als Braut entgegengesandt werden sollte, und eines Sohnes von einem Nebenweibe, Megapenthes, den er einer edeln Spartanerin verlobte. Unter diesem Getümmel hielten am Thore der Königsburg Telemach und Pisistratus mit ihrem Wagen, und ein Krieger des Menelaus, der sie zuerst erblickte, meldete dem Fürsten die Ankunft der Frem¬ den, und fragte an, ob die Rosse abgespannt, oder die Fremden, wegen der festlichen Feier im Hause, einer Herberge zur Bewirthung zugewiesen werden sollten. "Ey, Held Eteoneus," antwortete ihm Menelaus ärger¬ lich, "du warst doch sonst nie ein Thor; heute aber redest du wie ein Kind! Wie viele Gastfreundschaft habe ich selbst bei andern Menschen genossen; und ich sollte um irgend einer Ursache willen Fremdlinge von meinem Heerd abweisen? Hurtig die Rosse abgespannt, und die Männer zum Gastmahl hereingeführt!" Der Krieger verließ eilends mit vielen Dienern den Saal, und die schäumenden Rosse wurden vom Wagenjoch abgelöst, und vor reichlichen Haber an die Krippe im Stalle ge¬ stellt, auch der Wagen wurde eingethan. Die Gäste wurden in den herrlichen Pallast geführt, und ihnen der Staub des Weges durch ein erquickendes Bad ab¬ gewaschen. Dann wurden sie dem Könige Menelaus zu¬ geführt und nahmen an seiner Seite beim köstlichen Mahle Platz. Staunend betrachtete sich Telemach die Pracht des Palastes und der Bewirthung und flüsterte seinem Freunde ins Ohr: "Sieh nur, Pisistratus, das Erz, das rings in dem gewölbten Saale glänzt, das Gold und Silber, das schimmernde Elfenbein! Welch unend¬ licher Schatz! Jupiters Pallast auf dem Olymp kann nicht herrlicher seyn! Mich erfüllt dieser Anblick mit
als Braut entgegengeſandt werden ſollte, und eines Sohnes von einem Nebenweibe, Megapenthes, den er einer edeln Spartanerin verlobte. Unter dieſem Getümmel hielten am Thore der Königsburg Telemach und Piſiſtratus mit ihrem Wagen, und ein Krieger des Menelaus, der ſie zuerſt erblickte, meldete dem Fürſten die Ankunft der Frem¬ den, und fragte an, ob die Roſſe abgeſpannt, oder die Fremden, wegen der feſtlichen Feier im Hauſe, einer Herberge zur Bewirthung zugewieſen werden ſollten. „Ey, Held Eteoneus,“ antwortete ihm Menelaus ärger¬ lich, „du warſt doch ſonſt nie ein Thor; heute aber redeſt du wie ein Kind! Wie viele Gaſtfreundſchaft habe ich ſelbſt bei andern Menſchen genoſſen; und ich ſollte um irgend einer Urſache willen Fremdlinge von meinem Heerd abweiſen? Hurtig die Roſſe abgeſpannt, und die Männer zum Gaſtmahl hereingeführt!“ Der Krieger verließ eilends mit vielen Dienern den Saal, und die ſchäumenden Roſſe wurden vom Wagenjoch abgelöst, und vor reichlichen Haber an die Krippe im Stalle ge¬ ſtellt, auch der Wagen wurde eingethan. Die Gäſte wurden in den herrlichen Pallaſt geführt, und ihnen der Staub des Weges durch ein erquickendes Bad ab¬ gewaſchen. Dann wurden ſie dem Könige Menelaus zu¬ geführt und nahmen an ſeiner Seite beim köſtlichen Mahle Platz. Staunend betrachtete ſich Telemach die Pracht des Palaſtes und der Bewirthung und flüſterte ſeinem Freunde ins Ohr: „Sieh nur, Piſiſtratus, das Erz, das rings in dem gewölbten Saale glänzt, das Gold und Silber, das ſchimmernde Elfenbein! Welch unend¬ licher Schatz! Jupiters Pallaſt auf dem Olymp kann nicht herrlicher ſeyn! Mich erfüllt dieſer Anblick mit
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als Braut entgegengeſandt werden ſollte, und eines Sohnes
von einem Nebenweibe, Megapenthes, den er einer edeln
Spartanerin verlobte. Unter dieſem Getümmel hielten
am Thore der Königsburg Telemach und Piſiſtratus mit
ihrem Wagen, und ein Krieger des Menelaus, der ſie
zuerſt erblickte, meldete dem Fürſten die Ankunft der Frem¬
den, und fragte an, ob die Roſſe abgeſpannt, oder
die Fremden, wegen der feſtlichen Feier im Hauſe,
einer Herberge zur Bewirthung zugewieſen werden ſollten.
„Ey, Held Eteoneus,“ antwortete ihm Menelaus ärger¬
lich, „du warſt doch ſonſt nie ein Thor; heute aber
redeſt du wie ein Kind! Wie viele Gaſtfreundſchaft habe
ich ſelbſt bei andern Menſchen genoſſen; und ich ſollte
um irgend einer Urſache willen Fremdlinge von meinem
Heerd abweiſen? Hurtig die Roſſe abgeſpannt, und die
Männer zum Gaſtmahl hereingeführt!“ Der Krieger
verließ eilends mit vielen Dienern den Saal, und die
ſchäumenden Roſſe wurden vom Wagenjoch abgelöst,
und vor reichlichen Haber an die Krippe im Stalle ge¬
ſtellt, auch der Wagen wurde eingethan. Die Gäſte
wurden in den herrlichen Pallaſt geführt, und ihnen
der Staub des Weges durch ein erquickendes Bad ab¬
gewaſchen. Dann wurden ſie dem Könige Menelaus zu¬
geführt und nahmen an ſeiner Seite beim köſtlichen Mahle
Platz. Staunend betrachtete ſich Telemach die Pracht
des Palaſtes und der Bewirthung und flüſterte ſeinem
Freunde ins Ohr: „Sieh nur, Piſiſtratus, das Erz,
das rings in dem gewölbten Saale glänzt, das Gold
und Silber, das ſchimmernde Elfenbein! Welch unend¬
licher Schatz! Jupiters Pallaſt auf dem Olymp kann
nicht herrlicher ſeyn! Mich erfüllt dieſer Anblick mit
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/109>, abgerufen am 25.11.2024.
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