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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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dich so übermüthig uns entgegen zu werfen, und uns, die
gewaltigsten Helden der ganzen Erde, zu bekämpfen, uns,
die wir vom Blute des Donnerers selbst entsprossen sind,
und vor welchen Hektor bebte und erlegen ist? Der
Wahnsinn muß aus dir gesprochen haben, als dein Mund
uns heute mit dem Tode bedrohte; denn siehe, dein eignes
letztes Stündlein ist jetzt gekommen." Mit diesen Wor¬
ten drang er auf sie ein, die unbezwingliche Lanze, das
Werk des Centauren Chiron, seines Erziehers, in der
Rechten schwingend. Ihr Wurf traf die Kriegerin ober¬
halb der rechten Brust, so tief, daß alsbald das schwarze
Blut aus der Wunde strömte und alle Kraft ihre Glieder
verließ. Die Axt fiel ihr aus der Rechten, und ihr Auge
hüllte sich in Finsterniß. Doch erholte sie sich noch einmal
und sah ihrem Feinde, der eben heranstürmte, sie vom
flücht'gen Rosse zu ziehen, fest ins Antlitz. Sie besann
sich einen Augenblick, ob sie ihr Schwert aus der Scheide
ziehen und sich wehren, oder vom Rosse steigen und zu
dem Sieger flehend ihm Gold und Erz genug für ihr
Leben versprechen sollte. Aber Achilles ließ ihr keine Zeit,
sich zu besinnen. Im Zorn über ihren Stolz durchbohrte
er Roß und Reiterin mit Einem Stoße. Alsbald glitt diese
herab und sank in den Staub und ins Verderben,
am Speere zuckend und mit dem Rücken an das flüchtige
Streitroß angelehnt, das sterbend auf den Knieen lag;
sie selbst einer schlanken Tanne gleich, die der Nordwind
geknickt hat.

Als die Trojaner den Fall ihrer Heldin gewahr wur¬
den, stürzten sie voll Betäubung zurück nach den Tho¬
ren der Stadt, wehklagend über den Tod der Amazone
und ihrer eigenen, vielen Stammesverwandten. Der

dich ſo übermüthig uns entgegen zu werfen, und uns, die
gewaltigſten Helden der ganzen Erde, zu bekämpfen, uns,
die wir vom Blute des Donnerers ſelbſt entſproſſen ſind,
und vor welchen Hektor bebte und erlegen iſt? Der
Wahnſinn muß aus dir geſprochen haben, als dein Mund
uns heute mit dem Tode bedrohte; denn ſiehe, dein eignes
letztes Stündlein iſt jetzt gekommen.“ Mit dieſen Wor¬
ten drang er auf ſie ein, die unbezwingliche Lanze, das
Werk des Centauren Chiron, ſeines Erziehers, in der
Rechten ſchwingend. Ihr Wurf traf die Kriegerin ober¬
halb der rechten Bruſt, ſo tief, daß alsbald das ſchwarze
Blut aus der Wunde ſtrömte und alle Kraft ihre Glieder
verließ. Die Axt fiel ihr aus der Rechten, und ihr Auge
hüllte ſich in Finſterniß. Doch erholte ſie ſich noch einmal
und ſah ihrem Feinde, der eben heranſtürmte, ſie vom
flücht'gen Roſſe zu ziehen, feſt ins Antlitz. Sie beſann
ſich einen Augenblick, ob ſie ihr Schwert aus der Scheide
ziehen und ſich wehren, oder vom Roſſe ſteigen und zu
dem Sieger flehend ihm Gold und Erz genug für ihr
Leben verſprechen ſollte. Aber Achilles ließ ihr keine Zeit,
ſich zu beſinnen. Im Zorn über ihren Stolz durchbohrte
er Roß und Reiterin mit Einem Stoße. Alsbald glitt dieſe
herab und ſank in den Staub und ins Verderben,
am Speere zuckend und mit dem Rücken an das flüchtige
Streitroß angelehnt, das ſterbend auf den Knieen lag;
ſie ſelbſt einer ſchlanken Tanne gleich, die der Nordwind
geknickt hat.

Als die Trojaner den Fall ihrer Heldin gewahr wur¬
den, ſtürzten ſie voll Betäubung zurück nach den Tho¬
ren der Stadt, wehklagend über den Tod der Amazone
und ihrer eigenen, vielen Stammesverwandten. Der

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[327/0349] dich ſo übermüthig uns entgegen zu werfen, und uns, die gewaltigſten Helden der ganzen Erde, zu bekämpfen, uns, die wir vom Blute des Donnerers ſelbſt entſproſſen ſind, und vor welchen Hektor bebte und erlegen iſt? Der Wahnſinn muß aus dir geſprochen haben, als dein Mund uns heute mit dem Tode bedrohte; denn ſiehe, dein eignes letztes Stündlein iſt jetzt gekommen.“ Mit dieſen Wor¬ ten drang er auf ſie ein, die unbezwingliche Lanze, das Werk des Centauren Chiron, ſeines Erziehers, in der Rechten ſchwingend. Ihr Wurf traf die Kriegerin ober¬ halb der rechten Bruſt, ſo tief, daß alsbald das ſchwarze Blut aus der Wunde ſtrömte und alle Kraft ihre Glieder verließ. Die Axt fiel ihr aus der Rechten, und ihr Auge hüllte ſich in Finſterniß. Doch erholte ſie ſich noch einmal und ſah ihrem Feinde, der eben heranſtürmte, ſie vom flücht'gen Roſſe zu ziehen, feſt ins Antlitz. Sie beſann ſich einen Augenblick, ob ſie ihr Schwert aus der Scheide ziehen und ſich wehren, oder vom Roſſe ſteigen und zu dem Sieger flehend ihm Gold und Erz genug für ihr Leben verſprechen ſollte. Aber Achilles ließ ihr keine Zeit, ſich zu beſinnen. Im Zorn über ihren Stolz durchbohrte er Roß und Reiterin mit Einem Stoße. Alsbald glitt dieſe herab und ſank in den Staub und ins Verderben, am Speere zuckend und mit dem Rücken an das flüchtige Streitroß angelehnt, das ſterbend auf den Knieen lag; ſie ſelbſt einer ſchlanken Tanne gleich, die der Nordwind geknickt hat. Als die Trojaner den Fall ihrer Heldin gewahr wur¬ den, ſtürzten ſie voll Betäubung zurück nach den Tho¬ ren der Stadt, wehklagend über den Tod der Amazone und ihrer eigenen, vielen Stammesverwandten. Der

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/349>, abgerufen am 22.11.2024.