Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

daß der wunde Philoktetes das Lager von Troja ver¬
pesten und den Griechen mit seiner endlosen Wehklage
das Leben verbittern möchte. Deßwegen faßten die An¬
führer des Volkes den grausamen Entschluß, als sie an
der wüsten und unbewohnbaren Küste der Insel Lemnos
vorüberfuhren, den armen Helden hier auszusetzen, und
bedachten dabei nicht, daß sie mit dem tapfern Manne sich
zugleich seiner unüberwindlichen Geschosse beraubten. Der
schlaue Odysseus erhielt den Auftrag, diesen hinterlistigen
Anschlag zu vollführen, er lud den schlafenden Helden sich
auf, fuhr mit ihm auf einem Nachen an den Strand, und
legte ihn hier unter einer nahen Felsengrotte nieder, nach¬
dem er so viel Kleidungsstücke und Lebensmittel zurück¬
gelassen hatte, als zur kümmerlichen Fristung seines Lebens
für die nächsten Tage nöthig waren. Das Schiff hatte
am Strande nur so lange angehalten, als es Zeit bedurfte,
den Unglücklichen auszusetzen: dann segelte es, sobald
Odysseus zurückgekehrt war, weiter, und vereinigte sich
bald wieder mit dem übrigen Zuge.


Die Griechen in Mysien. Telephus.

Die griechische Flotte kam jetzt glücklich an die Küste von
Kleinasien. Da aber die Helden der Gegend nicht recht kun¬
dig waren, ließen sie sich von dem günstigen Winde zuerst
ferne von Troja an die mysische Küste treiben, und legten sich
mit allen ihren Schiffen vor Anker. Längs des Gestades
fanden sie zur Bewachung des Ufers allenthalben Bewaff¬
nete aufgestellt, die ihnen im Namen des Landesherrn

daß der wunde Philoktetes das Lager von Troja ver¬
peſten und den Griechen mit ſeiner endloſen Wehklage
das Leben verbittern möchte. Deßwegen faßten die An¬
führer des Volkes den grauſamen Entſchluß, als ſie an
der wüſten und unbewohnbaren Küſte der Inſel Lemnos
vorüberfuhren, den armen Helden hier auszuſetzen, und
bedachten dabei nicht, daß ſie mit dem tapfern Manne ſich
zugleich ſeiner unüberwindlichen Geſchoſſe beraubten. Der
ſchlaue Odyſſeus erhielt den Auftrag, dieſen hinterliſtigen
Anſchlag zu vollführen, er lud den ſchlafenden Helden ſich
auf, fuhr mit ihm auf einem Nachen an den Strand, und
legte ihn hier unter einer nahen Felſengrotte nieder, nach¬
dem er ſo viel Kleidungsſtücke und Lebensmittel zurück¬
gelaſſen hatte, als zur kümmerlichen Friſtung ſeines Lebens
für die nächſten Tage nöthig waren. Das Schiff hatte
am Strande nur ſo lange angehalten, als es Zeit bedurfte,
den Unglücklichen auszuſetzen: dann ſegelte es, ſobald
Odyſſeus zurückgekehrt war, weiter, und vereinigte ſich
bald wieder mit dem übrigen Zuge.


Die Griechen in Myſien. Telephus.

Die griechiſche Flotte kam jetzt glücklich an die Küſte von
Kleinaſien. Da aber die Helden der Gegend nicht recht kun¬
dig waren, ließen ſie ſich von dem günſtigen Winde zuerſt
ferne von Troja an die myſiſche Küſte treiben, und legten ſich
mit allen ihren Schiffen vor Anker. Längs des Geſtades
fanden ſie zur Bewachung des Ufers allenthalben Bewaff¬
nete aufgeſtellt, die ihnen im Namen des Landesherrn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0069" n="47"/>
daß der wunde Philoktetes das Lager von Troja ver¬<lb/>
pe&#x017F;ten und den Griechen mit &#x017F;einer endlo&#x017F;en Wehklage<lb/>
das Leben verbittern möchte. Deßwegen faßten die An¬<lb/>
führer des Volkes den grau&#x017F;amen Ent&#x017F;chluß, als &#x017F;ie an<lb/>
der wü&#x017F;ten und unbewohnbaren Kü&#x017F;te der In&#x017F;el Lemnos<lb/>
vorüberfuhren, den armen Helden hier auszu&#x017F;etzen, und<lb/>
bedachten dabei nicht, daß &#x017F;ie mit dem tapfern Manne &#x017F;ich<lb/>
zugleich &#x017F;einer unüberwindlichen Ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;e beraubten. Der<lb/>
&#x017F;chlaue Ody&#x017F;&#x017F;eus erhielt den Auftrag, die&#x017F;en hinterli&#x017F;tigen<lb/>
An&#x017F;chlag zu vollführen, er lud den &#x017F;chlafenden Helden &#x017F;ich<lb/>
auf, fuhr mit ihm auf einem Nachen an den Strand, und<lb/>
legte ihn hier unter einer nahen Fel&#x017F;engrotte nieder, nach¬<lb/>
dem er &#x017F;o viel Kleidungs&#x017F;tücke und Lebensmittel zurück¬<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en hatte, als zur kümmerlichen Fri&#x017F;tung &#x017F;eines Lebens<lb/>
für die näch&#x017F;ten Tage nöthig waren. Das Schiff hatte<lb/>
am Strande nur &#x017F;o lange angehalten, als es Zeit bedurfte,<lb/>
den Unglücklichen auszu&#x017F;etzen: dann &#x017F;egelte es, &#x017F;obald<lb/>
Ody&#x017F;&#x017F;eus zurückgekehrt war, weiter, und vereinigte &#x017F;ich<lb/>
bald wieder mit dem übrigen Zuge.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die Griechen in My&#x017F;ien. Telephus.</hi><lb/>
          </head>
          <p>Die griechi&#x017F;che Flotte kam jetzt glücklich an die Kü&#x017F;te von<lb/>
Kleina&#x017F;ien. Da aber die Helden der Gegend nicht recht kun¬<lb/>
dig waren, ließen &#x017F;ie &#x017F;ich von dem gün&#x017F;tigen Winde zuer&#x017F;t<lb/>
ferne von Troja an die my&#x017F;i&#x017F;che Kü&#x017F;te treiben, und legten &#x017F;ich<lb/>
mit allen ihren Schiffen vor Anker. Längs des Ge&#x017F;tades<lb/>
fanden &#x017F;ie zur Bewachung des Ufers allenthalben Bewaff¬<lb/>
nete aufge&#x017F;tellt, die ihnen im Namen des Landesherrn<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0069] daß der wunde Philoktetes das Lager von Troja ver¬ peſten und den Griechen mit ſeiner endloſen Wehklage das Leben verbittern möchte. Deßwegen faßten die An¬ führer des Volkes den grauſamen Entſchluß, als ſie an der wüſten und unbewohnbaren Küſte der Inſel Lemnos vorüberfuhren, den armen Helden hier auszuſetzen, und bedachten dabei nicht, daß ſie mit dem tapfern Manne ſich zugleich ſeiner unüberwindlichen Geſchoſſe beraubten. Der ſchlaue Odyſſeus erhielt den Auftrag, dieſen hinterliſtigen Anſchlag zu vollführen, er lud den ſchlafenden Helden ſich auf, fuhr mit ihm auf einem Nachen an den Strand, und legte ihn hier unter einer nahen Felſengrotte nieder, nach¬ dem er ſo viel Kleidungsſtücke und Lebensmittel zurück¬ gelaſſen hatte, als zur kümmerlichen Friſtung ſeines Lebens für die nächſten Tage nöthig waren. Das Schiff hatte am Strande nur ſo lange angehalten, als es Zeit bedurfte, den Unglücklichen auszuſetzen: dann ſegelte es, ſobald Odyſſeus zurückgekehrt war, weiter, und vereinigte ſich bald wieder mit dem übrigen Zuge. Die Griechen in Myſien. Telephus. Die griechiſche Flotte kam jetzt glücklich an die Küſte von Kleinaſien. Da aber die Helden der Gegend nicht recht kun¬ dig waren, ließen ſie ſich von dem günſtigen Winde zuerſt ferne von Troja an die myſiſche Küſte treiben, und legten ſich mit allen ihren Schiffen vor Anker. Längs des Geſtades fanden ſie zur Bewachung des Ufers allenthalben Bewaff¬ nete aufgeſtellt, die ihnen im Namen des Landesherrn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/69
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/69>, abgerufen am 24.11.2024.