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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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sollen; darüber werden uns die Enkel noch verspotten!"
Antinous aber wies den Freund zurecht und sagte: "Rede
nicht so, Eurymachus, es feiert heute das Volk ein
großes Fest: da ziemt es eigentlich gar nicht, den Bogen
zu spannen. Laßt uns das Geschoß hinweglegen, und
wieder eins trinken; die Aexte mögen immerhin im Saale
stehen bleiben, dann opfern wir morgen dem Apollo und
vollbringen den Bogenkampf!"

Jetzt wandte sich Odysseus an die Freier und sprach:
"Ihr thut wohl daran, heute zu rasten: morgen wird
euch hoffentlich Apollo der Fernhintreffer Sieg verleihen.
Einstweilen gestattet mir es, den Bogen zu erproben,
und zu versuchen, ob in den elenden Gliedern noch etwas
von der alten Kraft geblieben ist." "Fremdling," fuhr
Antinous bei diesen Worten des Helden auf, "bist du
ganz von Sinnen? bethört dich der Wein? willst du
Hader beginnen, wie der Centaure auf der Hochzeit des
Pirithous? Bedenke, daß dieser zuerst das Verderben
selbst fand, so soll auch dich das Unheil treffen, sobald
du den Bogen spannst, und du wirst keinen Fürsprecher
mehr unter uns finden!" Nun mischte sich auch Pe¬
nelope in den Streit. "Antinous," sprach sie mit sanfter
Stimme, "wie unziemlich wäre es, den Fremdling vom
Wettkampf ausschließen zu wollen! Fürchtest du etwa,
wenn es dem Bettler gelänge, den Bogen zu spannen,
er würde mich als Gattin heimführen? Schwerlich
macht er sich selbst diese Hoffnung. Bekümmere sich nur
deßwegen keiner von euch in seinem Herzen! Das wäre
ja unmöglich, unmöglich!" "Nicht das fürchten wir,
o Königin," antwortete ihr Eurymachus hierauf; "nein!
sondern wir fürchten nur die Nachrede bei den Griechen,

ſollen; darüber werden uns die Enkel noch verſpotten!“
Antinous aber wies den Freund zurecht und ſagte: „Rede
nicht ſo, Eurymachus, es feiert heute das Volk ein
großes Feſt: da ziemt es eigentlich gar nicht, den Bogen
zu ſpannen. Laßt uns das Geſchoß hinweglegen, und
wieder eins trinken; die Aexte mögen immerhin im Saale
ſtehen bleiben, dann opfern wir morgen dem Apollo und
vollbringen den Bogenkampf!“

Jetzt wandte ſich Odyſſeus an die Freier und ſprach:
„Ihr thut wohl daran, heute zu raſten: morgen wird
euch hoffentlich Apollo der Fernhintreffer Sieg verleihen.
Einſtweilen geſtattet mir es, den Bogen zu erproben,
und zu verſuchen, ob in den elenden Gliedern noch etwas
von der alten Kraft geblieben iſt.“ „Fremdling,“ fuhr
Antinous bei dieſen Worten des Helden auf, „biſt du
ganz von Sinnen? bethört dich der Wein? willſt du
Hader beginnen, wie der Centaure auf der Hochzeit des
Pirithous? Bedenke, daß dieſer zuerſt das Verderben
ſelbſt fand, ſo ſoll auch dich das Unheil treffen, ſobald
du den Bogen ſpannſt, und du wirſt keinen Fürſprecher
mehr unter uns finden!“ Nun miſchte ſich auch Pe¬
nelope in den Streit. „Antinous,“ ſprach ſie mit ſanfter
Stimme, „wie unziemlich wäre es, den Fremdling vom
Wettkampf ausſchließen zu wollen! Fürchteſt du etwa,
wenn es dem Bettler gelänge, den Bogen zu ſpannen,
er würde mich als Gattin heimführen? Schwerlich
macht er ſich ſelbſt dieſe Hoffnung. Bekümmere ſich nur
deßwegen keiner von euch in ſeinem Herzen! Das wäre
ja unmöglich, unmöglich!“ „Nicht das fürchten wir,
o Königin,“ antwortete ihr Eurymachus hierauf; „nein!
ſondern wir fürchten nur die Nachrede bei den Griechen,

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[256/0278] ſollen; darüber werden uns die Enkel noch verſpotten!“ Antinous aber wies den Freund zurecht und ſagte: „Rede nicht ſo, Eurymachus, es feiert heute das Volk ein großes Feſt: da ziemt es eigentlich gar nicht, den Bogen zu ſpannen. Laßt uns das Geſchoß hinweglegen, und wieder eins trinken; die Aexte mögen immerhin im Saale ſtehen bleiben, dann opfern wir morgen dem Apollo und vollbringen den Bogenkampf!“ Jetzt wandte ſich Odyſſeus an die Freier und ſprach: „Ihr thut wohl daran, heute zu raſten: morgen wird euch hoffentlich Apollo der Fernhintreffer Sieg verleihen. Einſtweilen geſtattet mir es, den Bogen zu erproben, und zu verſuchen, ob in den elenden Gliedern noch etwas von der alten Kraft geblieben iſt.“ „Fremdling,“ fuhr Antinous bei dieſen Worten des Helden auf, „biſt du ganz von Sinnen? bethört dich der Wein? willſt du Hader beginnen, wie der Centaure auf der Hochzeit des Pirithous? Bedenke, daß dieſer zuerſt das Verderben ſelbſt fand, ſo ſoll auch dich das Unheil treffen, ſobald du den Bogen ſpannſt, und du wirſt keinen Fürſprecher mehr unter uns finden!“ Nun miſchte ſich auch Pe¬ nelope in den Streit. „Antinous,“ ſprach ſie mit ſanfter Stimme, „wie unziemlich wäre es, den Fremdling vom Wettkampf ausſchließen zu wollen! Fürchteſt du etwa, wenn es dem Bettler gelänge, den Bogen zu ſpannen, er würde mich als Gattin heimführen? Schwerlich macht er ſich ſelbſt dieſe Hoffnung. Bekümmere ſich nur deßwegen keiner von euch in ſeinem Herzen! Das wäre ja unmöglich, unmöglich!“ „Nicht das fürchten wir, o Königin,“ antwortete ihr Eurymachus hierauf; „nein! ſondern wir fürchten nur die Nachrede bei den Griechen,

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/278>, abgerufen am 22.11.2024.