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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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Knöchelbedeckung neu gefertigt zu verleihen; denn die
Rüstung der Unsterblichen, die er früher besessen, habe der
gefallene Genoß ihm vor Troja verloren. "Muthig, edle
Göttin," antwortete ihr Hephästus, "dein Herz kümmere
sich darüber nicht; möchte ich deinen Sohn doch so gewiß
aus der Gewalt des Todes retten können, wenn ihm
dereinst sein Geschick herannaht, als ich ihm jetzt eine
herrliche Rüstung fertigen will, die ihn erfreuen soll, und
die noch mancher Sterbliche, der sie erblickt, anstaunen
wird!" So sprach er, verließ die Göttin, und in seine
Feueresse hinkend, kehrte er die Blasebälge ins Feuer und
ließ sie mit Macht arbeiten. Ihrer zwanzig schickten den
glühenden Wind zugleich in die Oefen hinein, während
in mächtigen Tiegeln Erz, Zinn, Silber und Gold auf
der Gluth stand. Alsdann richtete er den Ambos auf
dem Blocke zurecht, griff mit der Rechten nach seinem ge¬
waltigen Hammer, und faßte mit der Linken die Zange.
Und nun fing er an zu schmieden, und formte zuerst den
riesenmäßigen starken Schild aus fünf Schichten, mit
einem Silbergehenk und dreifachem blankem Rande. Auf
der Wölbung des Schilds bildete er die Erde, das wogende
Meer, den Himmel mit Sonne, Mond und allen Gestir¬
nen ab; ferner zwei blühende Städte, die eine voll von
Hochzeitfesten und Gelagen, mit Volksversammlung, Markt,
hadernden Bürgern, Herolden und Obrigkeiten; die andere
von zwei Heeren zugleich belagert: in den Mauern Wei¬
ber, unmündige Kinder, wankende Greise; die Männer der
Stadt, vor dieser draußen in einen Hinterhalt gelagert,
und den Hirten in die Heerden fallend. Auf einer andern
Seite Schlachtgetümmel; Verwundete, Kampf um Leich¬
name und Rüstungen. Weiter schuf er ein lockres Brachfeld,

Knöchelbedeckung neu gefertigt zu verleihen; denn die
Rüſtung der Unſterblichen, die er früher beſeſſen, habe der
gefallene Genoß ihm vor Troja verloren. „Muthig, edle
Göttin,“ antwortete ihr Hephäſtus, „dein Herz kümmere
ſich darüber nicht; möchte ich deinen Sohn doch ſo gewiß
aus der Gewalt des Todes retten können, wenn ihm
dereinſt ſein Geſchick herannaht, als ich ihm jetzt eine
herrliche Rüſtung fertigen will, die ihn erfreuen ſoll, und
die noch mancher Sterbliche, der ſie erblickt, anſtaunen
wird!“ So ſprach er, verließ die Göttin, und in ſeine
Feuereſſe hinkend, kehrte er die Blaſebälge ins Feuer und
ließ ſie mit Macht arbeiten. Ihrer zwanzig ſchickten den
glühenden Wind zugleich in die Oefen hinein, während
in mächtigen Tiegeln Erz, Zinn, Silber und Gold auf
der Gluth ſtand. Alsdann richtete er den Ambos auf
dem Blocke zurecht, griff mit der Rechten nach ſeinem ge¬
waltigen Hammer, und faßte mit der Linken die Zange.
Und nun fing er an zu ſchmieden, und formte zuerſt den
rieſenmäßigen ſtarken Schild aus fünf Schichten, mit
einem Silbergehenk und dreifachem blankem Rande. Auf
der Wölbung des Schilds bildete er die Erde, das wogende
Meer, den Himmel mit Sonne, Mond und allen Geſtir¬
nen ab; ferner zwei blühende Städte, die eine voll von
Hochzeitfeſten und Gelagen, mit Volksverſammlung, Markt,
hadernden Bürgern, Herolden und Obrigkeiten; die andere
von zwei Heeren zugleich belagert: in den Mauern Wei¬
ber, unmündige Kinder, wankende Greiſe; die Männer der
Stadt, vor dieſer draußen in einen Hinterhalt gelagert,
und den Hirten in die Heerden fallend. Auf einer andern
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name und Rüſtungen. Weiter ſchuf er ein lockres Brachfeld,

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[249/0271] Knöchelbedeckung neu gefertigt zu verleihen; denn die Rüſtung der Unſterblichen, die er früher beſeſſen, habe der gefallene Genoß ihm vor Troja verloren. „Muthig, edle Göttin,“ antwortete ihr Hephäſtus, „dein Herz kümmere ſich darüber nicht; möchte ich deinen Sohn doch ſo gewiß aus der Gewalt des Todes retten können, wenn ihm dereinſt ſein Geſchick herannaht, als ich ihm jetzt eine herrliche Rüſtung fertigen will, die ihn erfreuen ſoll, und die noch mancher Sterbliche, der ſie erblickt, anſtaunen wird!“ So ſprach er, verließ die Göttin, und in ſeine Feuereſſe hinkend, kehrte er die Blaſebälge ins Feuer und ließ ſie mit Macht arbeiten. Ihrer zwanzig ſchickten den glühenden Wind zugleich in die Oefen hinein, während in mächtigen Tiegeln Erz, Zinn, Silber und Gold auf der Gluth ſtand. Alsdann richtete er den Ambos auf dem Blocke zurecht, griff mit der Rechten nach ſeinem ge¬ waltigen Hammer, und faßte mit der Linken die Zange. Und nun fing er an zu ſchmieden, und formte zuerſt den rieſenmäßigen ſtarken Schild aus fünf Schichten, mit einem Silbergehenk und dreifachem blankem Rande. Auf der Wölbung des Schilds bildete er die Erde, das wogende Meer, den Himmel mit Sonne, Mond und allen Geſtir¬ nen ab; ferner zwei blühende Städte, die eine voll von Hochzeitfeſten und Gelagen, mit Volksverſammlung, Markt, hadernden Bürgern, Herolden und Obrigkeiten; die andere von zwei Heeren zugleich belagert: in den Mauern Wei¬ ber, unmündige Kinder, wankende Greiſe; die Männer der Stadt, vor dieſer draußen in einen Hinterhalt gelagert, und den Hirten in die Heerden fallend. Auf einer andern Seite Schlachtgetümmel; Verwundete, Kampf um Leich¬ name und Rüſtungen. Weiter ſchuf er ein lockres Brachfeld,

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/271>, abgerufen am 21.11.2024.