droben in dem Söller mit deinen Jungfrauen den Göttern köstliche Dankopfer, wenn sie einst uns die Vergeltung gönnen. Ich selbst will zum Markte hingehen, um einen Fremdling ins Haus zu führen, der mich auf der Fahrt begleitet hat, und dessen Pflege ich bis zur eigenen Wie¬ derkehr einem Freunde anempfohlen habe." Penelope folgte seinem Rath, und Telemach eilte, den Speer in der Hand, von seinen Hunden begleitet, auf den Markt. Athene hatte ihm besondere Anmuth verliehen, daß den Kommenden alle Bürger anstaunten, und auch die Freier versammelten sich sogleich um ihn und sagten ihm viel Schönes ins Angesicht, während sie im Herzen über ihren bösen Entwürfen brüteten. Telemach verweilte jedoch nicht in ihrem Gedränge. Er setzte sich zu drei alten Freunden seines Vaters, Mentor, Antiphus und Halitherses, und erzählte ihnen, was er durfte. Jetzt führte auch Piräus seinen Gastfreund Theoklymenus an der Hand daher und Telemach begrüßte beide; Piräus aber wandte sich an seinen Freund und sprach: "Lieber Telemach, schicke doch auf der Stelle Dienerinnen in mein Haus, daß sie die Geschenke in Empfang nehmen, die dir Menelaus mitgegeben hat." "Freund," erwie¬ derte Telemach, "die Sachen liegen besser bei dir. Wissen wir doch noch nicht, welche Wendung die Sache nimmt. Fall' ich von dem Meuchelmorde der Freier und theilen sie mein Erbgut, so gönne ich jene köstlichen Gaben dir besser als ihnen; strafe dagegen ich sie mit dem Unter¬ gange, dann komm du und bringe fröhlich dem Fröhlichen jene Schätze!"
So sprach Telemach, faßte den landesflüchtigen Seher Theoklymenus bei der Hand und führte ihn vom
droben in dem Söller mit deinen Jungfrauen den Göttern köſtliche Dankopfer, wenn ſie einſt uns die Vergeltung gönnen. Ich ſelbſt will zum Markte hingehen, um einen Fremdling ins Haus zu führen, der mich auf der Fahrt begleitet hat, und deſſen Pflege ich bis zur eigenen Wie¬ derkehr einem Freunde anempfohlen habe.“ Penelope folgte ſeinem Rath, und Telemach eilte, den Speer in der Hand, von ſeinen Hunden begleitet, auf den Markt. Athene hatte ihm beſondere Anmuth verliehen, daß den Kommenden alle Bürger anſtaunten, und auch die Freier verſammelten ſich ſogleich um ihn und ſagten ihm viel Schönes ins Angeſicht, während ſie im Herzen über ihren böſen Entwürfen brüteten. Telemach verweilte jedoch nicht in ihrem Gedränge. Er ſetzte ſich zu drei alten Freunden ſeines Vaters, Mentor, Antiphus und Halitherſes, und erzählte ihnen, was er durfte. Jetzt führte auch Piräus ſeinen Gaſtfreund Theoklymenus an der Hand daher und Telemach begrüßte beide; Piräus aber wandte ſich an ſeinen Freund und ſprach: „Lieber Telemach, ſchicke doch auf der Stelle Dienerinnen in mein Haus, daß ſie die Geſchenke in Empfang nehmen, die dir Menelaus mitgegeben hat.“ „Freund,“ erwie¬ derte Telemach, „die Sachen liegen beſſer bei dir. Wiſſen wir doch noch nicht, welche Wendung die Sache nimmt. Fall' ich von dem Meuchelmorde der Freier und theilen ſie mein Erbgut, ſo gönne ich jene köſtlichen Gaben dir beſſer als ihnen; ſtrafe dagegen ich ſie mit dem Unter¬ gange, dann komm du und bringe fröhlich dem Fröhlichen jene Schätze!“
So ſprach Telemach, faßte den landesflüchtigen Seher Theoklymenus bei der Hand und führte ihn vom
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droben in dem Söller mit deinen Jungfrauen den Göttern
köſtliche Dankopfer, wenn ſie einſt uns die Vergeltung
gönnen. Ich ſelbſt will zum Markte hingehen, um einen
Fremdling ins Haus zu führen, der mich auf der Fahrt
begleitet hat, und deſſen Pflege ich bis zur eigenen Wie¬
derkehr einem Freunde anempfohlen habe.“ Penelope folgte
ſeinem Rath, und Telemach eilte, den Speer in der
Hand, von ſeinen Hunden begleitet, auf den Markt.
Athene hatte ihm beſondere Anmuth verliehen, daß den
Kommenden alle Bürger anſtaunten, und auch die Freier
verſammelten ſich ſogleich um ihn und ſagten ihm viel
Schönes ins Angeſicht, während ſie im Herzen über
ihren böſen Entwürfen brüteten. Telemach verweilte
jedoch nicht in ihrem Gedränge. Er ſetzte ſich zu drei
alten Freunden ſeines Vaters, Mentor, Antiphus und
Halitherſes, und erzählte ihnen, was er durfte. Jetzt
führte auch Piräus ſeinen Gaſtfreund Theoklymenus an
der Hand daher und Telemach begrüßte beide; Piräus
aber wandte ſich an ſeinen Freund und ſprach: „Lieber
Telemach, ſchicke doch auf der Stelle Dienerinnen in
mein Haus, daß ſie die Geſchenke in Empfang nehmen,
die dir Menelaus mitgegeben hat.“ „Freund,“ erwie¬
derte Telemach, „die Sachen liegen beſſer bei dir. Wiſſen
wir doch noch nicht, welche Wendung die Sache nimmt.
Fall' ich von dem Meuchelmorde der Freier und theilen
ſie mein Erbgut, ſo gönne ich jene köſtlichen Gaben dir
beſſer als ihnen; ſtrafe dagegen ich ſie mit dem Unter¬
gange, dann komm du und bringe fröhlich dem Fröhlichen
jene Schätze!“
So ſprach Telemach, faßte den landesflüchtigen
Seher Theoklymenus bei der Hand und führte ihn vom
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/237>, abgerufen am 24.11.2024.
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