Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

der Eroberung Troja's und der Ankunft des Königes
geben sollte. War die Kunde einmal gekommen, so sollte
es an Zurüstungen nicht fehlen, dem König Agamemnon
einen festlichen Empfang zu bereiten und ihn in die Falle
zu locken, noch bevor er den wahren Zustand der Dinge
in seiner Heimat erführe.

Endlich erglänzte die Fackel bei Nacht. Der Wäch¬
ter eilte von der Zinne herab und meldete der Herrin
das erblickte Zeichen. Mit Ungeduld erwarteten Klytäm¬
nestra und ihr Buhle den Morgen; und die Sonne
war noch nicht lange aufgegangen, als schon ein Herold,
von dem heimkehrenden König abgesandt, mit Oliven¬
zweigen sein Haupt beschattend, auf den Pallast von
Mycene zugeschritten kam. Die Königin ging ihm mit
verstellter Freundlichkeit entgegen. Doch sorgte sie, daß
der Bote sich im Königshause nicht umsehen konnte, und
als dieser in einer langen Erzählung seiner Siegesfreude
Luft machen wollte, unterbrach sie ihn hastig und sprach:
"Bemühe dich nicht, am besten werde ich das Alles
aus dem Munde meines königlichen Gemahles selbst er¬
fahren. Kehre zurück und beschleunige seinen Weg.
Sage ihm, wie erwünscht er mir und der Stadt komme,
und daß ich selbst mich zum Aufbruch anschicken werde,
ihn nicht nur als meinen verehrten und geliebten Gatten,
sondern auch als den herrlichen Eroberer einer weltbe¬
rühmten Stadt nach Würden zu empfangen."


der Eroberung Troja's und der Ankunft des Königes
geben ſollte. War die Kunde einmal gekommen, ſo ſollte
es an Zurüſtungen nicht fehlen, dem König Agamemnon
einen feſtlichen Empfang zu bereiten und ihn in die Falle
zu locken, noch bevor er den wahren Zuſtand der Dinge
in ſeiner Heimat erführe.

Endlich erglänzte die Fackel bei Nacht. Der Wäch¬
ter eilte von der Zinne herab und meldete der Herrin
das erblickte Zeichen. Mit Ungeduld erwarteten Klytäm¬
neſtra und ihr Buhle den Morgen; und die Sonne
war noch nicht lange aufgegangen, als ſchon ein Herold,
von dem heimkehrenden König abgeſandt, mit Oliven¬
zweigen ſein Haupt beſchattend, auf den Pallaſt von
Mycene zugeſchritten kam. Die Königin ging ihm mit
verſtellter Freundlichkeit entgegen. Doch ſorgte ſie, daß
der Bote ſich im Königshauſe nicht umſehen konnte, und
als dieſer in einer langen Erzählung ſeiner Siegesfreude
Luft machen wollte, unterbrach ſie ihn haſtig und ſprach:
„Bemühe dich nicht, am beſten werde ich das Alles
aus dem Munde meines königlichen Gemahles ſelbſt er¬
fahren. Kehre zurück und beſchleunige ſeinen Weg.
Sage ihm, wie erwünſcht er mir und der Stadt komme,
und daß ich ſelbſt mich zum Aufbruch anſchicken werde,
ihn nicht nur als meinen verehrten und geliebten Gatten,
ſondern auch als den herrlichen Eroberer einer weltbe¬
rühmten Stadt nach Würden zu empfangen.“


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0029" n="7"/>
der Eroberung Troja's und der Ankunft des Königes<lb/>
geben &#x017F;ollte. War die Kunde einmal gekommen, &#x017F;o &#x017F;ollte<lb/>
es an Zurü&#x017F;tungen nicht fehlen, dem König Agamemnon<lb/>
einen fe&#x017F;tlichen Empfang zu bereiten und ihn in die Falle<lb/>
zu locken, noch bevor er den wahren Zu&#x017F;tand der Dinge<lb/>
in &#x017F;einer Heimat erführe.</p><lb/>
            <p>Endlich erglänzte die Fackel bei Nacht. Der Wäch¬<lb/>
ter eilte von der Zinne herab und meldete der Herrin<lb/>
das erblickte Zeichen. Mit Ungeduld erwarteten Klytäm¬<lb/>
ne&#x017F;tra und ihr Buhle den Morgen; und die Sonne<lb/>
war noch nicht lange aufgegangen, als &#x017F;chon ein Herold,<lb/>
von dem heimkehrenden König abge&#x017F;andt, mit Oliven¬<lb/>
zweigen &#x017F;ein Haupt be&#x017F;chattend, auf den Palla&#x017F;t von<lb/>
Mycene zuge&#x017F;chritten kam. Die Königin ging ihm mit<lb/>
ver&#x017F;tellter Freundlichkeit entgegen. Doch &#x017F;orgte &#x017F;ie, daß<lb/>
der Bote &#x017F;ich im Königshau&#x017F;e nicht um&#x017F;ehen konnte, und<lb/>
als die&#x017F;er in einer langen Erzählung &#x017F;einer Siegesfreude<lb/>
Luft machen wollte, unterbrach &#x017F;ie ihn ha&#x017F;tig und &#x017F;prach:<lb/>
&#x201E;Bemühe dich nicht, am be&#x017F;ten werde ich das Alles<lb/>
aus dem Munde meines königlichen Gemahles &#x017F;elb&#x017F;t er¬<lb/>
fahren. Kehre zurück und be&#x017F;chleunige &#x017F;einen Weg.<lb/>
Sage ihm, wie erwün&#x017F;cht er mir und der Stadt komme,<lb/>
und daß ich &#x017F;elb&#x017F;t mich zum Aufbruch an&#x017F;chicken werde,<lb/>
ihn nicht nur als meinen verehrten und geliebten Gatten,<lb/>
&#x017F;ondern auch als den herrlichen Eroberer einer weltbe¬<lb/>
rühmten Stadt nach Würden zu empfangen.&#x201C;</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0029] der Eroberung Troja's und der Ankunft des Königes geben ſollte. War die Kunde einmal gekommen, ſo ſollte es an Zurüſtungen nicht fehlen, dem König Agamemnon einen feſtlichen Empfang zu bereiten und ihn in die Falle zu locken, noch bevor er den wahren Zuſtand der Dinge in ſeiner Heimat erführe. Endlich erglänzte die Fackel bei Nacht. Der Wäch¬ ter eilte von der Zinne herab und meldete der Herrin das erblickte Zeichen. Mit Ungeduld erwarteten Klytäm¬ neſtra und ihr Buhle den Morgen; und die Sonne war noch nicht lange aufgegangen, als ſchon ein Herold, von dem heimkehrenden König abgeſandt, mit Oliven¬ zweigen ſein Haupt beſchattend, auf den Pallaſt von Mycene zugeſchritten kam. Die Königin ging ihm mit verſtellter Freundlichkeit entgegen. Doch ſorgte ſie, daß der Bote ſich im Königshauſe nicht umſehen konnte, und als dieſer in einer langen Erzählung ſeiner Siegesfreude Luft machen wollte, unterbrach ſie ihn haſtig und ſprach: „Bemühe dich nicht, am beſten werde ich das Alles aus dem Munde meines königlichen Gemahles ſelbſt er¬ fahren. Kehre zurück und beſchleunige ſeinen Weg. Sage ihm, wie erwünſcht er mir und der Stadt komme, und daß ich ſelbſt mich zum Aufbruch anſchicken werde, ihn nicht nur als meinen verehrten und geliebten Gatten, ſondern auch als den herrlichen Eroberer einer weltbe¬ rühmten Stadt nach Würden zu empfangen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/29
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/29>, abgerufen am 24.11.2024.