gab Gesetze. Da sahen Aeneas und Achates plötzlich mitten in dem Gewühle ihre verloren geachteten Freunde und Genossen, den Serestus, den Kleanthus, und viele andere Teukrer, welche der Sturm von ihnen getrennt und an andere Küsten verschlagen hatte. Freude und Angst ergriff sie bei diesem Anblick: sie glühten vor Be¬ gierde, ihnen die Rechte zu traulichem Handschlage zu reichen, und doch machte sie das Unbegreifliche der Sache wieder irre: sie hielten deßwegen in ihrem Ne¬ belgewölke an sich und warteten zu, ob sie nicht im Ver¬ lauf der Dinge das Schicksal der Freunde aus ihrem eigenen Munde erfahren würden. Denn es waren, wie sie sahen, auserwählte Männer von jedem Schiffe. Auch drängten sie sich bald aus der Menge hervor, traten in die Vorhalle des Tempels ein, und als ihnen das Wort von der Königin vergönnt wurde, hob ihr Führer Ilio¬ neus zu sprechen an: "Edle Königin, wir sind arme Trojaner, die der Sturm von Meer zu Meere geschleu¬ dert hat. Wir richteten den Lauf unserer Flotte nach dem fernen Italien, als ein unvermutheter Orkan uns unter die Klippen schleuderte, wo viele unserer Schiffe ohne Zweifel zu Grunde gegangen sind. Die Ueber¬ bleibsel der Flotte haben euer Gestade erreicht. Aber was sind das für Menschen, unter die wir gerathen sind? welches Barbarenvolk duldet solche Gebräuche? Man verwehrt uns, den Strand zu betreten, man droht mit Kriege, mit Verbrennung unserer Schiffe. Wenn ihr von Menschlichkeit nichts wisset, so scheuet doch wenigstens die Götter! Aeneas war unser Führer -- es gibt keinen größeren und frömmern Helden! Wenn das Schicksal uns diesen Mann erhalten hat, so wird
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gab Geſetze. Da ſahen Aeneas und Achates plötzlich mitten in dem Gewühle ihre verloren geachteten Freunde und Genoſſen, den Sereſtus, den Kleanthus, und viele andere Teukrer, welche der Sturm von ihnen getrennt und an andere Küſten verſchlagen hatte. Freude und Angſt ergriff ſie bei dieſem Anblick: ſie glühten vor Be¬ gierde, ihnen die Rechte zu traulichem Handſchlage zu reichen, und doch machte ſie das Unbegreifliche der Sache wieder irre: ſie hielten deßwegen in ihrem Ne¬ belgewölke an ſich und warteten zu, ob ſie nicht im Ver¬ lauf der Dinge das Schickſal der Freunde aus ihrem eigenen Munde erfahren würden. Denn es waren, wie ſie ſahen, auserwählte Männer von jedem Schiffe. Auch drängten ſie ſich bald aus der Menge hervor, traten in die Vorhalle des Tempels ein, und als ihnen das Wort von der Königin vergönnt wurde, hob ihr Führer Ilio¬ neus zu ſprechen an: „Edle Königin, wir ſind arme Trojaner, die der Sturm von Meer zu Meere geſchleu¬ dert hat. Wir richteten den Lauf unſerer Flotte nach dem fernen Italien, als ein unvermutheter Orkan uns unter die Klippen ſchleuderte, wo viele unſerer Schiffe ohne Zweifel zu Grunde gegangen ſind. Die Ueber¬ bleibſel der Flotte haben euer Geſtade erreicht. Aber was ſind das für Menſchen, unter die wir gerathen ſind? welches Barbarenvolk duldet ſolche Gebräuche? Man verwehrt uns, den Strand zu betreten, man droht mit Kriege, mit Verbrennung unſerer Schiffe. Wenn ihr von Menſchlichkeit nichts wiſſet, ſo ſcheuet doch wenigſtens die Götter! Aeneas war unſer Führer — es gibt keinen größeren und frömmern Helden! Wenn das Schickſal uns dieſen Mann erhalten hat, ſo wird
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gab Geſetze. Da ſahen Aeneas und Achates plötzlich
mitten in dem Gewühle ihre verloren geachteten Freunde
und Genoſſen, den Sereſtus, den Kleanthus, und viele
andere Teukrer, welche der Sturm von ihnen getrennt
und an andere Küſten verſchlagen hatte. Freude und
Angſt ergriff ſie bei dieſem Anblick: ſie glühten vor Be¬
gierde, ihnen die Rechte zu traulichem Handſchlage zu
reichen, und doch machte ſie das Unbegreifliche der
Sache wieder irre: ſie hielten deßwegen in ihrem Ne¬
belgewölke an ſich und warteten zu, ob ſie nicht im Ver¬
lauf der Dinge das Schickſal der Freunde aus ihrem
eigenen Munde erfahren würden. Denn es waren, wie
ſie ſahen, auserwählte Männer von jedem Schiffe. Auch
drängten ſie ſich bald aus der Menge hervor, traten in
die Vorhalle des Tempels ein, und als ihnen das Wort
von der Königin vergönnt wurde, hob ihr Führer Ilio¬
neus zu ſprechen an: „Edle Königin, wir ſind arme
Trojaner, die der Sturm von Meer zu Meere geſchleu¬
dert hat. Wir richteten den Lauf unſerer Flotte nach
dem fernen Italien, als ein unvermutheter Orkan uns
unter die Klippen ſchleuderte, wo viele unſerer Schiffe
ohne Zweifel zu Grunde gegangen ſind. Die Ueber¬
bleibſel der Flotte haben euer Geſtade erreicht. Aber
was ſind das für Menſchen, unter die wir gerathen
ſind? welches Barbarenvolk duldet ſolche Gebräuche?
Man verwehrt uns, den Strand zu betreten, man droht
mit Kriege, mit Verbrennung unſerer Schiffe. Wenn
ihr von Menſchlichkeit nichts wiſſet, ſo ſcheuet doch
wenigſtens die Götter! Aeneas war unſer Führer —
es gibt keinen größeren und frömmern Helden! Wenn
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/345>, abgerufen am 22.11.2024.
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