vollbringt, dem will ich folgen." "Thue das, ehrwür¬ dige Königin," sprach Odysseus entschlossen, "bestimme morgen auf der Stelle den Wettkampf: denn eher kommt dir Odysseus, als daß jene seinen Bogen spannen, und durch die zwölf Löcher der Aexte den Pfeil schnellen."
Die Nacht und der Morgen im Palaste.
Die Königin sagte dem Fremdling gute Nacht, Odysseus begab sich in den Vorsaal, wo ihm Euryklea ein Bett bereitet hatte, das er sich gefallen ließ. Ueber eine ungegerbte Stierhaut waren Schafspelze zum Lager gebreitet, und den Liegenden deckte ein Mantel zu. Lang wälzte er sich schlaflos auf seinem Lager; die schändli¬ chen Mägde, die mit den Freiern zuhielten, stürmten unter Scherz und Gelächter an ihm vorüber, daß sie ihm das Herz im Innersten empörten. Aber der Held schlug an seine Brust, strafte sich selbst und sprach im Geiste: "Duld' es, mein Herz, hast du doch schon Här¬ teres ertragen! Weißest du nicht mehr, wie du beim Cy¬ klopen saßest, und ihm zusehen mußtest, wie das Unge¬ heuer deine Genossen fraß? Dulde!" So bezwang er sein Herz; doch warf er sich noch lange hin und her und sann auf Rache gegen die Freier, als sich auf ein¬ mal Athene in Jungfrauengestalt über sein Haupt neigte, und seinen bangen Gedanken, wie er über so Viele Meister werden sollte, mit den Worten ein Ziel setzte: "Kleinmüthiger, verläßt man sich doch schon auf einen geringeren Freund, auf einen Sterblichen, der nicht so
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vollbringt, dem will ich folgen.“ „Thue das, ehrwür¬ dige Königin,“ ſprach Odyſſeus entſchloſſen, „beſtimme morgen auf der Stelle den Wettkampf: denn eher kommt dir Odyſſeus, als daß jene ſeinen Bogen ſpannen, und durch die zwölf Löcher der Aexte den Pfeil ſchnellen.“
Die Nacht und der Morgen im Palaſte.
Die Königin ſagte dem Fremdling gute Nacht, Odyſſeus begab ſich in den Vorſaal, wo ihm Euryklea ein Bett bereitet hatte, das er ſich gefallen ließ. Ueber eine ungegerbte Stierhaut waren Schafspelze zum Lager gebreitet, und den Liegenden deckte ein Mantel zu. Lang wälzte er ſich ſchlaflos auf ſeinem Lager; die ſchändli¬ chen Mägde, die mit den Freiern zuhielten, ſtürmten unter Scherz und Gelächter an ihm vorüber, daß ſie ihm das Herz im Innerſten empörten. Aber der Held ſchlug an ſeine Bruſt, ſtrafte ſich ſelbſt und ſprach im Geiſte: „Duld' es, mein Herz, haſt du doch ſchon Här¬ teres ertragen! Weißeſt du nicht mehr, wie du beim Cy¬ klopen ſaßeſt, und ihm zuſehen mußteſt, wie das Unge¬ heuer deine Genoſſen fraß? Dulde!“ So bezwang er ſein Herz; doch warf er ſich noch lange hin und her und ſann auf Rache gegen die Freier, als ſich auf ein¬ mal Athene in Jungfrauengeſtalt über ſein Haupt neigte, und ſeinen bangen Gedanken, wie er über ſo Viele Meiſter werden ſollte, mit den Worten ein Ziel ſetzte: „Kleinmüthiger, verläßt man ſich doch ſchon auf einen geringeren Freund, auf einen Sterblichen, der nicht ſo
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vollbringt, dem will ich folgen.“ „Thue das, ehrwür¬
dige Königin,“ ſprach Odyſſeus entſchloſſen, „beſtimme
morgen auf der Stelle den Wettkampf: denn eher kommt
dir Odyſſeus, als daß jene ſeinen Bogen ſpannen, und
durch die zwölf Löcher der Aexte den Pfeil ſchnellen.“
Die Nacht und der Morgen im Palaſte.
Die Königin ſagte dem Fremdling gute Nacht,
Odyſſeus begab ſich in den Vorſaal, wo ihm Euryklea
ein Bett bereitet hatte, das er ſich gefallen ließ. Ueber
eine ungegerbte Stierhaut waren Schafspelze zum Lager
gebreitet, und den Liegenden deckte ein Mantel zu. Lang
wälzte er ſich ſchlaflos auf ſeinem Lager; die ſchändli¬
chen Mägde, die mit den Freiern zuhielten, ſtürmten
unter Scherz und Gelächter an ihm vorüber, daß ſie
ihm das Herz im Innerſten empörten. Aber der Held
ſchlug an ſeine Bruſt, ſtrafte ſich ſelbſt und ſprach im
Geiſte: „Duld' es, mein Herz, haſt du doch ſchon Här¬
teres ertragen! Weißeſt du nicht mehr, wie du beim Cy¬
klopen ſaßeſt, und ihm zuſehen mußteſt, wie das Unge¬
heuer deine Genoſſen fraß? Dulde!“ So bezwang er
ſein Herz; doch warf er ſich noch lange hin und her
und ſann auf Rache gegen die Freier, als ſich auf ein¬
mal Athene in Jungfrauengeſtalt über ſein Haupt neigte,
und ſeinen bangen Gedanken, wie er über ſo Viele
Meiſter werden ſollte, mit den Worten ein Ziel ſetzte:
„Kleinmüthiger, verläßt man ſich doch ſchon auf einen
geringeren Freund, auf einen Sterblichen, der nicht ſo
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/265>, abgerufen am 22.11.2024.
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