zu gehen," rief Achilles ihm zu, "nur die Kinder unglück¬ seliger Eltern begegnen meiner Kraft." Ihm antwortete Asteropäus: "Was frägst du nach meinem Geschlechte? Der Enkel des Stromgottes Axius bin ich, Pelegon hat mich gezeugt; vor eilf Tagen bin ich mit meinen Päonen als Bundsgenosse Troja's erschienen. Jetzt aber kämpfe mit mir, hoher Achilles." Da erhub der Pelide seine Lanze; der Päonier aber warf zwei Speere zugleich, einen mit jeder Hand, denn er konnte die linke wie die rechte brau¬ chen: der eine brach das Schildgewölbe des Peliden, ohne den Schild selbst zu brechen, der andere streifte ihm den rechten Arm am Ellbogen, daß das Blut hervorrieselte. Jetzt erst schwang Achilles seine Lanze, aber sie verfehlte den Gegner und fuhr bis zur Hälfte ins Ufer. Dreimal zog Asteropäus mit seiner nervigten Hand an ihr, ohne sie aus dem Boden herausreißen zu können. Als er das viertemal ansetzte, überfiel ihn Achilles mit dem Schwert und hieb ihm in den Leib, daß alles Gedärme hervor¬ drang und er röchelnd auf die Erde sank. Der Pelide zog ihm jauchzend die Rüstung ab, und ließ den Leichnam den Aalen zur Uferbeute liegen; dann stürzte er sich unter die Päonier, die noch voll Angst an dem Flusse umher flogen. Ihrer sieben hatte sein Schwert erschlagen, und noch wollte er unter ihnen fortwüthen, als plötzlich Skamander, der zürnende Beherrscher des Stromes, in Menschenge¬ stalt aus dem tiefen Strudel emportauchte und dem Hel¬ den zurief: "Pelide, du wüthest mit entsetzlichen Thaten, mehr als ein Mensch! Meine Gewässer sind voll von Todten, mit Mühe ergießen sich meine Ströme ins Meer, laß ab!" "Ich gehorche dir, denn du bist ein Gott," antwortete Achilles, "aber darum wird mein Arm nicht
zu gehen,“ rief Achilles ihm zu, „nur die Kinder unglück¬ ſeliger Eltern begegnen meiner Kraft.“ Ihm antwortete Aſteropäus: „Was frägſt du nach meinem Geſchlechte? Der Enkel des Stromgottes Axius bin ich, Pelegon hat mich gezeugt; vor eilf Tagen bin ich mit meinen Päonen als Bundsgenoſſe Troja's erſchienen. Jetzt aber kämpfe mit mir, hoher Achilles.“ Da erhub der Pelide ſeine Lanze; der Päonier aber warf zwei Speere zugleich, einen mit jeder Hand, denn er konnte die linke wie die rechte brau¬ chen: der eine brach das Schildgewölbe des Peliden, ohne den Schild ſelbſt zu brechen, der andere ſtreifte ihm den rechten Arm am Ellbogen, daß das Blut hervorrieſelte. Jetzt erſt ſchwang Achilles ſeine Lanze, aber ſie verfehlte den Gegner und fuhr bis zur Hälfte ins Ufer. Dreimal zog Aſteropäus mit ſeiner nervigten Hand an ihr, ohne ſie aus dem Boden herausreißen zu können. Als er das viertemal anſetzte, überfiel ihn Achilles mit dem Schwert und hieb ihm in den Leib, daß alles Gedärme hervor¬ drang und er röchelnd auf die Erde ſank. Der Pelide zog ihm jauchzend die Rüſtung ab, und ließ den Leichnam den Aalen zur Uferbeute liegen; dann ſtürzte er ſich unter die Päonier, die noch voll Angſt an dem Fluſſe umher flogen. Ihrer ſieben hatte ſein Schwert erſchlagen, und noch wollte er unter ihnen fortwüthen, als plötzlich Skamander, der zürnende Beherrſcher des Stromes, in Menſchenge¬ ſtalt aus dem tiefen Strudel emportauchte und dem Hel¬ den zurief: „Pelide, du wütheſt mit entſetzlichen Thaten, mehr als ein Menſch! Meine Gewäſſer ſind voll von Todten, mit Mühe ergießen ſich meine Ströme ins Meer, laß ab!“ „Ich gehorche dir, denn du biſt ein Gott,“ antwortete Achilles, „aber darum wird mein Arm nicht
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zu gehen,“ rief Achilles ihm zu, „nur die Kinder unglück¬
ſeliger Eltern begegnen meiner Kraft.“ Ihm antwortete
Aſteropäus: „Was frägſt du nach meinem Geſchlechte?
Der Enkel des Stromgottes Axius bin ich, Pelegon hat
mich gezeugt; vor eilf Tagen bin ich mit meinen Päonen
als Bundsgenoſſe Troja's erſchienen. Jetzt aber kämpfe mit
mir, hoher Achilles.“ Da erhub der Pelide ſeine Lanze;
der Päonier aber warf zwei Speere zugleich, einen mit
jeder Hand, denn er konnte die linke wie die rechte brau¬
chen: der eine brach das Schildgewölbe des Peliden, ohne
den Schild ſelbſt zu brechen, der andere ſtreifte ihm den
rechten Arm am Ellbogen, daß das Blut hervorrieſelte.
Jetzt erſt ſchwang Achilles ſeine Lanze, aber ſie verfehlte
den Gegner und fuhr bis zur Hälfte ins Ufer. Dreimal
zog Aſteropäus mit ſeiner nervigten Hand an ihr, ohne
ſie aus dem Boden herausreißen zu können. Als er das
viertemal anſetzte, überfiel ihn Achilles mit dem Schwert
und hieb ihm in den Leib, daß alles Gedärme hervor¬
drang und er röchelnd auf die Erde ſank. Der Pelide zog
ihm jauchzend die Rüſtung ab, und ließ den Leichnam den
Aalen zur Uferbeute liegen; dann ſtürzte er ſich unter die
Päonier, die noch voll Angſt an dem Fluſſe umher flogen.
Ihrer ſieben hatte ſein Schwert erſchlagen, und noch
wollte er unter ihnen fortwüthen, als plötzlich Skamander,
der zürnende Beherrſcher des Stromes, in Menſchenge¬
ſtalt aus dem tiefen Strudel emportauchte und dem Hel¬
den zurief: „Pelide, du wütheſt mit entſetzlichen Thaten,
mehr als ein Menſch! Meine Gewäſſer ſind voll von
Todten, mit Mühe ergießen ſich meine Ströme ins Meer,
laß ab!“ „Ich gehorche dir, denn du biſt ein Gott,“
antwortete Achilles, „aber darum wird mein Arm nicht
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/292>, abgerufen am 21.11.2024.
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