der Königsstadt entgegen. Den wahren Askanius hatte Venus im Schlummer in ihr eigenes Gebiet, in den Hain Idalia's, entführt, und ihn dort in duftenden Majo¬ ran unter kühle Schatten gelegt.
Als Achates mit dem kleinen Gott an der Hand in Karthago's Burg eintraf, hatte sich die Königin schon auf einem goldenen, mit köstlichen Teppichen ge¬ polsterten Throngestelle in der Mitte des Saales nieder¬ gelassen; Aeneas und die trojanischen Helden kamen von allen Seiten herbei, und lagerten sich die Tische entlang auf purpurne Polster; Diener boten Reinigungswasser und Handtücher herum, und langten das Brod aus den Körben hervor; fünfzig Mägde standen in langen Rei¬ hen in der Küche, vor den dampfenden Speisen an flam¬ menden Heerden; andere hundert Mägde und eben so viele schmucke Diener thürmten die Gerichte auf den Tischen umher, und stellten die goldenen Becher vor die Gäste. Auch die Tyrier kamen jetzt schaarenweise her¬ bei, und lagerten sich auf das Gebot ihrer Königin an den Tafeln. Die Geschenke des Aeneas wurden herum¬ gegeben und bewundert. Dann richteten sich aller Blicke auf den kleinen vermeintlichen Julus, der mit heuchleri¬ schen Umarmungen sich an den Hals seines Vaters warf, seinen Mund mit Küssen bedeckte, und wunderkluge Worte dazu sprach. Die arme Dido besonders, die schon von dem Gott ihrem Verderben geweiht war, konnte ihr Ge¬ müth gar nicht sättigen, und blickte bald den Knaben, bald die Geschenke mit immer funkelnderen Augen an. Der kleine Liebesgott riß sich endlich von dem erheuchel¬ ten Vater los und eilte auf die Königin zu. Diese nahm ihn arglos auf die Arme, blickte ihn liebreich an und
der Königsſtadt entgegen. Den wahren Askanius hatte Venus im Schlummer in ihr eigenes Gebiet, in den Hain Idalia's, entführt, und ihn dort in duftenden Majo¬ ran unter kühle Schatten gelegt.
Als Achates mit dem kleinen Gott an der Hand in Karthago's Burg eintraf, hatte ſich die Königin ſchon auf einem goldenen, mit köſtlichen Teppichen ge¬ polſterten Throngeſtelle in der Mitte des Saales nieder¬ gelaſſen; Aeneas und die trojaniſchen Helden kamen von allen Seiten herbei, und lagerten ſich die Tiſche entlang auf purpurne Polſter; Diener boten Reinigungswaſſer und Handtücher herum, und langten das Brod aus den Körben hervor; fünfzig Mägde ſtanden in langen Rei¬ hen in der Küche, vor den dampfenden Speiſen an flam¬ menden Heerden; andere hundert Mägde und eben ſo viele ſchmucke Diener thürmten die Gerichte auf den Tiſchen umher, und ſtellten die goldenen Becher vor die Gäſte. Auch die Tyrier kamen jetzt ſchaarenweiſe her¬ bei, und lagerten ſich auf das Gebot ihrer Königin an den Tafeln. Die Geſchenke des Aeneas wurden herum¬ gegeben und bewundert. Dann richteten ſich aller Blicke auf den kleinen vermeintlichen Julus, der mit heuchleri¬ ſchen Umarmungen ſich an den Hals ſeines Vaters warf, ſeinen Mund mit Küſſen bedeckte, und wunderkluge Worte dazu ſprach. Die arme Dido beſonders, die ſchon von dem Gott ihrem Verderben geweiht war, konnte ihr Ge¬ müth gar nicht ſättigen, und blickte bald den Knaben, bald die Geſchenke mit immer funkelnderen Augen an. Der kleine Liebesgott riß ſich endlich von dem erheuchel¬ ten Vater los und eilte auf die Königin zu. Dieſe nahm ihn arglos auf die Arme, blickte ihn liebreich an und
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der Königsſtadt entgegen. Den wahren Askanius hatte
Venus im Schlummer in ihr eigenes Gebiet, in den
Hain Idalia's, entführt, und ihn dort in duftenden Majo¬
ran unter kühle Schatten gelegt.
Als Achates mit dem kleinen Gott an der Hand
in Karthago's Burg eintraf, hatte ſich die Königin
ſchon auf einem goldenen, mit köſtlichen Teppichen ge¬
polſterten Throngeſtelle in der Mitte des Saales nieder¬
gelaſſen; Aeneas und die trojaniſchen Helden kamen von
allen Seiten herbei, und lagerten ſich die Tiſche entlang
auf purpurne Polſter; Diener boten Reinigungswaſſer
und Handtücher herum, und langten das Brod aus den
Körben hervor; fünfzig Mägde ſtanden in langen Rei¬
hen in der Küche, vor den dampfenden Speiſen an flam¬
menden Heerden; andere hundert Mägde und eben ſo
viele ſchmucke Diener thürmten die Gerichte auf den
Tiſchen umher, und ſtellten die goldenen Becher vor die
Gäſte. Auch die Tyrier kamen jetzt ſchaarenweiſe her¬
bei, und lagerten ſich auf das Gebot ihrer Königin an
den Tafeln. Die Geſchenke des Aeneas wurden herum¬
gegeben und bewundert. Dann richteten ſich aller Blicke
auf den kleinen vermeintlichen Julus, der mit heuchleri¬
ſchen Umarmungen ſich an den Hals ſeines Vaters warf,
ſeinen Mund mit Küſſen bedeckte, und wunderkluge Worte
dazu ſprach. Die arme Dido beſonders, die ſchon von
dem Gott ihrem Verderben geweiht war, konnte ihr Ge¬
müth gar nicht ſättigen, und blickte bald den Knaben,
bald die Geſchenke mit immer funkelnderen Augen an.
Der kleine Liebesgott riß ſich endlich von dem erheuchel¬
ten Vater los und eilte auf die Königin zu. Dieſe nahm
ihn arglos auf die Arme, blickte ihn liebreich an und
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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