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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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zu den Waffen gegen den treulosen König Latinus grei¬
fen, und sich zum Kampfe gegen Beide, Latiner und
Trojaner, rüsten.

Während so Turnus den Muth seiner Landsleute
stachelte, flog die Furie zuletzt auch noch an den Tiber¬
strand, wo Julus mit seinen Begleitern, in den dichten
Uferwäldern eben dem Wild auf die Jagd nachging.
Hier beseelte Alekto die Spürhunde mit plötzlicher Wuth,
berührte ihre Nasen mit dem bekannten Geruch und
jagte sie ganz hitzig einem Hirsche nach. Dieses
Wild war besonders herrlich und von Geweihen hoch:
die Knaben des Tyrrhus, welcher der Oberhirte über die
Heerden des Königs Latinus war, hüteten sein; denn er
war vom Euter seiner Mutter weggenommen und in den
Wäldern des Königs aufgefüttert worden. Die Tochter
des Tyrrhus, Silvia, hatte das Thier ganz an ihre
Befehle gewöhnt, sie kämmte es, wusch es in lauterer
Waldquelle und schmückte seine Hörner mit weichen Blu¬
menkränzen; es ließ sich willig von ihr streicheln, war
an den Tisch seines Herrn gewöhnt, irrte frei in den
Wäldern umher und stellte sich jeden Abend freiwillig in
der Wohnung des königlichen Hüters.

Auf die Spur dieses schönen zahmen Hirsches führte
die Furie des Askanius Rüden, während er eben den
heißen Ufersand, nach Kühlung begehrend, verlassen hatte
und den Tiberstrom hinabschwamm. Askanius faßte das
herrliche Wild ins Auge, drückte den Pfeil vom Bogen
ab und sandte ihn tief in das Gedärme des Thieres.
Der verwundete Hirsch fuhr aus dem Wasser, kam
blutig zum wohlbekannten Hause seines Herrn, schleppte
sich ächzend in den Stall, und erfüllte, wie ein um

zu den Waffen gegen den treuloſen König Latinus grei¬
fen, und ſich zum Kampfe gegen Beide, Latiner und
Trojaner, rüſten.

Während ſo Turnus den Muth ſeiner Landsleute
ſtachelte, flog die Furie zuletzt auch noch an den Tiber¬
ſtrand, wo Julus mit ſeinen Begleitern, in den dichten
Uferwäldern eben dem Wild auf die Jagd nachging.
Hier beſeelte Alekto die Spürhunde mit plötzlicher Wuth,
berührte ihre Naſen mit dem bekannten Geruch und
jagte ſie ganz hitzig einem Hirſche nach. Dieſes
Wild war beſonders herrlich und von Geweihen hoch:
die Knaben des Tyrrhus, welcher der Oberhirte über die
Heerden des Königs Latinus war, hüteten ſein; denn er
war vom Euter ſeiner Mutter weggenommen und in den
Wäldern des Königs aufgefüttert worden. Die Tochter
des Tyrrhus, Silvia, hatte das Thier ganz an ihre
Befehle gewöhnt, ſie kämmte es, wuſch es in lauterer
Waldquelle und ſchmückte ſeine Hörner mit weichen Blu¬
menkränzen; es ließ ſich willig von ihr ſtreicheln, war
an den Tiſch ſeines Herrn gewöhnt, irrte frei in den
Wäldern umher und ſtellte ſich jeden Abend freiwillig in
der Wohnung des königlichen Hüters.

Auf die Spur dieſes ſchönen zahmen Hirſches führte
die Furie des Askanius Rüden, während er eben den
heißen Uferſand, nach Kühlung begehrend, verlaſſen hatte
und den Tiberſtrom hinabſchwamm. Askanius faßte das
herrliche Wild ins Auge, drückte den Pfeil vom Bogen
ab und ſandte ihn tief in das Gedärme des Thieres.
Der verwundete Hirſch fuhr aus dem Waſſer, kam
blutig zum wohlbekannten Hauſe ſeines Herrn, ſchleppte
ſich ächzend in den Stall, und erfüllte, wie ein um

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[358/0380] zu den Waffen gegen den treuloſen König Latinus grei¬ fen, und ſich zum Kampfe gegen Beide, Latiner und Trojaner, rüſten. Während ſo Turnus den Muth ſeiner Landsleute ſtachelte, flog die Furie zuletzt auch noch an den Tiber¬ ſtrand, wo Julus mit ſeinen Begleitern, in den dichten Uferwäldern eben dem Wild auf die Jagd nachging. Hier beſeelte Alekto die Spürhunde mit plötzlicher Wuth, berührte ihre Naſen mit dem bekannten Geruch und jagte ſie ganz hitzig einem Hirſche nach. Dieſes Wild war beſonders herrlich und von Geweihen hoch: die Knaben des Tyrrhus, welcher der Oberhirte über die Heerden des Königs Latinus war, hüteten ſein; denn er war vom Euter ſeiner Mutter weggenommen und in den Wäldern des Königs aufgefüttert worden. Die Tochter des Tyrrhus, Silvia, hatte das Thier ganz an ihre Befehle gewöhnt, ſie kämmte es, wuſch es in lauterer Waldquelle und ſchmückte ſeine Hörner mit weichen Blu¬ menkränzen; es ließ ſich willig von ihr ſtreicheln, war an den Tiſch ſeines Herrn gewöhnt, irrte frei in den Wäldern umher und ſtellte ſich jeden Abend freiwillig in der Wohnung des königlichen Hüters. Auf die Spur dieſes ſchönen zahmen Hirſches führte die Furie des Askanius Rüden, während er eben den heißen Uferſand, nach Kühlung begehrend, verlaſſen hatte und den Tiberſtrom hinabſchwamm. Askanius faßte das herrliche Wild ins Auge, drückte den Pfeil vom Bogen ab und ſandte ihn tief in das Gedärme des Thieres. Der verwundete Hirſch fuhr aus dem Waſſer, kam blutig zum wohlbekannten Hauſe ſeines Herrn, ſchleppte ſich ächzend in den Stall, und erfüllte, wie ein um

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/380>, abgerufen am 15.05.2024.