mit der Hand von sich und Agamemnon durchbohrte ihm den Leib mit der Lanze. Unter den stürmenden Argivern hörte man Nestors hallenden Ruf: "Freunde! daß nur Keiner, zu Raub und Beute gewendet, dahinten bleibe! Jetzt gilt es nur, Männer zu tödten; nachher könnt ihr gemäch¬ lich den Leichnamen die Rüstung abziehen!"
Bald wären jetzt die Trojaner ihrer Stadt überwun¬ den zugeflohen, wenn nicht Helenus, der Sohn des Priamus, der kundigste Vogelschauer, sich zu Hektor und Aeneas gewendet und so zu ihnen gesprochen hätte: "Alles beruht jetzt auf euch, ihr Freunde, nur wenn ihr das flüchtige Volk vor den Thoren hemmet, vermögen wir selbst noch die Schaaren der Danaer zu bekämpfen. Dir, Aeneas, übertragen die Götter zunächst dieses Ge¬ schäft. Du aber, Bruder Hektor, eile gen Troja und sage unserer Mutter ein Wort. Sie soll die edelsten Weiber auf der Burg im Tempel Athene's versam¬ meln, ihr köstlichstes Gewand auf die Kniee der Göttin legen und ihr zwölf untadeliche Kühe geloben, wenn sie sich der trojanischen Frauen und Kinder und ihrer Stadt erbarmt, und den schrecklichen Tydiden abwehrt." Unverdrossen sprang Hektor vom Wagen, durchwan¬ delte ermahnend die Geschwader und enteilte nach der Stadt.
mit der Hand von ſich und Agamemnon durchbohrte ihm den Leib mit der Lanze. Unter den ſtürmenden Argivern hörte man Neſtors hallenden Ruf: „Freunde! daß nur Keiner, zu Raub und Beute gewendet, dahinten bleibe! Jetzt gilt es nur, Männer zu tödten; nachher könnt ihr gemäch¬ lich den Leichnamen die Rüſtung abziehen!“
Bald wären jetzt die Trojaner ihrer Stadt überwun¬ den zugeflohen, wenn nicht Helenus, der Sohn des Priamus, der kundigſte Vogelſchauer, ſich zu Hektor und Aeneas gewendet und ſo zu ihnen geſprochen hätte: „Alles beruht jetzt auf euch, ihr Freunde, nur wenn ihr das flüchtige Volk vor den Thoren hemmet, vermögen wir ſelbſt noch die Schaaren der Danaer zu bekämpfen. Dir, Aeneas, übertragen die Götter zunächſt dieſes Ge¬ ſchäft. Du aber, Bruder Hektor, eile gen Troja und ſage unſerer Mutter ein Wort. Sie ſoll die edelſten Weiber auf der Burg im Tempel Athene's verſam¬ meln, ihr köſtlichſtes Gewand auf die Kniee der Göttin legen und ihr zwölf untadeliche Kühe geloben, wenn ſie ſich der trojaniſchen Frauen und Kinder und ihrer Stadt erbarmt, und den ſchrecklichen Tydiden abwehrt.“ Unverdroſſen ſprang Hektor vom Wagen, durchwan¬ delte ermahnend die Geſchwader und enteilte nach der Stadt.
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mit der Hand von ſich und Agamemnon durchbohrte ihm
den Leib mit der Lanze. Unter den ſtürmenden Argivern
hörte man Neſtors hallenden Ruf: „Freunde! daß nur
Keiner, zu Raub und Beute gewendet, dahinten bleibe! Jetzt
gilt es nur, Männer zu tödten; nachher könnt ihr gemäch¬
lich den Leichnamen die Rüſtung abziehen!“
Bald wären jetzt die Trojaner ihrer Stadt überwun¬
den zugeflohen, wenn nicht Helenus, der Sohn des
Priamus, der kundigſte Vogelſchauer, ſich zu Hektor und
Aeneas gewendet und ſo zu ihnen geſprochen hätte:
„Alles beruht jetzt auf euch, ihr Freunde, nur wenn ihr
das flüchtige Volk vor den Thoren hemmet, vermögen
wir ſelbſt noch die Schaaren der Danaer zu bekämpfen.
Dir, Aeneas, übertragen die Götter zunächſt dieſes Ge¬
ſchäft. Du aber, Bruder Hektor, eile gen Troja und
ſage unſerer Mutter ein Wort. Sie ſoll die edelſten
Weiber auf der Burg im Tempel Athene's verſam¬
meln, ihr köſtlichſtes Gewand auf die Kniee der Göttin
legen und ihr zwölf untadeliche Kühe geloben, wenn
ſie ſich der trojaniſchen Frauen und Kinder und ihrer
Stadt erbarmt, und den ſchrecklichen Tydiden abwehrt.“
Unverdroſſen ſprang Hektor vom Wagen, durchwan¬
delte ermahnend die Geſchwader und enteilte nach der
Stadt.
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/156>, abgerufen am 23.11.2024.
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