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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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zum freudigen Kampf aus den Thoren ziehen, am Strande
den Phrygiern ihre bunten Schiffe verbrennen und sie
selbst vertilgen!" Lachend erwiederte im Traume der
Jüngling: "Alte! daß die Trojanerflotte in die Tiber
eingelaufen ist, und Juno meiner gedenkt, wußte ich schon
längst, das andere sind Schreckbilder, mit denen dich dein
Alter quält. Warte du der Götterbilder und des Tem¬
pels. Krieg und Frieden laß den Mann betreiben!"

Die Furie durchbebte ein Zorn bei diesen Worten,
und der Jüngling empfand ihren Schauer auf der Stelle.
Er hörte das Zischen ihrer Hydern, sein Blick erstarrte
und er wollte noch mehreres erwiedern, als die nächt¬
liche Gestalt, plötzlich übermenschlich groß geworden, den
Aufgerichteten mit einem Stoß aufs Lager zurückwarf,
aus dem Haare zwei Schlangen hervorzog, mit ihnen,
wie mit einer Peitsche zu klatschen anfing und dazu mit
schäumendem Munde sprach: "Meinst du noch, ich sey
ein verschimmeltes altes Weib, und verstehe mich nicht
auf den Zwist der Könige? Erkenne die Rachegöttin in
mir, die Krieg und Tod in ihrer Hand trägt!" In die¬
sem Augenblicke warf sie ihre Fackel, die der Jüngling
in ihrer Furienhand geschwungen sah, ihm auf die offen¬
liegende Brust, so daß der schwarze, qualmende Brand
sich fest in sein Fleisch heftete. Seine Glieder und Ge¬
beine überströmte ein Schweiß. "Waffen!" schnaubte er
noch in der Besinnungslosigkeit des Schlafes; Waffen
suchte er erwacht in seinem Bette, erstanden in seinem
Hause; rasende Kriegswuth tobte in seiner Brust, wie
die Welle in einem siedenden Kessel unter dem Reisig¬
feuer aufhüpft. Sobald der Morgen angebrochen war,
beschickte er die Häuptlinge seines Volkes, und hieß sie

zum freudigen Kampf aus den Thoren ziehen, am Strande
den Phrygiern ihre bunten Schiffe verbrennen und ſie
ſelbſt vertilgen!“ Lachend erwiederte im Traume der
Jüngling: „Alte! daß die Trojanerflotte in die Tiber
eingelaufen iſt, und Juno meiner gedenkt, wußte ich ſchon
längſt, das andere ſind Schreckbilder, mit denen dich dein
Alter quält. Warte du der Götterbilder und des Tem¬
pels. Krieg und Frieden laß den Mann betreiben!“

Die Furie durchbebte ein Zorn bei dieſen Worten,
und der Jüngling empfand ihren Schauer auf der Stelle.
Er hörte das Ziſchen ihrer Hydern, ſein Blick erſtarrte
und er wollte noch mehreres erwiedern, als die nächt¬
liche Geſtalt, plötzlich übermenſchlich groß geworden, den
Aufgerichteten mit einem Stoß aufs Lager zurückwarf,
aus dem Haare zwei Schlangen hervorzog, mit ihnen,
wie mit einer Peitſche zu klatſchen anfing und dazu mit
ſchäumendem Munde ſprach: „Meinſt du noch, ich ſey
ein verſchimmeltes altes Weib, und verſtehe mich nicht
auf den Zwiſt der Könige? Erkenne die Rachegöttin in
mir, die Krieg und Tod in ihrer Hand trägt!“ In die¬
ſem Augenblicke warf ſie ihre Fackel, die der Jüngling
in ihrer Furienhand geſchwungen ſah, ihm auf die offen¬
liegende Bruſt, ſo daß der ſchwarze, qualmende Brand
ſich feſt in ſein Fleiſch heftete. Seine Glieder und Ge¬
beine überſtrömte ein Schweiß. „Waffen!“ ſchnaubte er
noch in der Beſinnungsloſigkeit des Schlafes; Waffen
ſuchte er erwacht in ſeinem Bette, erſtanden in ſeinem
Hauſe; raſende Kriegswuth tobte in ſeiner Bruſt, wie
die Welle in einem ſiedenden Keſſel unter dem Reiſig¬
feuer aufhüpft. Sobald der Morgen angebrochen war,
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[357/0379] zum freudigen Kampf aus den Thoren ziehen, am Strande den Phrygiern ihre bunten Schiffe verbrennen und ſie ſelbſt vertilgen!“ Lachend erwiederte im Traume der Jüngling: „Alte! daß die Trojanerflotte in die Tiber eingelaufen iſt, und Juno meiner gedenkt, wußte ich ſchon längſt, das andere ſind Schreckbilder, mit denen dich dein Alter quält. Warte du der Götterbilder und des Tem¬ pels. Krieg und Frieden laß den Mann betreiben!“ Die Furie durchbebte ein Zorn bei dieſen Worten, und der Jüngling empfand ihren Schauer auf der Stelle. Er hörte das Ziſchen ihrer Hydern, ſein Blick erſtarrte und er wollte noch mehreres erwiedern, als die nächt¬ liche Geſtalt, plötzlich übermenſchlich groß geworden, den Aufgerichteten mit einem Stoß aufs Lager zurückwarf, aus dem Haare zwei Schlangen hervorzog, mit ihnen, wie mit einer Peitſche zu klatſchen anfing und dazu mit ſchäumendem Munde ſprach: „Meinſt du noch, ich ſey ein verſchimmeltes altes Weib, und verſtehe mich nicht auf den Zwiſt der Könige? Erkenne die Rachegöttin in mir, die Krieg und Tod in ihrer Hand trägt!“ In die¬ ſem Augenblicke warf ſie ihre Fackel, die der Jüngling in ihrer Furienhand geſchwungen ſah, ihm auf die offen¬ liegende Bruſt, ſo daß der ſchwarze, qualmende Brand ſich feſt in ſein Fleiſch heftete. Seine Glieder und Ge¬ beine überſtrömte ein Schweiß. „Waffen!“ ſchnaubte er noch in der Beſinnungsloſigkeit des Schlafes; Waffen ſuchte er erwacht in ſeinem Bette, erſtanden in ſeinem Hauſe; raſende Kriegswuth tobte in ſeiner Bruſt, wie die Welle in einem ſiedenden Keſſel unter dem Reiſig¬ feuer aufhüpft. Sobald der Morgen angebrochen war, beſchickte er die Häuptlinge ſeines Volkes, und hieß ſie

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/379>, abgerufen am 22.11.2024.