Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

davongezogen und sie selbst sendet einen Sohn in diesen
Krieg, der euch bevorsteht, wenn ihr uns nicht Genug¬
thuung gebet, den gewaltigen Fürsten Ajax. Helena aber
ist wider Willen und freventlich geraubt worden. Danket
dem Himmel, der euch durch eures Räubers Zögerung
Bedenkzeit gegeben hat, und fasset einen Beschluß, der das
Verderben von euch abwendet."

Priamus und die Trojaner empfanden die übermüthige
Rede des Gesandten Palamedes übel, doch ehrten sie an
den Fremdlingen das Recht der Gesandtschaft: die Ver¬
sammlung wurde aufgehoben und ein Aeltester von Troja,
der Sohn des Aesyntes und der Kleomestra, der verstän¬
dige Antenor, schirmte die fremden Fürsten vor allen Be¬
schimpfungen des Pöbels, führte sie in sein Haus und
beherbergte sie dort mit edler Gastlichkeit bis zum andern
Morgen. Dann gab er ihnen das Geleite an den Strand,
wo sie die glänzenden Schiffe wieder bestiegen, die sie
herbeigeführt hatten.


Agamemnon und Iphigenia.

Während nun die Flotte zu Aulis sich versammelte,
vertrieb der Völkerfürst Agamemnon sich die Zeit mit der
Jagd. Da kam ihm eines Tages eine herrliche Hindin
in den Schuß, die der Göttin Artemis oder Diana gehei¬
ligt war. Die Jagdlust verführte den Fürsten: er schoß
nach dem heiligen Wild und erlegte es mit dem prahlenden
Worte: Diana selbst, die Göttin der Jagd, vermöge
nicht, besser zu treffen. Ueber diesen Frevel erbittert schickte

davongezogen und ſie ſelbſt ſendet einen Sohn in dieſen
Krieg, der euch bevorſteht, wenn ihr uns nicht Genug¬
thuung gebet, den gewaltigen Fürſten Ajax. Helena aber
iſt wider Willen und freventlich geraubt worden. Danket
dem Himmel, der euch durch eures Räubers Zögerung
Bedenkzeit gegeben hat, und faſſet einen Beſchluß, der das
Verderben von euch abwendet.“

Priamus und die Trojaner empfanden die übermüthige
Rede des Geſandten Palamedes übel, doch ehrten ſie an
den Fremdlingen das Recht der Geſandtſchaft: die Ver¬
ſammlung wurde aufgehoben und ein Aelteſter von Troja,
der Sohn des Aeſyntes und der Kleomeſtra, der verſtän¬
dige Antenor, ſchirmte die fremden Fürſten vor allen Be¬
ſchimpfungen des Pöbels, führte ſie in ſein Haus und
beherbergte ſie dort mit edler Gaſtlichkeit bis zum andern
Morgen. Dann gab er ihnen das Geleite an den Strand,
wo ſie die glänzenden Schiffe wieder beſtiegen, die ſie
herbeigeführt hatten.


Agamemnon und Iphigenia.

Während nun die Flotte zu Aulis ſich verſammelte,
vertrieb der Völkerfürſt Agamemnon ſich die Zeit mit der
Jagd. Da kam ihm eines Tages eine herrliche Hindin
in den Schuß, die der Göttin Artemis oder Diana gehei¬
ligt war. Die Jagdluſt verführte den Fürſten: er ſchoß
nach dem heiligen Wild und erlegte es mit dem prahlenden
Worte: Diana ſelbſt, die Göttin der Jagd, vermöge
nicht, beſſer zu treffen. Ueber dieſen Frevel erbittert ſchickte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0051" n="29"/>
davongezogen und &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;endet einen Sohn in die&#x017F;en<lb/>
Krieg, der euch bevor&#x017F;teht, wenn ihr uns nicht Genug¬<lb/>
thuung gebet, den gewaltigen Für&#x017F;ten Ajax. Helena aber<lb/>
i&#x017F;t wider Willen und freventlich geraubt worden. Danket<lb/>
dem Himmel, der euch durch eures Räubers Zögerung<lb/>
Bedenkzeit gegeben hat, und fa&#x017F;&#x017F;et einen Be&#x017F;chluß, der das<lb/>
Verderben von euch abwendet.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Priamus und die Trojaner empfanden die übermüthige<lb/>
Rede des Ge&#x017F;andten Palamedes übel, doch ehrten &#x017F;ie an<lb/>
den Fremdlingen das Recht der Ge&#x017F;andt&#x017F;chaft: die Ver¬<lb/>
&#x017F;ammlung wurde aufgehoben und ein Aelte&#x017F;ter von Troja,<lb/>
der Sohn des Ae&#x017F;yntes und der Kleome&#x017F;tra, der ver&#x017F;tän¬<lb/>
dige Antenor, &#x017F;chirmte die fremden Für&#x017F;ten vor allen Be¬<lb/>
&#x017F;chimpfungen des Pöbels, führte &#x017F;ie in &#x017F;ein Haus und<lb/>
beherbergte &#x017F;ie dort mit edler Ga&#x017F;tlichkeit bis zum andern<lb/>
Morgen. Dann gab er ihnen das Geleite an den Strand,<lb/>
wo &#x017F;ie die glänzenden Schiffe wieder be&#x017F;tiegen, die &#x017F;ie<lb/>
herbeigeführt hatten.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Agamemnon und Iphigenia.</hi><lb/>
          </head>
          <p>Während nun die Flotte zu Aulis &#x017F;ich ver&#x017F;ammelte,<lb/>
vertrieb der Völkerfür&#x017F;t Agamemnon &#x017F;ich die Zeit mit der<lb/>
Jagd. Da kam ihm eines Tages eine herrliche Hindin<lb/>
in den Schuß, die der Göttin Artemis oder Diana gehei¬<lb/>
ligt war. Die Jagdlu&#x017F;t verführte den Für&#x017F;ten: er &#x017F;choß<lb/>
nach dem heiligen Wild und erlegte es mit dem prahlenden<lb/>
Worte: Diana &#x017F;elb&#x017F;t, die Göttin der Jagd, vermöge<lb/>
nicht, be&#x017F;&#x017F;er zu treffen. Ueber die&#x017F;en Frevel erbittert &#x017F;chickte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0051] davongezogen und ſie ſelbſt ſendet einen Sohn in dieſen Krieg, der euch bevorſteht, wenn ihr uns nicht Genug¬ thuung gebet, den gewaltigen Fürſten Ajax. Helena aber iſt wider Willen und freventlich geraubt worden. Danket dem Himmel, der euch durch eures Räubers Zögerung Bedenkzeit gegeben hat, und faſſet einen Beſchluß, der das Verderben von euch abwendet.“ Priamus und die Trojaner empfanden die übermüthige Rede des Geſandten Palamedes übel, doch ehrten ſie an den Fremdlingen das Recht der Geſandtſchaft: die Ver¬ ſammlung wurde aufgehoben und ein Aelteſter von Troja, der Sohn des Aeſyntes und der Kleomeſtra, der verſtän¬ dige Antenor, ſchirmte die fremden Fürſten vor allen Be¬ ſchimpfungen des Pöbels, führte ſie in ſein Haus und beherbergte ſie dort mit edler Gaſtlichkeit bis zum andern Morgen. Dann gab er ihnen das Geleite an den Strand, wo ſie die glänzenden Schiffe wieder beſtiegen, die ſie herbeigeführt hatten. Agamemnon und Iphigenia. Während nun die Flotte zu Aulis ſich verſammelte, vertrieb der Völkerfürſt Agamemnon ſich die Zeit mit der Jagd. Da kam ihm eines Tages eine herrliche Hindin in den Schuß, die der Göttin Artemis oder Diana gehei¬ ligt war. Die Jagdluſt verführte den Fürſten: er ſchoß nach dem heiligen Wild und erlegte es mit dem prahlenden Worte: Diana ſelbſt, die Göttin der Jagd, vermöge nicht, beſſer zu treffen. Ueber dieſen Frevel erbittert ſchickte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/51
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/51>, abgerufen am 21.11.2024.