel Gemeinſchaftliches aufgeſpeichert? Alle
Beute aus den eroberten Städten iſt längſt vertheilt, und
den Einzelnen kann man doch das Ausgetheilte nicht wie¬
der nehmen! Darum entlaß die Tochter des Prieſters!
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/109>, abgerufen am 21.11.2024.
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