wie durch seine und des Pyrrhus, dieses jungen Achilles¬ sprößlings, Gegenwart Troja erobert werden könnte. Der Trojaner hat mir diese Weissagung wohl nur mitgetheilt, weil er die Erfüllung derselben für unmöglich hielt, denn so dachte er: wie sollte der Haß des Philoktetes gegen die Griechen, die ihn so schändlich verlassen haben, ihm erlauben, die Pfeile auszuliefern und selbst vor Troja zu erscheinen? Mein Rath ist daher, ohne Verzug den stärk¬ sten unsrer Helden, Diomedes, und den beredtesten, Odys¬ seus, nach dem Eilande Scyros zu senden, wo der Sohn des Achilles bei dem Vater seiner Mutter erzogen wird. Mit seiner Hülfe wollen wir dann auch den Philoktetes zu Lemnos bereden, sich mit uns wieder zu vereinigen und die unsterblichen Waffen des Herkules, durch welche Troja bezwungen werden soll, uns mitzubringen."
Die Schaaren der Griechen jubelten diesem Vorschlage Beifall und die beiden Helden gingen zu Schiffe ab. Un¬ terdessen rüsteten sich die Heere wieder zum Kampfe. Den Trojanern war der Sohn des Telephus, Eurypylus, von Mysien mit einem Heere zu Hülfe gekommen, und so fühlten sich diese von neuem gestärkt und ermuthigt. Den Griechen dagegen fehlten ihre zwei besten Helden. So kam es, daß die wieder begonnene Schlacht sich ihnen zum Verderben wendete. Da wurde auch Nireus, der schönste unter den Danaern, von der Lanze des Eurypylus erreicht, und lag mit den andern Erschlagenen im Staube, wie ein blühendes Stämmchen vom zerbrechlichen Olivenbaume, das, vom Flusse aufgewühlt, mit der Wurzel entführt und wie¬ der ans Gestade getrieben wird, wo es nun mit Blüthen bedeckt daliegt. Eurypylus aber spottete sein, und wollte den Leichnam des schönen Harnisches berauben. Da stellte
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wie durch ſeine und des Pyrrhus, dieſes jungen Achilles¬ ſprößlings, Gegenwart Troja erobert werden könnte. Der Trojaner hat mir dieſe Weiſſagung wohl nur mitgetheilt, weil er die Erfüllung derſelben für unmöglich hielt, denn ſo dachte er: wie ſollte der Haß des Philoktetes gegen die Griechen, die ihn ſo ſchändlich verlaſſen haben, ihm erlauben, die Pfeile auszuliefern und ſelbſt vor Troja zu erſcheinen? Mein Rath iſt daher, ohne Verzug den ſtärk¬ ſten unſrer Helden, Diomedes, und den beredteſten, Odyſ¬ ſeus, nach dem Eilande Scyros zu ſenden, wo der Sohn des Achilles bei dem Vater ſeiner Mutter erzogen wird. Mit ſeiner Hülfe wollen wir dann auch den Philoktetes zu Lemnos bereden, ſich mit uns wieder zu vereinigen und die unſterblichen Waffen des Herkules, durch welche Troja bezwungen werden ſoll, uns mitzubringen.“
Die Schaaren der Griechen jubelten dieſem Vorſchlage Beifall und die beiden Helden gingen zu Schiffe ab. Un¬ terdeſſen rüſteten ſich die Heere wieder zum Kampfe. Den Trojanern war der Sohn des Telephus, Eurypylus, von Myſien mit einem Heere zu Hülfe gekommen, und ſo fühlten ſich dieſe von neuem geſtärkt und ermuthigt. Den Griechen dagegen fehlten ihre zwei beſten Helden. So kam es, daß die wieder begonnene Schlacht ſich ihnen zum Verderben wendete. Da wurde auch Nireus, der ſchönſte unter den Danaern, von der Lanze des Eurypylus erreicht, und lag mit den andern Erſchlagenen im Staube, wie ein blühendes Stämmchen vom zerbrechlichen Olivenbaume, das, vom Fluſſe aufgewühlt, mit der Wurzel entführt und wie¬ der ans Geſtade getrieben wird, wo es nun mit Blüthen bedeckt daliegt. Eurypylus aber ſpottete ſein, und wollte den Leichnam des ſchönen Harniſches berauben. Da ſtellte
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wie durch ſeine und des Pyrrhus, dieſes jungen Achilles¬
ſprößlings, Gegenwart Troja erobert werden könnte. Der
Trojaner hat mir dieſe Weiſſagung wohl nur mitgetheilt,
weil er die Erfüllung derſelben für unmöglich hielt, denn
ſo dachte er: wie ſollte der Haß des Philoktetes gegen
die Griechen, die ihn ſo ſchändlich verlaſſen haben, ihm
erlauben, die Pfeile auszuliefern und ſelbſt vor Troja zu
erſcheinen? Mein Rath iſt daher, ohne Verzug den ſtärk¬
ſten unſrer Helden, Diomedes, und den beredteſten, Odyſ¬
ſeus, nach dem Eilande Scyros zu ſenden, wo der Sohn
des Achilles bei dem Vater ſeiner Mutter erzogen wird.
Mit ſeiner Hülfe wollen wir dann auch den Philoktetes
zu Lemnos bereden, ſich mit uns wieder zu vereinigen und
die unſterblichen Waffen des Herkules, durch welche Troja
bezwungen werden ſoll, uns mitzubringen.“
Die Schaaren der Griechen jubelten dieſem Vorſchlage
Beifall und die beiden Helden gingen zu Schiffe ab. Un¬
terdeſſen rüſteten ſich die Heere wieder zum Kampfe. Den
Trojanern war der Sohn des Telephus, Eurypylus, von
Myſien mit einem Heere zu Hülfe gekommen, und ſo
fühlten ſich dieſe von neuem geſtärkt und ermuthigt. Den
Griechen dagegen fehlten ihre zwei beſten Helden. So
kam es, daß die wieder begonnene Schlacht ſich ihnen zum
Verderben wendete. Da wurde auch Nireus, der ſchönſte
unter den Danaern, von der Lanze des Eurypylus erreicht,
und lag mit den andern Erſchlagenen im Staube, wie ein
blühendes Stämmchen vom zerbrechlichen Olivenbaume, das,
vom Fluſſe aufgewühlt, mit der Wurzel entführt und wie¬
der ans Geſtade getrieben wird, wo es nun mit Blüthen
bedeckt daliegt. Eurypylus aber ſpottete ſein, und wollte
den Leichnam des ſchönen Harniſches berauben. Da ſtellte
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/393>, abgerufen am 21.11.2024.
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